Das social Distel-Ding - Frust, Aggression und gute Ziele

ID 101451
 
AnhörenDownload
Im 11. Teil der social distancing Kolumne beschäftigt das social Distel-Ding die ganze Aggression. Und es erinnert daran, dass Jens Spahn mal Lobby-vertreter für Pharmafirmen war und zugleich als Gesundheitspolitiker agiert hat.
Audio
04:29 min, 4217 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 08.04.2020 / 18:47

Dateizugriffe: 2817

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 08.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Ohje, langsam steigt die Gernevtheit an. Statt die Sonne zu genießen kommt langsam der Koller. Bei diesem social Distel-Ding liegt es stark darin begründet, dass gestern Nacht die Spülmaschine den Geist aufgegeben hat. Dazu kommt dann noch die Realisation, dass in einer Wohnung, in der andauernd Menschen sind, viel mehr Staub anfällt und häufiges Staubsaugen ungefähr genauso dröhnend auf die Nerven geht wie die beständige Frage, wann das alles hier vorbei ist.
Zusätzlich wird die online und telefonische Kommunikation noch dadurch erschwert, dass scheinbar jede und jeder gerade einfach die Schnauze voll hat. Vom Warten, von andauernden Computerproblemen, von der ständigen Abgabe der eigenen Daten um überhaupt an dieser digitalen Welt teilzuhaben, von der Umständlichkeit die selbst einfachste soziale Handlungen mittlerweile mit sich bringen, von Polizisten die einen von Orten verscheuchen, obwohl man dort ganz alleine nur ein Buch lesen wollte. Und nicht zuletzt sind wir genervt von den zahllosen Kommentaren von social Distel-Dingern die die ganze Corona-Panik für aufgebauscht halten oder denjenigen die über nichts anderes mehr sprechen können, als die Zahlen und Entwicklung der Krankheitsfälle und der Krise…
Zwischenzeitlich möchte Mensch das Fenster aufreißen und einfach nur noch den Frust hinausschreien. Oder eben in Emails anderen social Distel-Dingern deren Unfähigkeit um die Ohren hauen.
Aggression liegt in der Luft. Und trotzdem kommt der Frühling, scheint die Sonne, schlagen die Bäume aus, summen die Bienen, zwitschern die Vögel. Was für eine Scheiße! Aber hilft ja nix.
Weitermachen, aufhören zu motzen! Sonst kommt es nach der Corona-Zeit nicht zu ausschweifenden Orgien sondern nur zu unnützen Massenschlägereien. Wenn wir das vermeiden wollen, müssen wir uns irgendwie beruhigen. Und dafür gibt es ja einiges was man machen kann.
Über zwei Stunden lange Yoga-Videos nachmachen, Atemübungen, Einschlafmusik, lange Spaziergänge an der frischen Luft, joggen, Radfahren, Katzen streicheln, Sonnenbaden…
Aber auch wenn wir versuchen müssen diese Aggression nicht unser soziales Miteinander zerstören zu lassen, dürfen wir sie nicht verdrängen.
Dieses social Distel-Ding empfiehlt daher die Variante: Aufgehoben ist nicht aufgeschoben!
Schreibt auf, was euch nervt. Erinnert euch daran, was vorgefallen ist. Ein Tagebuch hilft das alles im Nachhinein nicht zu verklären. Dann erinnern wir uns später daran, wie positiv über die Menschen im Niedriglohnsektor gesprochen wurde und wie hinfällig alle bisherigen Prognosen zum Wirtschaftswachstum waren. Dann können wir die Sprünge in der Argumentation der Populisten nachvollziehen, die gerade feststellen müssen, dass wissenschaftliche Fakten doch nicht einfach verleugnet werden können, nur weil sie sie nicht akzeptieren wollen.
Und wer früher schon ein Tagebuch geführt hat, kann jetzt lustig darin blättern. Nachlesen, dass die Bertelsmann Stiftung noch im vergangenen Juli empfohlen hat die Krankenhäuser von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser zu reduzieren, da das die die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern würde. Sich daran erinnern, das Andi Scheuer mit dem Geld für Radwege einfach mehr Straßen gebaut hat. Oder auch daran, dass, man höre und staune, der Focus Ende 2012 aufgedeckt hat, dass Jens Spahn zwischen April 2006 und Mai 2010 an einer Beratungs- und Lobbyagentur namens Politas beteiligt war. Jens Spahn war zu dieser Zeit noch nicht Bundes-Gesundheitsminister, aber als Abgeordneter war seine Doppeltätigkeit schon damals ein Glücksfall für die Klienten der Agentur, die vornehmlich aus der Medizin- und Pharmabranche stammten. Denn als Gesundheitspolitiker arbeite Spahn an Gesetzen mit, die seine Kunden direkt betroffen haben dürften - einen direkteren Zugang zu politischen Entscheidungsträgern konnte man kaum bekommen.
Na, kommt die Aggression wieder hoch? Gut, niederschreiben, merken und vor der Wahl wieder zur Hand nehmen. Und Demonstrationen, bei denen wir alle uns den Frust aus dem Leib schreien können, wird es auch wieder geben. Bis dahin sollte dann jedes social Distel-Ding genügend Gründe angesammelt haben damit die Straßen voll sind und ihre Stimmen unüberhörbar werden.

Kommentare
09.04.2020 / 08:45 Ulrike, coloRadio, Dresden
coloRadio
Tolle Serie