Das social Distel-Ding – Schöne Feiertage für alle, außer Held*innen?

ID 101509
 
AnhörenDownload
Teil 13 der social distancing Kolumne - diesmal mit dem Start in die Feiertage und der drohenden Arbeitszeitverlängerung für diejenigen, die bisher Held*innen genannt wurden
Audio
04:16 min, 10 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 10.04.2020 / 17:08

Dateizugriffe: 2793

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 10.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Oh wie schön ist doch das Leben als social Distel-Ding. Feiertag, schönes Wetter, Ruhe und Frieden in der Welt, irgendwie kann Mensch sich ja ablenken. Die Parks sind voll, auf Parkbänken darf wieder gelesen werden, die Räder werden ausgefahren, die Restaurants bieten extra zu Karfreitag Fischmenüs zum mitnehmen an und eigentlich ist es ja auch ganz schön, dem Osterstress mit den ganzen Familienbesuchen zu entgehen. Kein Osterstau auf den Autobahnen, Kirchgänge sind selbst an diesem wichtigsten aller Feiertage untersagt und die Schoko-Osterhasen sind eine willkommene Abwechslung zu den zig Tafeln normaler Schokolade die die social Distel-Dinger eh schon in sich reingestopft haben.
Vielleicht ist ja doch alles nicht so schlimm, wenn denn nur die Baumärkte wieder öffnen würden. Der Mensch als Gewohnheitstier kann irgendwann fast mit allem umgehen.
Aber es gibt auch Menschen da draußen, die in dieser, für alle social Distel-Dinger psychisch belastenden, Zeit auch noch durch einen Referenten-Entwurf aus der Bundesregierung weiter belastet zu werden. Genauer gesagt, sind es diejenigen Menschen, die zwischenzeitlich zu Heldinnen erkoren wurden, die nach diesem Schreiben in Zukunft täglich noch länger ihre Heldinnentaten vollbringen sollen. Im Referentenentwurf für eine „Covid-19-Arbeitszeitverordnung“ (AZO), die das Arbeitsministerium in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium erarbeitet hat, liest sich das dann so: (Zitat)
„Zur Bewältigung dieses außergewöhnlichen Notfalls, der bundesweite Auswirkungen hat, können für eine befristete Zeit auch längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhezeiten sowie die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen für bestimmte Tätigkeiten notwendig sein“. (Zitat Ende)
Dieser zitierte Entwurf liegt dem Handelsblatt vor und trifft Beschäftigte in der Herstellung und beim Einräumen von Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimitteln oder Medizinprodukten. Aber auch Beschäftigte in der Landwirtschaft, in der Energie- und Wasserversorgung, in Apotheken und Sanitätshäuser, bei Geld- und Werttransporten und im Daten- und Netzwerkmanagement sind betroffen. Diese Arbeitnehmer dürften demnach, vorerst bis Ende Juni, auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
Bedeutet: Während wir uns die Sonne an Sonn- und Feiertagen auf den Bauch scheinen lassen können - natürlich mit ausreichend Abstand zu anderen - sollen diese Menschen täglich bis zu 12 Stunden arbeiten und nur noch ein Anrecht auf täglich 9 Stunden Ruhezeit haben. Eventuell verkürzt wird diese Ruhezeit dann noch durch den Applaus, den wir diesen Heldinnen und Helden von unseren Fenstern und Balkonen aus zukommen lassen.
Aber auch wenn diese „Covid-19 Arbeitszeitverordnung“ nicht kommen sollte, könnten Pflegerinnen und Pfleger im Fall einer Verschärfung der Situation mit 12,5 Stunden-Schichten betraut werden. Möglich machen kann das eine Ausnahmeregelung in § 15 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes. Nach dieser Regelung wären Arbeitszeiten von bis zu 60 Stunden in der Woche und zwölf Stunden täglich erlaubt, wenn innerhalb von 24 Wochen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird und mindestens 15 Sonntage im Jahr frei bleiben. Diesen Weg plant das Uniklinikum Essen anscheinend gerade, wenn auch nur für den Notfall.
Für die von diesen Regelungen Betroffenen bedeutet das, dass sie vermutlich erst einmal in einen Burnout rutschen, wenn die Krise endlich vorbei ist.
Die psychische Belastung die dieses Arbeitspensum mit sich bringt, verbunden mit den täglichen Eindrücken der Arbeit mit schwerstkranken oder sogar sterbenden Menschen, stellt sich zumindest dieses Distel-Ding beinahe unerträglich vor. Wer dann noch einen Schritt weiter denkt und sich daran erinnert, was ein Berufsausfall nach der Krise für die Rente und die finanzielle Situation im allgemeinen für diese, heute als Heldinnen und Helden bezeichneten, Niedrig-Verdiener bedeutet, möchte schreien.
Aber das passt so gar nicht rein in das schöne Wetter und die Osterfeiertage. Wer diese genießen kann, dem wünsche ich eine schöne Zeit. Allen anderen, die für uns weiter arbeiten, möchte ich versprechen, dass wir euch nicht vergessen werden. Wir applaudieren nicht nur, wir werden für eure Rechte kämpfen.
Frohe Ostern

Kommentare
13.04.2020 / 18:32 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 13.4.. Vielen Dank!