Das social Distel-Ding – An die Kinder der Corona-Krise

ID 101790
 
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Teil 21 der social distancing Kolumne. Auch in dieser Ausnahmesituation werden immer noch Kinder geboren. Das social Distel-Ding denkt an die Eltern aber richtet sich auch an die Kinder, die in diesen Tagen das Licht der Welt erblicken.
Audio
05:07 min, 12 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.04.2020 / 15:31

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kinder, Wirtschaft/Soziales
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 22.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Verrückte an Ausnahmesituationen ist, dass es auch in Ausnahmesituationen Ausnahmen geben kann, die diejenigen die sie betreffen direkt in eine neue Ausnahmesituationen katapultieren. Ein ganz besonderer Fall dieses Ausnahmefalls im Ausnahmefall, der eine neue Ausnahme aus dem Ausnahmefall-Alltag nach sich zieht, ist: Die Geburt eines Kindes. Denn auch wenn wir social Distel-Dinger das Gefühl bekommen, als wäre die ganze Welt in der Pandemie-Prävention zum Anhalten gekommen und davon hören, dass in diesem Jahr nicht mehr mit Wachstum gerechnet wird: Es werden immer noch neue Menschen geboren. Jeden Tag, zu jeder Tageszeit.
Für die Eltern ist das sowieso ein spannendes Erlebnis, aber aktuell erscheint diese Erfahrung wohl eher auf dem Set eines Katastrophenfilms zu spielen. Während draußen die Sonne vom Himmel lacht und die Leute Eis essen, Radfahren und Joggen, sind die Krankenhäuser eine einzige Quarantänezone. Alltag und Entspannung sucht man dort vergebens.
Bald darauf kommen diese Eltern wieder aus dem Krisengebiet Krankenhaus und tragen Verantwortung für einen Menschen, für seine Gesundheit in einer Zeit in der unser aller Gesundheit durch eine unsichtbare Gefahr, die von anderen Menschen ausgeht, bedroht wird. Sie können nicht wissen, wie lange das noch geht, wie die nächsten Wochen und Monate aussehen. Vielleicht droht sogar die komische Erfahrung die Eltern von Kleinkindern gerade machen: Die ersten Worte der Kinder richten sich nach den Regeln des social distancing, kleine Kinder brabbeln: „Abstand“ Oder: „Händewaschen“. Die ersten Nebensätze die gebildet werden lauten: „[...], wenn der Virus vorbei ist.“ oder „wenn wir wieder raus dürfen“
Und trotzdem geht das Leben weiter. Trotzdem freuen wir uns über neues Leben in dieser Welt, neue Menschen die neue Ideen haben, auf unseren Schultern stehend weiter in die Geheimnisse der Welt blicken als wir es je konnten.
Aus diesem Grund einige Worte an die Neugeborenen und Kleinkinder dieser Zeit:
Hallo, liebe Kinder der Corona-Pandemie.
Diesen Text hat euch ein Mensch geschrieben. Mehr noch, ein Mensch der, unter dem Eindruck einer Pandemie und der daraus entstehenden Verhaltensregeln und der Unsicherheit seiner Situation, sich selbst als social Distel-Ding bezeichnet. Das muss dazu gesagt werden, weil derzeit davon ausgegangen wird, dass zu der Zeit in der ihr diesen Text lesen und verstehen könnt Computer-Programme Texte schreiben und vermutlich auch in der Geschichtsschreibung eingesetzt werden.
Wir Menschen erleben diese Zeit, in der ihr wehrlos wart, unserer Fürsorge bedurftet und auf uns angewiesen wart, als große Zäsur. Unsere bisherigen Schritte im Leben haben uns zu einer globalisierten, reichen und auch ungerechten Zivilisation der Erde werden lassen. Die Folgen merken wir stark. Die Globalisierung hat zur rasanten Verbreitung dieses Virus geführt, das aktuell die ganze Welt im Griff hält. In den Nachrichten wird häufiger des Bild von der Erde mit einem Mundschutz gezeigt.
Gleichzeitig befürchten wir, dass wir, in Folge des menschengemachten Klimawandels, wieder direkt in einen Dürresommer steuern. Unser Frühling ist in diesem Jahr besonders trocken ausgefallen, Regen ist schon länger ausgeblieben und wir bräunen uns auf unseren Balkonen. Während der Pandemie wird aktuell in Brasilien weiter der Amazonas gerodet, unsere künstlich angelegten Fichten-Wälder gehen wegen Wassermangel und dem Borkenkäfer ein und gestern kam die Nachricht, dass das Meereis am Nordpol wohl auch bei Einhalten unseres 2-Grad-Ziels schon vor 2050 saisonal abtauen wird. Ihr merkt also, unsere Zukunft malen wir nicht rosig.
Aber wenn wir ehrlich sind, erscheinen uns diese Probleme zu komplex um wirklich dagegen zu steuern. Gerade für unsere Generationen, die Zeit ihres Lebens gewohnt waren in der Zukunft einen Fortschritt zu sehen, ist das nicht die beste Zeit.
Allerdings kennen wir euch noch nicht. Wir wissen noch nicht, wie ihr die Welt, die ihr vorfinden werdet, verändern werdet. Wir können unser Bestes geben um euch unser Wissen zu vermitteln, euch helfen aus unseren Erfahrungen und Fehlern zu lernen, euch Hilfsmittel an die Hand geben, damit ihr es besser macht als wir. Oder auch nur, damit ihr ein gutes und erfülltes Leben mit anderen Menschen und der Natur führen könnt. Etwas anderes wollten wir eigentlich auch nie. Und um in den Worten einer Band aus dieser Zeit zu sprechen: Es ist nicht eure Schuld, dass die Welt ist wie sie ist. Es ist nur eure Schuld, wenn sie so bleibt.
Wir werden weiter daran arbeiten, euch eine bessere Welt zu hinterlassen und versuchen aus dieser Krise, in der ihr eure ersten Atemzüge, Schritte und Erfahrungen macht, eure ersten Worte sprecht und von dieser Welt wenig mitbekommt, klüger, vorausschauender und menschlicher herauszukommen.
Und irgendwann seid ihr dann an der Reihe zu bewerten, wie wir uns geschlagen haben. Dann könnt ihr es besser machen.
Aber jetzt kümmern wir uns erstmal darum, dass ihr von dieser Krise nichts mitbekommt und eine schöne Kindheit habt.
Liebe Grüße aus der Krise,
euer social Distel-Ding