Das social Distel-Ding - Lockerungen, Ausgangsbeschränkung und die Gefahr der Willkür

ID 102106
 
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Teil 29 der social distancing Kolumne - Diesmal mit der Frage ob die Ausgangsbeschränkung in Bayern nur noch eine Wahrnung ist oder von der Willkür der Beamten abhängt.
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mp3, 320 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.05.2020 / 22:05

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 04.05.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Wieder beginnt eine Woche im social distancing. Allerdings mit einiger Übung und mit weiteren Lockerungen: Beispielsweise dürfen Friseurinnen und Friseure ab heute wieder praktizieren. Natürlich mit Infektionsschutz-Auflagen. Auch haben Glaubensgemeinschaften jetzt wieder die Möglichkeit ihre Gotteshäuser zu öffnen, mit Abstandsregelungen und einer Maskenpflicht.
Und für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gibt es gute Nachrichten: Demonstrationen sind unter Auflagen wieder erlaubt. Ab heute ist also offiziell, was über das erste Mai-Wochenende schon geprobt wurde.
Versammlungen dürfen nur im Freien, unter Wahrung des Mindestabstands und mit maximal fünfzig Teilnehmern stattfinden. Flyer und Flugblätter dürfen dabei nicht verteilt werden, sondern sollen nur ausgelegt werden dürfen. Zusätzlich zu der Mengenbeschränkung gibt es auch eine zeitliche Beschränkung: Maximal 1 Stunde, pro Anmelder nur eine Versammlung mit den gleichen Leuten pro Tag.
Das sind ziemlich viele Auflagen und die Verhältnismäßigkeit ist fraglich, wenn Mensch an die Infektionsgefahr in großen Supermärkten denkt. Es gilt wie eigentlich durchgängig in dieser Zeit: Die Gerichte haben viel zu tun die Regelungen zu überprüfen.
Was nach all diesen Lockerungen in letzter Zeit mittlerweile eigentlich jedem klar sein sollte: Die bayerische Ausgangsbeschränkung mit ihrem Bußgeldkatalog gilt an sich nur noch als schwache Drohung und Handlungsempfehlung.
Denn wenn jetzt Friseur-Salons, der Einzelhandel und Kirchen wieder geöffnet haben, Demonstrationen oder genauer Kundgebungen wieder erlaubt sind und vermutlich ab morgen auch wieder Museen und Zoos öffnen können, dann kann nicht zugleich der Weg zu diesen Orten mit Bußgeldandrohung verboten sein.
Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Entweder: Die Ausgangsbeschränkung wird de facto nicht mehr verfolgt und gilt somit nur noch als Handlungsempfehlung, die den Bürgerinnen und Bürgern vorhalten soll, dass wir noch nicht wieder in der Normalität angekommen sind und sie sich entsprechend in ihrem Verhalten einschränken sollen.
Oder: Die Umsetzung der Ausgangsbeschränkung liegt in den Händen der Polizei und der Ordnungsämter und ob Bußgelder verhängt werden liegt in deren Willkür.
Im ersten Fall hoffen alle auf die Vernunft und auf den vorauseilenden Gehorsam der ordnungsliebenden Bevölkerung, der leider auch unabhängig der Sinnhaftigkeit der Verordnungen in der Bundesrepublik zu genüge vorhanden ist. Durch die Drohung mit Bußgeldern und klaren Ansagen was erlaubt und was verboten sei, wird hier versucht Kontrolle auszuüben und die Blockwart-Mentalität angesprochen. Der soziale Druck und die Angst vor hohen Strafen führt in diesem Fall dazu, dass die Selbstbeschränkung für den Infektionsschutz funktioniert.
Im anderen Fall sprechen wir allerdings von einer klaren Missachtung des Rechtsstaatsprinzips, genauer, der Rechtssicherheit: Die/der Einzelne muss sich auf die bestehenden Gesetze verlassen können, sie/er muss vorhersehen können, welche rechtlichen Folgen das eigene Handeln hat.
Es ist davon auszugehen, dass diese Willkür viele nicht treffen wird. Vielmehr sind von dieser Willkür der Beamten die Minderheiten bedroht, die nicht darin geübt sind ihre Rechte einzuklagen, Widerspruch gegen Bußgelder einzulegen oder plausible Begründungen für ihren „Ausgang“ vorzubringen.
Und damit trifft es vor allem die sozial schwachen und unter ihnen die in dieser Gesellschaft die am schwächsten Gestellten: Geflüchtete.
Die Situation von Geflüchteten ist in Bayern aktuell untragbar. Wenn es in einem AnkER-Zentrum zu einem Covid-19 Fall kommt, wird das gesamte „Zentrum für Ankunft, Entscheidung, Rückführung (AnkER)“ in Quarantäne gestellt.
Der bayerische Flüchtlingsrat hat schon am 2. April das Innenministerium und die Bezirksregierungen angezeigt, weil die Unterbringung in Mehrbettzimmern in allen bayerischen Unterkünften und die Kantinen in ANKER-Zentren gegen die Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verstoßen.
Für den Fall, dass die Verfolgung der Ausgangsbeschränkung nun von der Willkür der Beamtinnen und Beamten abhängt, ist davon auszugehen, dass es die Geflüchteten, die das Glück haben nicht in einem Infektionsherd eingesperrt zu sein, besonders treffen wird.
Nicht zuletzt aus diesem Grund muss die Regierung die Gesetzeslage anpassen und so die Rechtssicherheit wieder herstellen. Es stimmt zwar, dass die social Distel-Dinger über die sich täglich ändernden Regelungen mittlerweile häufig keine Ahnung mehr haben, aber das darf nicht bedeuten, dass wir der Willkür einzelner unterworfen sind.
Soviel zum Abschluss: Der Friseurtermin und der Einkauf in geöffneten Geschäften gilt mittlerweile als triftiger Grund zum Verlassen der eigenen Wohnung, genauso wie Sport, der Weg zur Arbeit und vieles mehr.
Verboten bleibt es die Wohnung zu verlassen ohne einen dieser triftigen Gründe glaubhaft zu machen. Die Teilnahme an Versammlungen wurde im Übrigen noch nicht als expliziter Grund zum Verlassen der Wohnung in die Dritte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1. Mai aufgenommen, obwohl diese wie erwähnt unter Auflagen wieder zugelassen sind. Gleiches gilt auch für die Gottesdienste.
Am wichtigsten bleibt aber die Vernunft: Wer sich krank fühlt oder sich zur Risikogruppe zählt, sollte zwei mal überlegen, ob der Ausflug lohnt, egal ob es erlaubt ist oder nicht. Und natürlich die Grundregel der Ausgangsbeschränkung: Jeder wird angehalten, die physischen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten.

Kommentare
05.05.2020 / 18:10 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 5.5.. Vielen Dank!