Das social Distel-Ding – Der Corona-Burnout und warum er uns nicht kleinkriegen darf

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Teil 31 der Klomune aus dem social distancing - Der Corona-Burnout schlägt zu, aber es gibt noch viel zu tun.
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05:20 min, 12 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 07.05.2020 / 19:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 07.05.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Jetzt ist es also vorbei mit der Ausgangsbeschränkung. Und wenn man sich so umhört und umschaut auch mit dem ganzen sogenannten „Corona-Wahnsinn“. Alles dreht sich nur noch darum wann was wieder öffnet, wie die Normalität wieder eintritt.
Alles scheint wieder normal, nur muss man eben davon ausgehen, dass der Virus uns noch länger begleiten wird. Und damit auch, dass die Gefahr mitschwingt jemanden anzustecken, jemanden an Covid-19 zu verlieren. So sehr wir auch hoffen, dass wir das Virus jetzt verstanden und unter Kontrolle haben, so grausam ist dann auch die Feststellung wie unsere neue Normalität jetzt aussieht:
Langsam kommen wir wieder dahin zurück wo wir vorher waren, nur dass jetzt mehr Menschen um uns herum vermutlich das Virus mit sich tragen. Dazu kommt noch: Das Geld, das wir in letzter Zeit nicht verdienen konnten, kommt nicht wieder zurück. Die Verdienstausfälle bleiben in den Büchern. Und wer deswegen Schulden aufnehmen musste, wird die noch länger mit sich herumtragen.
Viel schlimmer scheint aber die Aussicht auf das was noch kommen könnte: Die Arztrechnungen die in den USA bei den Überlebenden eintrudeln. Die Verdienstausfälle in stark vom Tourismus abhängigen Ländern. Die psychischen Narben die diese Zeit nicht nur bei denjenigen hinterlässt, die Angehörige verloren haben und nicht zur Beerdigung durften.
Der Austritt aus dem Ausnahmezustand führt zu einem Stressabfall, den manche schon langsam spüren. Und wie es immer so ist mit Stressabfall: Die Leute werden krank, die traumatischen Ereignisse können erst richtig verarbeitet werden und die Produktivität nimmt ab: Corona-Burnout – Nachkrisen-Wahnsinn – bodenlose Erschöpfung
Alles nicht die besten Voraussetzungen für die Zeit einer wieder anlaufenden Wirtschaft. Vielleicht kann da dann wieder Fußball helfen. Oder die wieder geöffneten Biergärten. Oder dass Mensch endlich wieder mit Freundinnen und Freunden raus kann. Oder auch nur, dass wieder gearbeitet werden muss und der Druck einen in die Arbeit treibt, einen zwingt nicht den Kopf hängen zu lassen.
Außerdem ist die kommende Phase auch sehr wichtig, politisch wie gesellschaftlich. Jetzt gewinnt, wer nicht den Kopf hängen lässt sondern nach vorne prescht. Wir hören und sehen schon was das bedeutet: In Waldkraiburg gab es in den letzten Wochen 4 Anschläge auf türkische Läden, der schlimmste davon ein Brandanschlag mit 6 Verletzten.
In der Querfront rund um die Frage ob die Maßnahmen und die Corona-Zahlen richtig sind, tummeln sich zahlreiche Menschen, die versuchen die Stimmung zu nutzen um antisemitische Ressentiments und rassistische Grundstimmungen in den Köpfen der Unzufriedenen zu verankern. Antisemitische Angriffe haben zugenommen. In der Wirtschaft blasen die Großindustriellen zum großen Angriff auf die Regulierungen, die in den letzten Jahren installiert wurden um die Arbeitnehmer, die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.
Insgesamt schreit ein Gros der Gesellschaft danach lange Überlegungen und durchdachtes Handeln gegen schnelle und einfache Entscheidungen auszutauschen.
Der Vollbremsung soll ein Burnout folgen und es ist uns egal wie die Reifen qualmen und ob sie uns dann bald platzen. Es scheint: Zur Not fahren wir alles auch auf den Felgen an die Wand.
Andererseits: Pessimistische Aussagen sind einfach zu treffen.
Vielleicht kommt nach dem Gebrüll und den weiteren Folgen bald auch die politische Debatte, die wir eigentlich bräuchten: Wieso soll eine globale Krise eigentlich nur die schmerzhaft treffen, die sich schon davor im Hamsterrad abgestrampelt haben. Die Karotte, die uns Esel den Karren ziehen lies, das Versprechen irgendwann nicht mehr strampeln zu müssen, irgendwann sorgenlos die eigenen Enkel auf dem Schoß zu balancieren und wissen zu können, dass das eigene Heim und das eigene Ersparte sicher ist, ist doch schon längst verschrumpelt.
Kaum einer glaubt doch noch daran, dass Fleiß und Einsatz einen zum Millionär werden lässt. Und selbst wenn: Für eine Million kann Mensch in München vielleicht gerade noch eine zweieinhalb Zimmer-Wohnung kaufen, und dann ist das Geld weg.
Die Frage ist doch, was ist, wenn der Traum vom guten Leben das Mensch sich erarbeiten kann, ausgeträumt ist? Können wir einen neuen Traum formulieren, oder sind wir nun in einer grausamen Realität erwacht in der uns die Sorgen um die Zukunft, um die Miete und um die Gesundheit unserer Lieben wach halten?
Ein alternativer Traum könnte ja auch sein, dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass alle Menschen ihr Talent und ihre Fähigkeiten bestens in dieser Gesellschaft einbringen können. Dass die Künste, die Kreativität, die Wissenschaft und Grundlagenforschung florieren, dass keine Kinder hungrig ins Bett gehen und keine Eltern sich zerreißen beim Versuch die Familie zu Versorgen und Liebe zu geben. Dass die Umwelt nicht unkontrolliert über uns zusammenbricht und wir von einer Katastrophe in die nächste schlittern…
Auch für dieses social Distel-Ding klingt das schon fast zu verschwurbelt, aber so ist er halt, der Post-Corona-Burnout!