Präsident der Nestlé-Gewerkschaft auf den Philippinen ermordet

ID 10242
 
Es hat Blut in deinem Kaffe
Präsident der Nestle-Gewerkschaft auf den Philippinen brutal ermordet

Ein Bericht über die Ermordung des Nestlé-Gewerkschaftspräsidenten Ka Fort Fortuna.
Fortuna wurde am 22. September 2005 durch zwei Schüsse in den Rücken in der Nähe der Nestlé-Fabrik in Cabuyao getötet. Er ist bereits der zweite Präsident der Nestlé-Gewerkschaft der ermordet wurde. Und der vierte Mord eines politischen Aktivisten in Süd-Tagalog in diesem Monat. Die Philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo führt Krieg gegen die Philippinische Bevölkerung. Die 638 Nestlé-Arbeiter und 5 -Arbeiterinnen sind seit drei Jahren und acht Monaten im Streik, weil Nestlé ihnen die vertraglich zugesicherten Pensionsgelder verweigert. Die streikenden ArbeiterInnen erwarten in den nächsten Wochen einen wichtigen Entscheid des obersten Gerichtshofes.
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15:45 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 27.09.2005 / 00:00

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Entstehung

AutorInnen: Dina und Bianca, Radio LoRa
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 27.09.2005
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Skript zum Bericht über die Ermordung des Präsidenten der Nestlé-Gewerkschaft auf den Philippinen

There is blood in your coffee

Es hat Blut in deinem Kaffe, frisches Blut vom Gewerkschaftspräsidenten Ka Fort Fortuna, ermordet am 22. September 2005 auf den Philippinen!

O- Ton

Letzten Montag haben wir von den Kämpfen der Nestlé Arbeiter berichtet, die seit 3 Jahren und 8 Monaten im Streik sind.

Am Donnerstag, dem 22. September, wurde ihr Gewerkschaftspräsident erschossen in der Nähe der Nestlé-Fabrik von Cabuyao, südlich von Manila. 

Dies ist der zweite Nestlé Gewerkschaftspäsident, der erschossen wurde. Diosdado Fortuna, oder Ka Fort, wie er von seinen Genossen und Genossinnen liebevoll genannt wird, wurde am Donnerstag Abend um ca 17.30 Uhr, duch zwei Schüsse in den Rücken, Kaliber 45, getötet.

Ich habe den Nestlé-Streikposten am 13. und 14. September besucht und Ka Fort Fortuna kennengelernt. Er hat mir ihre Situation in Cabuyao geschildert. Jetzt ist er tot, brutal ermordet, in den Rücken geschossen, ein Genosse, der sich entschieden hat, für die Rechte der Arbeiter, für die Gewerkschaft zu kämpfen.

Am 21. September fanden überall auf den Philippinen Demos statt zur Erinnerung an >=martial low„, als Präsident Marcos 1972 das Kriegsrecht ausgerufen hat. Auch in Cabuyao hat eine Demo statt gefunden, vor dem Nestléwerk und Diosdado Ka Fort Fortuna hat eine Rede gehalten. Was jetzt in den Philippinen geschieht ist unausgesprochenes Kriegsrecht, Krieg gegen die Arbeiter und deren Familien, gegen die Bäuerinnen und Bauern. Auch gegen Studierende. Der Organisation der Studierenden wurde in Manila keine Demobewilligung erteilt. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo meinte, zu viele Demonstrationen schaden der Wirtschaft.

Nachdem wir von der brutalen Ermordung von Ka Fort erfahren haben, sind wir sofort zum Streikposten ca 3 Stunden ausserhalb von Manila gefahren. Mit den streikenden Nestlé-Arbeitern sind wir zur Totenwache im Haus von Ka Forts Familie gegangen. Ka Fort war verheiratet hatte drei Kinder, der jüngste ca 14 Jahre alt und auch schon die ersten Enkelkinder.

An der Totenwache versuchten die Anwesenden den Tathergang zu rekonstruieren.
Gewerkschaftsleute und Menschenrechtsorganisationen haben sofort eine Untersuchung eingeleitet.
Kakay Tolentino von Courage, dem Verband der Staatsangestellten fasst zusammen, was am Abend vorher geschah.

O-Ton

Ka Fort Fortuna nahm am Donnerstag den 22. September an einer Sitzung der verschiedenen Führerinnen und Führern der Massenorganisationen teil. Plötzlich kamen zwei Männer herein und fragten ; >=Wo ist der Tote„. >=Hier ist kein Toter„ war die Antwort und Ka Fort Fortuna stand auf, um sich zu erkundigen, was sie wollen. Sie gaben keine Antwort und rannten weg.
Später fuhr Ka Fort zum Nestlé Streikposten, wo er ein Treffen mit StudentInnen der Universität Santo Tomas hatte. Die Frau vom Kiosk gleich neben dem Streikposten erzählte, dass ein Mann die ganze Zeit dort gestanden sei und die Leute vom Streikposten beobachtet habe. Sie habe ihn gefragt, ob er etwas kaufen wolle, doch er gab keine Antwort. Ka Fort Fortuna verliess den Streikposten um ca. 17 Uhr um mit dem Motorrad nach Hause zu seinem kranken Enkelkind zu fahren. Um ca. 17.30 Uhr wurde er auf einem offenen Gelände vor einer Fabrik nur wenige Hundert Meter von seinem Haus entfernt von zwei Männern auf einem Motorrad erschossen. Die zwei Schüsse durchbohrten seinen Rucksack, drangen im Rücken ein, einer ging durchs Herz, der andere durch die Leber, und kamen durch die Brust wieder raus.

Die Männer auf dem Motorrad flohen. Kurz darauf kam ein anderes Motorrad mit zwei unbekannten Männern, die in der Nähe hielten, beobachteten und wieder gingen. Ka Fort wurde von herbeigeeilten Leuten sofort ins Spital gebracht. Dort konnte nur noch sein Tod festgestellt werden.

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Die wahren Terroristen sind die grossen Konzerne, wie Nestlé und das Regime von Gloria Macapagal Arroyo, welches die Interessen der multinationalen Konzerne verfolgt, damit diese die Arbeiter und Arbeiterinnen besser ausbeuten können, indem sie keine festen Arbeitsverträge mehr abschliessen, so keine Sozialleistungen bezahlen und sich nicht an die minimalen Arbeitsgesetze halten müssen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die für ihre Rechte kämpfen, bezahlen manchmal mit dem Tod.
Dies sagte Carina Castrillo von der nationalen Koalition zur Wahrung der Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter, an der Pressekonferenz, die am letzten Samstag in Manila statt fand.

Gloria Macapagal Arroyo sagte 2003 anlässlich ihres Besuches in Southern Tagalog, dass Drogendealer und streikende ArbeiterInnen Terroristen seien, die verhindern, dass die multinationalen Firmen auf den Philippinen Jobs schaffen können, und dass sie bekämpft werden müssen. 

Immer wieder betonen die Nestlé Arbeiter, dass sie keine Terroristen sind, dass sie für ihr Recht auf eine Pension, das im Arbeitsvertrag bis 2001 verankert war, kämpfen.
Ka Fort ist nicht der erste, der seit dem Beginn des Streik der Nestléarbeiter im Februar 2002 gestorben ist. Bereits 11 weitere Genossen sind im Verlaufe des Streiks gestorben, einerseits, weil sie kein Geld hatten, um sich behandeln zu lassen oder weil sie durch den Stress im Zusammenhang mit dem Streik einen Herzinfarkt erlitten. Einige der streikenden Arbeiter haben bis zu 29 Jahre bei Nestlé gearbeitet. Sie mussten jährlich gesundheitliche Routineuntersuchungen machen. Als ein Arbeiter während des Streikes schwer krank wurde, weigerte sich das Nestlé Management die Krankengschichte dieses Arbeiters herauszugeben, und hat somit verhindert, dass die Versicherung die Behandlungskosten übernimmt. Mangels Geld konnte er nicht behandelt werden und ist ebenfalls gestorben.

Die Totenwache und die Pressekonferenz am nächsten Tag zum Gedenken Diosdado Fortuna war sehr bewegend. Viele haben den Genossen gerühmt als einen Menschen, der immer für eine angenehme, aufmunternde Stimmung sorgte. Er kannte sich sehr gut mit Arbeitsgesetzen und Gerichtsverfahren aus. Er war aber auch ein guter Redner an Demonstrationen und Kundgebungen.

Hier ein Auszug aus einer der vielen Demonstrationen an der Ka Fort gesprochen hat. Seine Stimme, vor noch nicht allzulanger Zeit. Er zählt die Forderungen der Gewerkschaft nach über drei Jahren Streik auf.

O-Ton Demo

Mit Ka Fort wurde ein Führer der Gewerkschaft, aber auch der Massenbewegung in Süd-Tagalog, wie die Region südlich von Manila genannt wird, brutal ermordet.
Die streikenden Nestlé-Arbeiter machen klar Nestle und die Polizei, die von Gloria Macapagal Arroyo zum Schutz von Nestlé nach Cabuyao entsandt wurde für den Mord verantwortlich.
Der Vize-Präsident der Nestlé-Gewerkschaft und der Anwalt der Menschenrechtsorganisation sagten klar, es ist keine Einzeltat. Der Mord war ins Detail geplant und koordiniert. Es waren mehr als die zwei Männer auf dem Motorrad die geschossen haben darin involviert. Es war ein Mord, der in Auftrag gegeben wurde und es geschah nach dem gleichen Muster, nach dem der letzte Präsident der Nestlé Gewerkschaft im Jahr 1989 ermordert wurde. Auch damals waren die Arbeiter im Streik und es stand ein wichtiger Gerichtsentscheid bevor. Um die Arbeiter einzuschüchtern wurde ihr Präsident Mel Roxas vor dem Streikposten erschossen. Noch dieses Jahr erwarten die streikenden Arbeiter von Nestle nach bald vier Jahren Streik den Entscheid des obersten Gerichtshofes, ob Nestlé sie wieder einstellen muss und ihnen die Pensionsgelder, die ihnen schon früher gerichtlich zugesprochen wurden bezahlen muss. Und wieder wird der Präsident kurz vor dem Entscheid brutal ermordet.

Die Nestlé Arbeiter haben sich auch an nationalen Aktionen und Demonstrationen beteiligt. Ka Fort war auch in Manila beim nationalen Gewerkschaftsverband bekannt.
Im Folgenden spricht er an einer Demonstration an der eine grosse Delegation aus SüdTagalog, der Region südlich von Manila, teilgenommen hat, darunter viele Arbeiter der Nestlé.
Anschliessen ein Arbeiterlied, das auch an seiner Totenwache gesungen wurde.

O-ton

Es macht sehr sehr traurig und wütend, wenn ein Genosse, Freund, Kasama, Vater, Ehemann, Nachbar so brutal und hinterhältig erschossen wird, nur weil er sich für seine Rechte und die seiner Ko-Arbeiter einsetzt.
Irgendwie ist es kaum zu fassen, dass ein Genosse mit dem ich erst vor 14 Tagen noch gesprochen habe einfach nicht mehr da ist, weil irgendwelche Leute entschieden haben er soll ermordet werden.
Klar, er ist nicht der einzige, allein in diesem Monat wurden in SüdTagalog schon 4 Personen ermordet und 120 weitere Menschenrechtsverletzungen wurden durch Polizei, Armee und Todesschwadrone verübt. Aber es trifft mich nochmals anders, weil ich die Person gekannt habe.

Alle, die an der Totenwache und an der Pressekonferenz am letzten Samstag gesprochen haben erzählten, wie sie Ka Fort kennen gelernt haben, was sie an ihm geschätzt haben und sie haben alle damit geendet, dass der Kampf weitergehen muss, dass Ka Fort nicht für nichts gestorben ist. Dass es viele neue Ka Forts in den Reihen der Massenbewegung geben muss. Und vor allem fordern sie:
Gerechtigkeit für Ka Fort, Gerechtigkeit für die Arbeiter von Nestlé! Und bis diese Gerechtigkeit nicht erfüllt ist rufen sie alle auf den Philippinen und international mit noch grösserem Nachdruck zum Boykott aller Nestlé Produkte auf.

Es ist blut in Deinem Kaffee, wenn du Nestlé-Kafee trinkst.
Nach der brutalen Ermordung von Diosdado Ka Fort Fortuna stimmt diese Aussage umsomehr.
In diesem Sinne wollen auch wir hier auf radio LoRa vom Fraueninfo zum Boykott von Nestlé aufrufen.

Zum Schluss ein Lied der Bewegung, das von der Hoffnung auf ein besseres Leben spricht, ergänzt mit Parolen der Nestlé-Arbeiter und den Leuten, die mit ihnen solidarisch sind.

O- Ton

Dies war ein Bericht von Dina und Bianca aus den Philippinen zur Ermordung des Nestlé Gewerkschaftspräsidenten Ka Fort Fortuna am 22. September 2005


Kommentare
27.09.2005 / 11:54 Ralf, Radio Corax, Halle
gesendet
bei Radio CORAX im Infomagazin Widerhall gesendet am 27.9.
 
27.09.2005 / 16:22 rabe, Radio RaBe, Bern
wird gesendet
im abendinfo 29.9. noch eine frage: für die anmodi: wie heisst dina denn mit nachnamen? wäre noch gut zu wissen! dankesehr
 
28.09.2005 / 19:49 leo, Radio Helsinki, Graz
gesendet
im rahmen von "A_partment politi_X" bei radio helsinki/graz
 
29.09.2005 / 16:03 Christian, Radio Z, Nürnberg
Gesendet in ZipFM
am 29.09.2005