Mit den Farben von Kaiser und Hitler für's Grundgesetz?

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Ein Transparent auf einer Hygiene-Demo in Freiburg erinnert an kaum noch bekannte, aber nicht von allen vergessene deutsche Traditionen. Das ist wohl kaum ein Zufall, meint unser Kommentar.
Audio
04:22 min, 4103 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 19.05.2020 / 11:38

Dateizugriffe: 36

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Mittagsmagazin
Entstehung

AutorInnen: Jan Keetman
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 19.05.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Bei einer der Hygiene-Demos am vergangenen Wochenende in Freiburg hing ein großes Transparent zwischen Bäumen mit den drei Worten „Frieden, Freiheit, Wahrheit“. Das sind Worte, gegen die man nichts haben kann. Eine andere Frage ist es, ob diejenigen die sie auf das Transparent gemalt haben, sie damit auch für sich gepachtet haben. Was Beobachter*innen jedoch mehr stutzig machte, waren die Farben „Schwarz, Weiß, Rot“ in denen das Transparent gemalt war. War da nicht was mit der Reichskriegsflagge?
Es war nicht schwer, das etwas genauer zu recherchieren. Als 1866/67 der Norddeutsche Bund gebildet wurde, machte man einen Kompromiss zwischen den Farben der preußischen Monarchie Schwarz und Weiß und den Farben der Flaggen der Hansestädte Rot und Weiß. Entsprechend der französischen Tricolore kreierte man also eine Flagge mit den drei Streifen Schwarz-Weiß-Rot. Als kurz darauf das Kaiserreich gegründet wurde, übernahm man einfach diese Flagge.
Bei Gründung der Weimarer Republik setzte sich schließlich die Schwarz-Rot-Goldene Fahne gegen die Fahne des Kaiserreichs und andere Vorschläge, wie eine Rote Fahne durch. Das Schwarz-Rot-Gold sollte an die demokratische Tradition der Revolution von 1848/49 anknüpfen. Damit wurde Schwarz-Weiß-Rot zur Farbe der rechten Republikgegner. Mal mit einer mehr monarchistischen Note, mal mit einer militaristischen Note, denn schließlich hatte man unter dieser Fahne ja im Weltkrieg gekämpft.
Die Nationalsozialisten fügten das Hakenkreuz als ein angebliches altes Symbol des Ariertums hinzu. Gleichzeitig behielten sie aber die antirepublikanischen Farben bei. Ihre Flagge war von 1920 bis zum schmählichen Ende 1945 ein Schwarzes Hakenkreuz auf einem weißen Fleck auf rotem Grund. Die Farbwahl sollte sicher monarchistischen und militaristischen Kreisen signalisieren, dass man anschlussfähig war und wie sie die Republik entschieden ablehnte. Zugleich signalisierte das Hakenkreuz, dass man mehr wollte als nur den alten Kaiser Wilhelm aus dem holländischen Exil zurückholen.
Die Bundesrepublik und auch die DDR führten die Weimarer Farben Schwarz-Rot-Gold wieder ein. Die Farben des Kaiserreichs und der Nazis blieben aber noch lange, z. B. In den Emblemen von Vereinen populär. Da die Farbkombination anders als Hakenkreuzembleme nicht verboten ist, stellt Schwarz-Weiß-Rot, ebenso wie die ebenfalls nicht verbotenen Reichskriegsflaggen ein mögliches Surrogat für rechte Spinner da. Wenn man es auf den mindesten Nenner bringt, so beinhaltet die Kombination eine Ablehnung der politischen Entwicklung in Deutschland nach 1945 und damit auch des Grundgesetzes für das sich viele auf den Hygiene-Demos stark machen.
Nun kann man einwenden, dass die Farbkombination auf dem Transparent vielleicht Zufall ist, schließlich entspricht ihr Aussehen auch ohne Beschriftung nicht genau einer historischen Fahne. Aber alle drei Farben sind in Streifen angeordnet auch wenn Schwarz und Weiß nicht übereinander, sondern nebeneinander angeordnet sind. Schwarz ist, wenn man von Links nach Rechts liest, wie im Original am Anfang und Rot ist wie im Original unten. Auch die Schrift ist so gewählt, dass keine weitere Farbe gebraucht wird. Das wirkt schon alles sehr überlegt. Auch wenn es sich den allermeisten nicht unmittelbar erschließt wird da eine gewisse Symbolik hineingetragen. Und eben diese Symbolik hat mit Frieden, Freiheit, Wahrheit und dem Grundgesetz nichts zu tun.
Die Leute gehen aus unterschiedlichen Gründen auf Hygiene-Demos. Mit vielen wäre vielleicht nur über Wahrscheinlichkeiten zu reden, nicht über politisch grundsätzliches. Um so wichtiger ist es, klar zu zeigen, welche politischen Strömungen versuchen sich hier als angebliche Freiheitsfreunde anzubiedern. Wem das egal ist, mit dem ist allerdings politisch zu hadern.