Das social Distel-Ding - Der Corona-Kater

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Tei 51 der Kolumne aus dem social distancing - Diesmal mit dem schlechten Gefühl das einen beschleicht, wenns einmal nicht geklappt hat mit dem social distancing.
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05:44 min, 5376 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 27.07.2020 / 19:14

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Wirtschaft/Soziales
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 27.07.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Montag! Das Wochenende ist vorbei und der Ernst des Alltags steht weitere 5 Tage an.
Dieses social Distel-Ding war am Wochenende endlich mal wieder auf einer Feier und hat sich sau wohl gefühlt andere Menschen zu treffen. Und am nächsten Tag: Corona-Kater. Ob das alles so richtig war, hygienisch, verantwortungsvoll, risikogerecht? Schwer zu sagen, wenn nicht nur diese Fragen, sondern auch Restalkoholschwaden durch den Kopf wabern. Es ist halt auch nicht einfach, das gute Leben in der Pandemie. Wenn es denn überhaupt möglich ist.
Aber nicht nur diesem social Distel-Ding geht es vermutlich so. Die Freude über das Aufeinandertreffen trifft auf den Hunger nach menschlichem Kontakt, der uns in den letzten Monaten so abgegangen ist. Glückselig ist der Mensch, wenn er oder sie mal wieder raus aus der Corona-Welt schauen und stattdessen alle Sorgen und alles Leid in der Gesellschaft anderer vergessen darf.
Aber dann kommt er eben am nächsten Tag, der Corona-Kater. Da kommen dann nicht nur die Erinnerungen an den Abend zuvor zurück, sondern auch die Begründungen, warum solch ein schöner Abend so lange nicht mehr abgehalten wurde: Wir wollten uns gegenseitig nicht anstecken. Wir wollten nicht unwissentlich den Virus verbreiten. Wir wollten unsere Eltern und Großeltern und die unserer Bekannten, Kolleginnen und Freunde vor der großen Gefahr einer Ansteckung bewahren. Wir wollten die Gesundheit aller höher werten, als unsere kurze Freude am Feiern.
Tja, wir wollten und wir haben es auch lange Zeit getan. Nur jetzt haben wir eventuell einen folgenschweren Fehler begangen und können nur hoffen, dass in den nächsten zwei Wochen die Schreckensnachricht einer Infektionswelle im Bekanntenkreis ausbleibt. Und, dass wir in den nächsten 14 Tagen noch besser darauf aufpassen andere vor unseren Aerosolen und anderen Virenträgern zu schützen. So sind wir zwar dann nicht vorbildlich durch die Krise gekommen, aber zumindest verantwortungsvoll.
Denn die Gefahr ist natürlich da, dass Mensch sich danach für dieses Fehlverhalten schämt und dann für sich nach Begründungen sucht, warum es jetzt doch in Ordnung war, die Befürchtungen in den Wind zu schlagen. Die Folge daraus wäre dann, es ganz aufzugeben sich gegen den Virus zu stellen. Das wäre, spätestens jetzt, im Angesicht einer zweiten Welle, wirklich nicht hilfreich. Stattdessen empfiehlt dieses social Distel-Ding diese Corona-Kater-Rezeptur:
Dafür brauchen wir folgende Zutaten: Akzeptanz, Kommunikation, Sicherheit und Kanalisierung.
Zuerst müssen wir die Akzeptanz herstellen. Dafür empfiehlt es sich einen Spaziergang zu unternehmen. Die Freude über den Abend zuvor kann einfach auch mal genossen werden. So als gäbe es kein Corona. Wir sind Menschen und sind gestern aus unserer Corona-Zeit herausgefallen, weil das Setting und auch das Bier uns vergessen lassen hat, dass es eben nicht alles wie früher ist. Eine ganz verständliche Reaktion, aus der es zu lernen gilt, aber die uns hoffentlich auch über die nächste Zeit mit guten Erinnerungen nährt. Deshalb genießen und akzeptieren, dass es vielleicht unvorsichtig war, aber Selbstzweifel und Angst jetzt auch nicht weiterhelfen.
Wenn die Akzeptanz für das „Es war so schön und ich habe mich zu Corona-Fehlverhalten hinziehen lassen“-Ich hergestellt ist, nutzen wir es als Basis für die Kommunikation. Da wir alle social Distel-Dinger sind, können wir davon ausgehen, dass wir nicht die Einzigen sind, denen es so geht. Die anderen Freundinnen und Freunde werden vermutlich ebenfalls unter dem Corona-Kater leiden. Statt hier Scham aufkommen zu lassen die schlimmstenfalls zu gegenseitigen Vorwürfen, wer wen zur Feierstimmung animiert habe und letztlich wer wen angesteckt habe führt, wollen wir die Akzeptanz weitergeben und gute Freundinnen und Freunde wertschätzen, mit ihnen in Erinnerung schwelgen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
In der Kommunikation schwingt schon ein wenig der Sicherheitsgedanke mit. Wir informieren einander darüber, dass eventuell eine Ansteckungsgefahr bestehen könnte und ermahnen uns gegenseitig, wieder vermehrt acht zu geben. Da Tests in Bayern mittlerweile sogar kostenlos sind, könnte sich einer anbieten. Natürlich gibt ein negatives Testergebnis den social Distel-Dingern eine Scheinsicherheit, da es nur eine kurze Momentaufnahme in diesem Marathon der Pandemieeindämmung ist. Aber wenn sich genügend Gäste einer Feier im Anschluss an verschiedenen Tagen testen lassen, sollte eine Erkrankung und Verbreitung relativ schnell öffentlich werden. Mit etwas Glück hatten eh viele Gäste der Feier die Corona Warn-App auf ihren Handys und können dadurch anonym die anderen über deren Gefährdungsrisiko informieren.
Aber trotz aller Akzeptanz, Kommunikation und Sicherheitsgedanken, letztlich bleibt ein ungutes Gefühl. Daher bietet sich die Kanalisierung als letzter Schritt an. Statt den Gedanken an die mögliche Gefahr anheimzufallen, richten wir unseren Blick bewusst in die Zukunft. Wir lernen aus unseren Fehlern und versuchen uns und andere noch besser zu schützen. Wie manche sonst ihr schlechtes Gewissen nach dem Suff mit einem Strauß Blumen an die Bloßgestellte beruhigen, sind unsere Accessoires der Gewissensberuhigung eine neue Maske, frisches Desinfektionsmittel und ein neuer Corona-Gruß, den wir uns am liebsten markenrechtlich eintragen lassen würden, weil er so gut ist.
Das Leben findet leider auch weiterhin in Mitten einer globalen Pandemie statt, aber frisch gestärkt mit menschlichem Kontakt können wir es jetzt besser und kreativer durchhalten. Die zweite Welle kann kommen, wir werden sie auch wieder abflachen. Mit Mut und Maske in die Zukunft!

Kommentare
28.07.2020 / 18:02 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 28.7.. Vielen Dank!