Bürgerstiftung "Energiewende Oberland"

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08:39 min, 8102 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 09.11.2005 / 10:52

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Alexander v. Dercks (Greenpeece München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 27.10.2005
keine Linzenz
Skript
ENERGIEWENDE OBERLAND
Bürgerstiftung für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung

Lora Magazin 27.10.2005


Und hier ist wieder der Grünfunk, die Radiostimme von Greenpeace München im Lora Magazin.

Geklagt wird viel, es bewege sich nichts oder viel zu wenig in unserem Land. Und meist sind wir von Greenpeace auch diejenigen, die den Finger in Wunden legen, um auf Missstände hinzuweisen und etwas in Bewegung zu bringen. Umso erfreulicher ist es, dass wir heute mal wieder über ein Projekt berichten können, das seinesgleichen sucht. Und zwar die Bürgerstiftung „Energiewende Oberland“.

Die Solidargemeinschaft Oberland könnte dem einen oder anderen von Ihnen ein Begriff sein. Als eine von 8 Solidargemeinschaften im Netzwerk „Unser Land“ ist ihr Ziel, die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern.

Die Urheber dieses Gedankens, allen voran Karlheinz Rauh, sind bei diesem vorbildlichen Projekt jedoch nicht stehen geblieben. Das, was nunmehr aus einem sehr ähnlichen Gedanken heraus entstanden ist, ist die Bürgerstiftung Energiewende Oberland. Was steht dahinter?

Zunächst einmal war man sich klar, dass wir alle in den nächsten Jahrzehnten vor der Aufgabe stehen, eine zukunftsfähige Energiepolitik zu entwickeln. Bund, Länder und Gemeinden werden dies alleine kaum schaffen. Vielmehr wird ein Teil dieser Aufgabe uns, den Bürgern, zufallen. Und die Bürgerstiftung erhebt keinen geringeren Anspruch, als die beiden Landkreise Bad Tölz – Wolfratshausen und Miesbach in 30 Jahren nicht nur vollständig mit erneuerbaren Energien zu versorgen, sondern diese auch regional zu erzeugen. Und zwar ganz einfach deshalb, um die Wertschöpfung in den Landkreisen zu erhalten und Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Vom eigentlichen Umweltgedanken ganz zu schweigen ----

Das Problem unserer Energieversorgung ist schnell erkannt: Fossile Energieträger sind begrenzt vorhanden, sie sind über die Erdteile ungleich verteilt und ihr Verbrauch ist klimaschädlich. Die ungleiche Verteilung bewirkt zudem, dass zwischen Gewinnungsort und Verbrauchsort weite Strecken überwunden werden müssen, dass die Energie z.T. umgewandelt werden muss und dass bei alle dem Verluste von bis zu 70% entstehen.

Was ist nun die Lösung dieses uns alle so massiv betreffenden Problems? Nun, es sind eigentlich zwei Wege, die parallel beschritten werden müssen. Zum einen ist es die Energieeinsparung, zum anderen der fast schon bedingungslose Ausbau regenativer Energien.

Fangen wir mit dem Energiesparen an. Von den derzeit in den beiden Landkreisen verbrauchten 6.000 GWh könnten nach verlässlichen Berechnungen 25% eingespart werden – sei es durch Dämmmaßnahmen an Gebäuden, durch den Einsatz verbrauchsgünstigerer Fahrzeuge u.ä.. Sicherlich kein zu ehrgeiziges Ziel: Nimmt doch der 2004 geschlossene Energiepakt zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Bund Naturschutz in Bayern sogar an, dass innerhalb von 25 Jahren 50% der derzeit genutzten Energie eingespart werden kann. Und der Rest wäre dann über erneuerbare Energien abzudecken.

Soweit das Szenario. In der vergangenen Woche fand nun die Gründungsversammlung der „Energiewende Oberland – Bürgerstiftung für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung“ statt. Ca. 150 Interessierte hatten sich in Wolfratshausen eingefunden, um diesem wichtigen Moment beizuwohnen. 82 Stifter haben dafür gesorgt, dass die für die Gründung der Stiftung erforderlichen € 50.000 zusammen kamen – und mittlerweile sind es schon weit über € 90.000. Man höre und staune: Von den 82 Stiftern sind 31 Unternehmen, 5 Kommunen, 12 Vereine und 2 die Landkreise selber.

„Nichts ist so gut wie der Weg, für den die Zeit gekommen ist“. So begann Martina Raschke ihr Einführungsreferat. Und dass die Stiftung etwas sehr realistische ist untermauerte sie mit den Kernsätzen der Stiftung:
· Wir wollen umdenken
· Wir sind offen für neue Technologien
· Wir wollen Ressourcen erhalten
· Wir schauen auf das Machbare
· Wir wollen nicht nur reden.

Warum nun eine Bürgerstiftung? Hier vielleicht nur die wichtigsten Punkte. So ist es den Gründern wichtig, dass der Gedanke der Stiftung von den Bürgern der Landkreise mitgetragen wird – dies als Element einer selbstbestimmten Bürgerschaft. Ganz wesentlich: Der Stiftungsgedanke wird aktiv von den Landkreisen und Gemeinden mitgetragen und gefördert – die jeweiligen Bürgermeister haben dies sehr deutlich gemacht. Beide Landkeise gehören zum Kreis der Stifter – und was noch viel erstaunlicher ist: Die beiden Kreistage haben in einer fast historisch einmaligen Aktion die Resolution zur Stiftungsgründung einstimmig verabschiedet. Und schließlich soll die Stiftung den Gedanken der Nachhaltigkeit in Politik, Wirtschaft und privaten Haushalten fördern sowie Projekte vorantreiben, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Neben dem Vorstand wurde in der Gründungsversammlung auch der Stiftungsrat gewählt. Und, wie es scheint, trifft dort geballter Sachverstand zusammen: Überwiegend Ingenieure, Forstwirte, Geographen und Landschaftsarchitekten. Man mag dies als einseitig bezeichnen, doch es hat auch seinen Vorteil, wenn Menschen mit einschlägigem Vorwissen die Projekte begleiten.

Was sind nun die nächsten Schritte der Bürgerstiftung?

Natürlich ist weiterhin verstärkt Öffentlichkeitsarbeit erforderlich. Nicht zuletzt deshalb widmen wir uns an dieser Stelle der Stiftung. Dann strebt man an, viele weitere Städte und Gemeinden in den beiden Landkreisen von der Vision zu überzeugen. Spender und Sponsoren für die ersten Projekte müssen akquiriert werden. Und bei diesen Projekten geht es schon um ganz handfeste Vorhaben. So sollen die Sanierung und der Umbau des Kinderheims Inselhaus in Eurasburg begleitet werden. Dieses Heim wird in absehbarer Zeit ausschließlich mit regenerativer Energie betrieben werden. Durch den Einbau einer Hackschnitzelheizung, die Erweiterung der Fotovoltaikanlage sowie die Ummantelung des gesamten Gebäudes soll dieses Haus Modellcharakter haben.

Das zweite Projekt wird das „Technologiezentrum Oberland“ sein. Als unabhängiges Non-Profit-Center wird es Fachleute und Hochschulen beraten und somit das sich im Laufe der zeit ansammelnde Fachwissen weitergeben. Außerdem werden Projekte vermittelt und natürlich soll das Center Modellcharakter für andere Regionen haben.

Weitere Projektideen sind z.B.

· Eine Kampagne zur Dämmung von Einfamilienhäusern
· Eine Kampagne zum Energiesparen im privaten und im öffentlichen Bereich
· Kampagnen zur Verarbeitung von Hackschnitzel-, Pellets- und Biogasanlagen
· die Beratung der Kommunen zur Verwertung von Erdwärme sowie
· die Förderung der Verbreitung von Blockheizkraftwerken.

Wie erwähnt verfügt die Bürgerstiftung derzeit bereits über ein Stiftungsvermögen von knapp € 100.000. Dieses Geld wird rentabel in einer Bürgersolaranlage in einem der beiden Landkreise angelegt – für die allerdings noch das geeignete öffentliche Gebäude gesucht wird.

Wenn Sie sich für dieses Vorzeigeprojekt Bürgerstiftung interessieren: Unter www.energiewende-oberland.de finden Sie im Internet mehr Information. Wir von Greenpeace und Lora München wünschen der Initiative jedenfalls, dass die hochgesteckten Ziele erreicht werden und andere Landkreise diesen vorbildlichen Gedanken übernehmen. Verabschieden wollen wir uns mit einem der Leitsätze der Bürgerstiftung: „Die Energiewende beginnt im Kopf“.

Wenn Sie sich für unsere Greenpeacethemen interessieren dann schalten Sie Lora München 92.4 doch wieder ein: Am 4. Donnerstag im November um 19 Uhr. Da gibt es wieder den Grünfunk, eine ganze Stunde lang zu einem wie immer interessanten Thema.