Das social Distel-Ding – 2021: Beten und arbeiten und wählen!

ID 106220
 
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Teil 63 der Kolumne aus dem social distancing. Diesmal sieht das social Distel-Ding das neue Jahr im strengen Lockdown unter einem mönchsgleichen Motto beginnen: Bete und arbeite und wähle!
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06:31 min, 6113 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 06.01.2021 / 19:18

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Religion, Wirtschaft/Soziales
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 06.01.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Liebe social Distel-Dinger, starten wir mit einem sarkastischen Satz zum neuen Jahr: Ein frohes Neues, allerseits!
2020 endete für viele mit einem unangenehmen Gefühl der Nähe oder aber der Abgeschiedenheit. Zu nah ist physisch gefährlich, zu fern ist psychisch gefährlich. Ein Mittelmaß ist auch nicht zu finden, nicht zuletzt jetzt, wo das neue Schreckgespenst klingt wie die Schwester einer Mutterkuh: Mutante!
Mit der Sorge, dass die Mutante B.1.1.7. aus Großbritannien alles fraglich werden lässt, was wir bisher als gerade noch sicheren Umgang miteinander bei Sars-Cov-2 angesehen haben, starten wir jetzt ins Jahr 2021. Dabei spielt es keine Rolle ob sich das einzelne social Distel-Ding auch selbst die Sorgen macht. Die Politik ist schon aufgrund der Todeszahlen alarmiert und hat neue Maßnahmen ergriffen. Selbst ein sorgenfreies Distel-Ding kann sich im ersten Monat des Jahres nicht unbeschwert bewegen. Kontaktbeschränkungen, Ausgangsbeschränkungen und teilweise sogar ein Bewegungsradius von nur 15 Kilometern.
Was erwartet uns social Distel-Dingern also nach nihilistischen Weihnachten und einem stillen Silvester? Eigentlich nur noch ein mönchsgleiches Motto für das neue Jahr: Bete und arbeite und wähle!
Eingeschränkt auf die eigenen vier Wände, den immer gleichen Arbeitsweg und die zu genüge ausgekundschafteten Einkaufsmöglichkeiten sind wir zurückgeworfen auf einen asketischeren Lebensstil, auf die Entbehrung als Teil unseres Seins.
Das Mantra: "Nicht krank werden, nicht verrückt werden, nicht verzagen" oder "Gesund bleiben, vernünftig bleiben, optimistisch bleiben" begleitet uns auf unseren abgesteckten Wegen, auf unsere abgesessenen Sitzmöbel und in unseren abgespeckten Unterhaltungen.
Wie Nonnen oder Mönche tragen wir dieses Gebet auf den Lippen, bitten um ein absehbares Ende, um den Eintritt in das Paradies einer nicht mehr virusbefallenen Welt, das dort komme, wenn wir uns nur alle an die Maßnahmen halten. An diesen Glauben möchten wir festhalten, da das irdische Leben im Jetzt Leid zu sein scheint.
Und ja, wie die Inquisition gehen wir auf Andersgläubige los, da sie uns den Eintritt ins Paradies zu versperren drohen. Die Aufregung über das Fehlverhalten anderer ist mitunter die beste Medizin um die eigene Unsicherheit im Umgang mit der Pandemie zu übertünchen. Was aber nicht heißen soll, dass diejenigen, die eben nicht an die Maßnahmen als Ticket ins Paradies glauben wollen, nicht ebenso verbissen an ihren Mantras und ihrem Glauben festhalten.
In ihrem Versuch nicht zu verzagen, lassen sie sich auch all zu häufig Glaubenssätze von Antisemiten, Neonazis und gefährlichen Spinnern vorbeten. Dennoch sind sie wie wir, social Distel-Dinger in einer verrückten Welt, die mit uns hoffentlich irgendwann darüber lachen können, was für Blüten dieses Virus uns gebracht hat. Dann können sie auch die vielen anderen Glaubenssätze von finsteren Verschwörungen loslassen. Darauf lässt sich immer noch hoffen. Und was ist Hoffen anderes als Beten?
Der zweite Teil des mönchs- oder nonnengleichen Lebens: Arbeite!
Es klingt wie ein Befehl aus der Politik, die hofft, dass die Wirtschaftsleistung erhalten bleibt, obwohl diejenigen die sie erbringen, nämlich Menschen, in einer konstanten Extremsituation gehalten werden. Obwohl einigen social Distel-Dingern schon alleine das Aufstehen schwerfällt und der Schlaf Nachts nicht kommen mag, gilt: Arbeite wer kann! Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt und so weiter.
Das funktioniert nicht wirklich gut, aber tatsächlich besser als Nichtstun. Denn wer in den letzten 11 Monaten der Pandemie nur Däumchen gedreht haben sollte, dem oder der sind sie mittlerweile wohl schon abgefallen. Und Arbeit kann auch mehr sein, als Erwerbsarbeit. Nicht zuletzt in der aktuellen Situation ist die Arbeit am und für den eigenen Körper nicht zu vernachlässigen, sonst lässt das andauernde Herumlungern und Sitzen irgendwann den aufrechten Gang verschwinden.
Auch politische Arbeit, die Arbeit an der Gesellschaft, an einer Welt, die nach oder noch mit dem Virus nicht gleich in die nächsten Katastrophen schlittert, ist nicht nur notwendig, sondern eine wunderbare Ablenkung von dem Fleck an der Wand, der seit Tagen das Sichtfeld stört. Ob Klimawandel, Krieg, unkontrollierte Überwachung oder eine weitere Machtverschiebung weg von der Bevölkerung hin zum Kapital, es wartet Arbeit auf uns, es gibt Probleme die gelöst werden müssen. Und es gilt nach wie vor unsere Werte gegen den Zweckpragmatismus zu verteidigen, der Menschen lieber in Lagern verenden lässt, als sie zu retten.
Und damit sind wir beim dritten Teil des Mottos für 2021: Wähle!
2021 ist ein Wahljahr. Aber dieses social Distel-Ding muss gestehen, dass der erste Gedanke eigentlich war, dass wählen sich auf die andauernden Aussuchtiraden bei Netflix und Co. bezieht. Denn beschreibt folgendes nicht am besten den Alltag im Lockdown?: Wir beten für ein Ende der Pandemie, wir arbeiten, um uns abzulenken und etwas voranzubringen und abends wählen wir die nächste Serie aus, die wir Bingewatchen bis wir uns in der dargestellten Realität besser zurechtfinden als in unserer tatsächlichen.
Nun haben wir 2021 aber auf einmal die Wahl unsere Realität zu verändern. Erstmals seit 16 Jahren eine neue Kanzlerin oder einen neuen Kanzler. Hoffentlich erstmals seit 16 Jahren keinen CSU-Verkehrsminister. Die Möglichkeit auf kompetente Ministerinnen und Minister. Die Möglichkeit, dass auf politischer Ebene erstmals der Klimawandel als das behandelt wird, was er ist: eine globale Katastrophe mit den Auswirkungen eines Weltkriegs auf Menschen und Infrastruktur. Das vor diesem Hintergrund ähnliche harte Maßnahmen für den Schutz der zukünftigen Generationen eingeführt werden, wie für den Schutz der heute lebenden Generationen in der Pandemie, wäre dringend geboten.
Wählen alleine ist dafür vermutlich nicht ausreichend. Aber schon die Wahl sich hin und wieder anzusehen, wie sich die Protagonist*innen unserer Politik so entwickeln und was so alles neben Corona noch schief läuft, statt sich in der Realität von Netflix und Co. über die Charakterentwicklung fortzubilden, kann ein wichtiger Schritt sein.
Also viel Spaß im Jahr 2021: Es kann sich alles ändern, ob zum besseren haben wir teilweise selbst in der Hand!

Kommentare
07.01.2021 / 18:02 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 7.1.. Vielen Dank!