Der Corona-Winter war keine unvermeidbare Katastrophe

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Auch wenn sie die Pandemie nicht erfunden haben, wie manche noch immer glauben bzw. glauben machen wollen, so hat doch eine Reihe führender Politiker*innen mit einer Politik des Hoffens, Ignorieren, des Zauderns und Zagens eine bei rechtzeitigem Handeln beherrschbare Katastrophe zu genau dem schlimmen Corona-Winter werden lassen, der ihnen vorausgesagt wurde.
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04:27 min, 3831 kB, mp3
mp3, 117 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.02.2021 / 12:13

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Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Mittagsmagazin
Entstehung

AutorInnen: Jan Keetman
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 02.02.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
In diesem Januar sind alleine in Deutschland fast 24 000 Menschen an bzw. mit Corona gestorben. Das sind mehr als zwei Fünftel aller Corona-Toten in diesem Land. Das ist keine Panikmache, sondern eine schlichte Realität, die auch ausgesprochen gehört. Es ist auch keine Naturkatastrophe, sondern zum großen Teil die Folge von falschen politischen Entscheidungen, die insbesondere im Oktober des vergangenen Jahres getroffen wurden. Wir erinnern uns: nachdem ein Anziehen der Infektionszahlen schon im September zu sehen war, ging Deutschland mit durchschnittlich 2000 Infektionen am Tag in den Oktober und kam am Ende des Monats mit durchschnittlich über 15 000 Infektionen wieder heraus. Die Zahlen hatten sich in einem Monat nahezu verachtfacht, ohne dass einen ganzen Monat lang irgendetwas dagegen unternommen wurde. Es ist kaum zu fassen, warum die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 14. Oktober alle Vorschläge für eine moderate Verschärfung der Maßnahmen abgelehnt haben. Dabei hatte es an Warnungen nicht gefehlt. Auch war allen klar, dass es mit dem Winter noch schlimmer werden würde.
Ende November war dann klar, dass das ganz zuletzt ergriffene Mittel, der sogenannte Wellenbrecherlockdown den Anstieg zwar fürs erste verhindert hatte, aber dass die Zahlen auf einem gefährlich hohen Niveau verblieben waren. Es wäre an der Zeit gewesen, an der Schwelle des Winters und der wuseligen Weihnachtszeit noch einmal schärfere Maßnahmen zu versuchen. Doch in der Politik war das „Wir-schenken-Euch- ein-geselliges-Weihnachtsfest“-Fieber ausgebrochen. Alle wollten irgendwie der Nikolaus sein, während von den Intensivstationen die Warnsignale kamen.
Die Möglichkeit schärferer Maßnahmen wurde nicht einmal diskutiert und wenn dann für die Zeit nach Weihnachten, zwischen den Jahren, wenn eh niemand in Geschäfte oder Schulen drängt. Erst ein plötzlicher erneuter Anstieg der Infektionszahlen, der Mitte Dezember schließlich zur Kenntnis genommen wurde, führte schließlich zu einem härteren Lockdown. Da war das große Sterben im Januar nichtmehr aufzuhalten.
Man folgte halt der Schnauze der menschlichen Psychologie. Etwas ganz so Schlimmes stellt man sich doch lieber erst gar nicht vor, hofft dass es schon nicht eintreten werde. Dann erfindet man Argumente, die die eigene Haltung stützen. Da war im Spätsommer von Gesundheitsminister Spahn zu hören, einen zweiten Lockdown werde es bestimmt nichtmehr geben, schließlich wisse man heute ja viel mehr über das Virus. Hat er wirklich gesagt und nicht nur er. Der Ministerpräsident des dann besonders schwer gebeutelten Sachsen, Michael Kretschmer warnte an jenem denkwürdigen 14. Oktober, als die Weichen Richtung Abgrund gestellt wurden, dass Panik fehl am Platz wäre. So wurde Nichtstun als Besonnenheit verkauft.
Es geht nicht darum, dass Politiker*innen unfehlbar sein müssen und immer das richtige tun, das ist gar nicht möglich, aber etwas mehr Weitblick, Courage, Problem- und Verantwortungsbewusstsein hätte es schon gebraucht. Da hilft es nichts, wenn nun ein Landeschef von Nordrhein-Westfalen sich ausdrücklich für die Fehler der Politik entschuldigt. Wer ist eigentlich die Politik? Und warum entschuldigt sie sich nicht selbst? Mit der einen Ausnahme des Bodo Ramelow hat sich kein Politiker unmissverständlich zu den Fehlern im Herbst bekannt. Das macht nicht gerade Mut für die Zukunft.
Ein ganz klein wenig besser hätte es ausgesehen, wenn man in der EU nicht einen so großen Terz um den Unterschied zwischen bedingter Zulassung und Notfallzulassung gemacht hätte. Dass der Unterschied für viele Impfskeptiker*innen oder gar Impfgegner und -gegnerinnen eine Bedeutung hat, kann mensch füglich bezweifeln. Kein Verständnis für Eilige hatte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. „Da muss man halt mal drei Wochen warten“, meinte von der Leyen. Noch Fragen warum im Januar so viele Menschen gestorben sind?