Eilantrag gegen Betrieb des AKW Neckarwestheim | Super-GAU kann selbst Berlin ausradieren

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Nach wie vor ist das hochriskante AKW Neckarwestheim in Betrieb. Seit 2017 wurden in jedem Jahr bei Revisionen Risse im Dampferzeuger festgestellt. Die Umweltschutz-Organisationen BUND und '.ausgestrahlt' sowie der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar warnen vor dem zunehmenden Risiko eines schweren Unfalls. Diese dramatische Gefahr wurde auch von einem ehemals höchsten Atomaufseher im Bundes­umwelt­ministerium bestätigt. Doch wenn es nach der baden-württembergischen Landesregierung geht, wird das AKW Neckarwestheim erst im Dezember 2022 stillgelegt. Vor einem Jahr hatten 38 Umweltschutz­initiativen und -verbänden mit der "Neckarwestheimer Erklärung" die sofortige Stilllegung gefordert. Nun gehen die UmweltschützerInnen mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen das Nichtstun der Landesregierung vor.
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Upload vom 28.06.2021 / 21:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: restrisiko
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 28.06.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Eilantrag gegen Betrieb des AKW Neckarwestheim | Super-GAU kann selbst Berlin ausradieren

Nach wie vor ist das hochriskante AKW Neckarwestheim in Betrieb. Seit 2017 wurden in jedem Jahr bei Revisionen Risse im Dampferzeuger festgestellt. Die Umweltschutz-Organisationen BUND und '.ausgestrahlt' sowie der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar warnen vor dem zunehmenden Risiko eines schweren Unfalls. Diese dramatische Gefahr wurde auch von einem ehemals höchsten Atomaufseher im Bundes­umwelt­ministerium bestätigt. Doch wenn es nach der baden-württembergischen Landesregierung geht, wird das AKW Neckarwestheim erst im Dezember 2022 stillgelegt. Vor einem Jahr hatten 38 Umweltschutz­initiativen und -verbänden mit der "Neckarwestheimer Erklärung" die sofortige Stilllegung gefordert. Nun gehen die UmweltschützerInnen mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen das Nichtstun der Landesregierung vor.

Der Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim wurde Dienstagabend (8. Juni 2021) eingereicht. Armin Simon von '.ausgestrahlt' sagte hierzu: "Jahrelang hat das baden-württembergische Umweltministerium die von den korrosiven Bedingungen im AKW Neckarwestheim ausgehende Gefahr durch mögliche Rohrbrüche bestritten. Als im März sogar der ehemals höchste Atomaufseher im Bundesumweltministerium, Diplom-Ingenieur Dieter Majer, vor einem drohenden Atomunfall warnte, schaltete das Ministerium nicht etwa den Reaktor ab, sondern gab eigens zwei Gegengutachten in Auftrag, die Majer widerlegen sollten. Wie jetzt herauskommt, konnten diese Gutachten Majers Vorwurf, daß wichtige Sicherheitsnachweise gar nicht vorliegen, jedoch nicht entkräften. Im Gegenteil: Beide im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten bestätigen unabhängig voneinander und explizit: »Einen Nachweis, daß Rohre nicht aufgrund der Risse brechen können, gibt es nicht. Ein solcher ist, wie der eine Gutachter ergänzend ausführt, auch gar nicht möglich.« Nichts anderes hatte Majer in seiner Stellungnahme im März dargelegt."

Die Argumentation des baden-württembergischen Strom-Konzerns und AKW-Betreibers EnBW, die von der baden-württembergischen Landesregierung verfochten wird, ist damit aus Sicht der UmweltschützerInnen widerlegt. "Solange die korrosiven Bedingungen nicht restlos entfernt sind, besteht schon bei einer bloßen Betriebsstörung die akute Gefahr, daß diese einen schweren Atomunfall mit Freisetzungen größer als in Fukushima auslöst", so Franz Wagner vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN).

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Weil das Ministerium den Antrag von .ausgestrahlt, BBMN und anderen, in dem diese im Juni 2020 die vorläufige Stilllegung des Reaktors gefordert hatten, auf offensichtlich falscher Grundlage abgelehnt hat, gehen die UmweltschützerInnen nun auch gerichtlich gegen den AKW-Betrieb vor. Gemeinsam mit AnwohnerInnen des AKW und mit Unterstützung des BBMN – und parallel zur im Frühjahr eingereichten Klage – wurde nun beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim der Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt, um den weiteren Betrieb des Reaktors zu untersagen. Der 61-seitige Antrag stützt sich maßgeblich auf das kerntechnische Regelwerk, einschlägige Untersuchungen zum Thema sowie von der Behörde und ihren Gutachtern selbst angeführte Argumente.

"Die Rohre in Neckarwestheim sind auch deswegen brüchig, weil sie Jahrzehnte alt sind," erklärt Dieter Majer, ehemaliger Leiter der Abteilung Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen des Bundesumweltministeriums. Majer ist ausgewiesener Fachmann für die Technik deutscher Atomkraftwerke. Er hat diese jahrzehntelang analysiert und warnt in einer aktuellen Stellungnahme vor den Sicherheitsgefahren durch die rostenden Rohre in Neckarwestheim.

Die metallischen Röhren eines Dampferzeugers, durch den radioaktiv kontaminiertes Wasser des Primärkreislaufs fließt, haben einen Durchmesser von nur 2,2 Zentimeter. Ihre Wandstärke beträgt 1,2 Millimeter. Diese 1,2 Millimeter Wandstärke der Rohre sind bis zu 91 Prozent von Rissen durchdrungen. Dies bedeutet, daß an manchen Stellen nur noch ungefähr ein halber Millimeter Wandstärke verbleibt. In den vier Dampferzeugern von Reaktor 2 des AKW Neckarwestheim befinden sich jeweils über 4000 solcher Rohre. Ein Dampferzeuger ist rund 20 Meter hoch und wiegt knapp 400 Tonnen.

Hätte die Atomaufsicht in Baden-Württemberg ihre Aufgabe in den vergangenen Jahren ernstgenommen, dann hätte sie schon beim ersten Auftreten der Korrosion 2017 darauf bestehen müssen, daß die Vorschriften zur vorbeugenden Instandhaltung der Rohre in Neckarwestheim eingehalten werden und also die systematische Ursache der Korrosion beseitigt wird. Dies ist bis heute nicht geschehen. Die Atomaufsicht untersteht dem baden-württembergischen "Umwelt"-Ministerium.

Der bis März 2021 amtierende pseudo-grüne "Umwelt"-Minister Franz Untersteller agierte stattdessen im Interesse der EnBW und behauptete, daß trotz weiterhin vorhandener korrosiver Bedingungen im Reaktor keine Gefahr von dadurch verursachten Rohrbrüchen bestehe. Dieser Versuch ist - wie nun auch die beiden Gutachten im Auftrag der Behörde bestätigen - gescheitert.

"Wir fordern die neue Umweltministerin Thekla Walker auf, daraus endlich die nötigen Konsequenzen zu ziehen und den weiteren Betrieb des Rissreaktors zumindest so lange zu untersagen, bis die korrosiven Substanzen restlos entfernt sind," sagte Franz Wagner heute.

Kommentare
29.06.2021 / 18:06 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 29.6.. Vielen Dank!