Frauen in der Resistenza

ID 11044
 
„Die Arbeit der Frauen war das Rückgrat der Resistenza“.
Frauen im italienischen Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung.
Ein Feature von Maike Dimar.
Audio
01:01:11 h, 28 MB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 27.12.2005 / 18:22

Dateizugriffe: 8

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Frauen/Lesben, Politik/Info, Internationales
Entstehung

AutorInnen: Maike Dimar
Radio: RadioZ, Nürnberg im www
Produktionsdatum: 27.12.2005
keine Linzenz
Skript
Feature mit O-Tönen von Partisaninnen und Historikerinnen.


Skript „Frauen in der Resistenza“:


Giacomina

Unsere Aufgabe war es, z. B. im Einkaufsbeutel, unter den Kartoffeln, Sachen zu transportieren, Waffen und Munition. Oder auch Flugblätter.
Heute kauft man einfach eine Zeitung am Kiosk, aber damals bedeutete, eine Zeitung gegen den Krieg in der Tasche zu haben, sich in Lebensgefahr zu befinden.
Giacomina Castagnetti, Staffette


Annita Malavasi
„Ich habe eine Frauengruppe der Antispionageeinheit kommandiert..
Davor war ich zuerst in den Bergen, dann Verbindungsfrau, und später habe ich im Partisanengefängnis gearbeitet, wo Faschisten gefangen gehalten wurden.
Wir waren ungefähr 40 Frauen in dieser Einheit. In einigen Fällen waren die Frauen der ganzen Familie in der Antispionageeinheit, Großmutter, Mutter, Schwiegertochter, Tochter, bis zum Fall eines 9jährigen Mädchens.
Annita Malavasi, Kampfname „Laila“, Kommandantin einer Antispionageeinheit


Laura Polizzi
„Bei einer Versammlung der Kommandanten werde ich zur Stellvertreterin des politischen Kommissars im Reggiano ernannt.
Als Politkommissarin hatte ich die Aufgabe, die Genossen politisch und moralisch zu unterstützen, diese jungen Männer, die zum Widerstand gekommen waren vor allem aus Ablehnung des Faschismus und des Nazismus heraus.“
Laura Polizzi, Deckname Mirka



„Die Arbeit der Frauen war das Rückgrat der Resistenza“.
Frauen im italienischen Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung.
Ein Feature von Maike Dimar.









Laura Polizzi, Politkommissarin, Annita Malavasi, Kommandantin einer Antispionageeinheit und Giacomina Castagnetti, Stafette.
Drei Frauen im Kampf gegen Faschismus und deutsche Besatzung. Sie waren Partisaninnen in der Region Emilia-Romagna in Mittelitalien, einem besonders umkämpften Gebiet.
oder:
Die drei Frauen kämpften als Partisaninnen gegen Faschismus und deutsche Besatzung. Alle drei in der Region Emilia-Romagna in Mittelitalien, einem besonders umkämpften Gebiet.

Doch wie war es überhaupt zur deutschen Besatzung gekommen? Kämpfte nicht Mussolini Seite an Seite mit Hitler?
Die Achse Berlin – Rom zerbrach 1943. Am 10. Juli 1943 landeten Alliierten auf Sizilien. Benito Mussolini, der das Land seit 1922 regiert hatte, über 20 Jahre lang, wurde am 25. Juli 1943 abgesetzt und inhaftiert. Italien war kriegsmüde, der Unmut in der Bevölkerung wuchs, Streiks und Demonstrationen gegen den Krieg an der Tagesordnung.
Der neue Staatschef Badoglio verhandelte mit den Alliierten über einen Waffenstillstand - im Geheimen. Doch Nazideutschland bekommt davon Wind – und reagiert sofort, als die Alliierten am 8. September 1943 den Waffenstillstand mit Italien verkündeten. Nur wenige Stunden später marschierten deutsche Truppen in Italien ein – bis südlich von Neapel. Die deutsche Regierung hatte mit dem Kriegsaustritt Italiens gerechnet und die Pläne für die Besetzung schon in der Schublade.
In Parma riefen fast alle Parteien die versammelten BewohnerInnen zum Widerstand gegen die deutsche Besatzung auf. Auch Laura Polizzi war dort, auf der Piazza Garibaldini.

O-Ton Mirka, (rede-denkmal) (kurz)
1:50sec (kurz: 01:05)
„Plötzlich hört man einen Knall, vielleicht war es nur ein Fahrrad. Die Leute, die eben noch gesagt haben, sie seien für den Kampf bereit, flüchteten deswegen, total aufgeschreckt. Da kam ganz spontan eine Wut in mir hoch und ich stieg auf das Denkmal von Garibaldi, von dem aus gerade noch die anderen Männer gesprochen hatten, ich verliere einen Schlappen und ich rede in der Öffentlichkeit. Ich rede und lade die Mädchen und Frauen ein, und schreie, ja wie, eben habt ihr noch versprochen zu kämpfen und jetzt flüchtet ihr und habt Angst? Ich habe keine Angst, wo ich doch ein Mädchen bin. Die Leute bleiben verwundert stehen. Der Onkel Porcari umarmt mich und sagt: ‚Du musst jetzt in die Resistenza eintreten.’“

Das tat sie, ohne zu zögern. Schon vorher hatte Laura Polizzi gefordert, am Widerstand teilnehmen zu dürfen. Vergeblich. Obwohl sie aus einer kommunistischen und politisch sehr aktiven Familie kommt, ihr Vater vom faschistischen Regime verfolgt ist und ihr Onkel zu 12 Jahren Haft verurteilt im Gefängnis sitzt. Doch sie bekam zu hören: Du bist ein Mädchen. Sie gab nicht auf und löcherte die Männer in ihrer Familie weiter. Bis der Vater ihres Onkels sagte: Ich schule dich politisch.

O-Ton Mirka (september-pistole)
1min
„Er unterrichtete mich in der Geschichte des Kommunismus, in Ökonomie, und ich wurde dadurch Kommunistin. Der andere Onkel hat weniger Skrupel und gibt mir kleine illegale Aufgaben, diesen und jene Genossen Dinge zu überbringen. Es wird September. Der Onkel bringt mich zum Fluss und zeigt mir einen Revolver, nimmt sie in die Hand, lädt sie und leert sie wieder: Bald wirst du sie nutzen müssen, denn bald müssen wir zu den Waffen greifen.

Er behielt Recht. Am 8. September 1943 marschierten nationalsozialistische Truppen in Italien ein, gab es die ersten Todesopfer, wurde der Krieg spürbare Realität, erinnert sich Annita Malavasi:

O-Ton Laila (2001): laila-september-acht 1:18

Wir kannten schon die Auswirkungen des Krieges, es gab Bombardierungen, aber am 8. September kommt der Krieg in unsere Dörfer, in jedes einzelne Haus.
Stellt euch die Reaktion von jungen Leuten von kaum 20 Jahren vor, die plötzlich eine feindliche Armee, eine deutsche Naziarmee bei sich zu Hause vorfinden, die unsere sämtlichen Städte besetzt, und man hatte das Gefühl, man ist nichts mehr wert. Wir konnten kein Wort verstehen, aber die bestimmten unser Alltagsleben, die waren plötzlich die Hausherren und du hattest nichts mehr zu melden. Ich durfte sogar in mein eigenes Wohnhaus nicht mehr rein, weil sie dort eine MG-Stellung aufbauten.
Und mein erstes duetsche Wort, war „raus“, denn sie haben zu mir gesagt: „raus!“.

Der 8. September gilt als der Beginn des Widerstandes, der Resistenza. Nach dem Waffenstillstand standen die italienischen Soldaten ratlos da, Befehle was zu tun sei blieben aus. Über Nacht war der Waffenbruder Deutschland zum Besatzer geworden, die italienischen Soldaten zu Feinden. Sie wurden gefangen genommen und nach Deutschland verschleppt. Tausende starben in den Lagern. Doch viele versuchten sich zu verstecken, unterzutauchen, erste illegale Zellen zu bilden – und waren auf Hilfe angewiesen. Hier traten die Frauen auf den Plan: Sie waren es, die die verfolgten Männer versteckten, verpflegten, ihre Waffen und Militäruniformen verschwinden ließen. Sie gaben ihnen Zivilkleidung, und als die kärglich ausgestatteten Kleiderschränke leer waren, nähten sie Jacken und Hosen aus allen möglichen Stoffen. In die italienische Historie gingen diese Tage als die größte Verkleidungsaktion in der Geschichte ein. Auch Annita Malavasi verhalf Soldaten zur Flucht.

O-Ton Laila (2001) laila-kaserne
00:17
Ich selbst bin mit meinen Geschwistern in die Kaserne gegangen. Wir hatten uns doppelt angezogen, und drinnen zogen wir unsere doppelten Sachen aus, die Soldaten konnten es anziehen damit rausgehen, als wären sie ganz normale zivile Arbeiter.

Annita Malavasi war in diesen Tagen noch an mehr Aktionen beteiligt. Sie ging zu den versteckten Soldaten und versuchte sie zu überzeugen, nicht zum faschistischen Heer, das sich gerade neu formierte, zu gehen. Denn mittlerweile hatte Nazideutschland Mussolini befreit und mit ihm an der Spitze eine Marionettenregierung gebildet, die „Republica di Salo“ entstand. Und mit ihr die Wehrpflicht. Wer sich der entzog, wurde als Deserteur verurteilt, nicht selten mit der Todesstrafe. Es ist der Verdienst zahlloser Frauen, dass nicht mehr junge Männer in die Hände italienischer Faschisten und deutscher Nazitruppen fielen.
In der italienischen Geschichtsschreibung wurden diese Handlungen lange Jahre als „Massenmaternage“ bezeichnet, als die Kategorie für den Beitrag der Frauen zur Resistenza, erklärt die Historikerin Nadja Bennewitz:

NADJA: (maternage)
1:35
„Viele Frauen haben dieses Engagement so erklärt... von Anna Bravo Begriff der Massenmaternage begründet,
streichen: sie nennt auch Verkleidungsaktion
weiter ab:
mittlerweile, nach 2 Jahrzehnten, in Geschichtsschreibung „Maternage“ nur noch als ein Begriff verwendet; viele Frauen in Resistenza sehr jung, andere Absichten, oft aus antifaschist. Familie, Bruder in Berge, ermordet, oft selbst mit andren Vorstellungen, selbst kommunistische Schriften gelesen.“




MUSIK:

E per la strada: ein Lied über Arbeit, Hunger und Unterdrückung. aber auch von Widerstand, Streik und gemeinsamem Kampf.
TEIL 2: AUFGABEN UND TÄTIGKEITEN

Frauen übernahmen in der Resistenza die verschiedensten Aufgaben: Sie organisierten die Versorgung der PartisanInnen mit Lebensmitteln, Arznei und Kleidung. Sie kämpften in den bewaffneten Partisanenformationen in den Bergen. Sie organisierten Streiks und Boykotte in Fabriken. Sie besorgten Unterkunft und falsche Papiere für Verfolgte. Sie organisierten die Untergrundpresse und versorgten Verletzte. Sie trieben das Geld für den Kampf gegen Faschismus und deutsche Besatzung auf. Sie sabotierten und liquidierten italienische und deutsche Faschisten. Kurz: die ganze Palette der Aktivitäten im Untergrund.
Als Hauptaufgabe beschreibt die italienische Historikerin Liane Novelli-Glaab die Verbindungsarbeit als Stafette:

Novelli-Glaab, (staffetten)
01:00
„Die Stafetten überbrachten ...Nachrichten und Informationen...warnten...Verbindung zu Alliierten...
Der Transport von Waffen...Entdeckung von Waffen hätte sicheren Tod bedeutet.“

Giacomina Castagnetti kennt diese Gefahren nur zu gut. Sie arbeitete als Stafette im Widerstand. Als Italien 1940 an der Seite Deutschlands in den Krieg eintrat, schrieb sich sich – mit 15 - in die kommunistische Partei ein. Eineinhalb Jahre lang, vom 8. September 43 bis zur Befreiung Italiens am 25. April 45 war sie ständig auf den Beinen – mit lebensgefährlichem Material.

O-Ton Giacomina (waffen-kartoffeln)
1:20
„Jeden Tag waren wir in schwierigen Situationen. Unsere Aufgabe war es, z. B. im Einkaufsbeutel, unter den Kartoffeln, Waffen und Munition zu transportieren. Wir trafen uns mit Familien, die verletzte Partisanen beherbergten. Es gab Kontrollpunkte, die man überwinden musste, durch die man hindurch musste und nicht auffallen durfte.
Wir transportierten auch Flugblätter, damals gab es kein Fernsehen. Das schnellste Kommunikationsmittel war das Fahrrad. Es gab keine Autos, sondern wir gingen entweder zu Fuß oder fuhren Rad und wir waren bei Wind und Wetter unterwegs, egal ob es regnete oder schneite, man musste auf jeden Fall los. Schwierig war es immer, ich war damals 16, 17 Jahre alt.
Wir mussten oft flüchten. Heute kauft man einfach eine Zeitung am Kiosk, aber damals bedeutete, eine Zeitung gegen den Krieg in der Tasche zu haben, sich in Lebensgefahr zu befinden.“

Der große Vorteil der Frauen: Sie konnten sich vergleichsweise frei bewegen, da sie nicht zum Militär mussten. Ein junger Mann irgendwo unterwegs war verdächtig, Deserteur oder Partisan zu sein. Frauen unterwegs mit Einkäufen und Waren war ein alltägliches Bild.
Dazu kam: In den Augen deutscher und italienischer Faschisten waren Frauen harmloser, wurden sie bei Kontrollen eher wegen ihres Geschlechts bedrängt denn als ernsthafte Feindin wahrgenommen. Auch Annita Malavasi war als Stafette unterwegs.

O-Ton Laila 2001 kein-telefon
00:30
Es gab damals keine handys und auch keine Telefonzellen, es gab damals in jedem Dorf – gerade in den Bergen - maximal ein Telefon bei der offiziellen Poststation. Die einzige Kommunikation, die die Widerstandsgruppen miteinander hatten, lief über unsere Beine.

Mut und Entschlossenheit, Erfindungsreichtum und ein kühler Kopf gehörten dazu. Ein Zögern, ein falscher Blick, ein dummer Zufall waren lebensgefährlich und die Flugschriften im doppelten Korbboden oder das zerlegte Gewehr im Kinderwagen wurden entdeckt. Wohl jede Stafette weiß eine ähnliche Geschichte zu erzählen wie Annita Malavasi:

Laila 2001: laila-BHpistole11
20sec
Einmal habe ich eine Pistole in meinem BH transportiert, und genau in dem Moment, als ich von Deutschen kontrolliert wurde, ist der BH aufgesprungen. Ich tat als wäre mir schlecht, ganz arg schlecht. als müsste ich brechen. Sie boten mir Hilfe an, aber ich sagte: Nein, ich gehe zu meinem Freund, der ist ein toller Arzt, es geht schon.

Andere Frauen kamen nicht so glimpflich davon wie sie. Viele Stafetten wurden verhaftet, gefoltert, vergewaltigt, getötet.
Nicht nur der Transport von Material und Nachrichten für die eigenen PartisanInnen gehörte zum Job der Staffetten. Sie warfen auch ein Auge auf den Gegner, übten Gegenspionage aus: Stafetten kundschafteten Truppenbewegungen und eventuelle Feindziele aus, sie machten eingeschleuste Spione aus, beobachteten italienische FaschistInnen. Viele Staffetten führten ein Doppelleben, blieben in ihrem Ort und ihrem Beruf. Andere lebten als PartisanInnen in den Bergen und übten dort Verbindungstätigkeiten aus.
Offizielle Zahlen – und die tatsächlichen liegen sicher darüber - sprechen von 70.000 im Widerstand organisierten Frauen, 35.000 kämpften als Partisaninnen. Von 233.000 als PartisanInnen Anerkannten war das knapp 7%. 4.600 wurden gefangen genommen, gefoltert und verurteilt. 2.750 nach Deutschland deportiert, 623 wurden erschossen oder sind im Kampf gefallen.
Stafetten lebten in der ständigen Gefahr, als Widerständlerinnen enttarnt zu werden. Viele der Frauen, die in die Berge gingen, waren gerade noch davon gekommen.
Eine von ihnen ist Annita Malavasi. Sie wurde verhaftet, überstand 6 Stunden Verhör ohne etwas preiszugeben und konnte fliehen. Schnurstracks ging sie in die Berge und tauchte unter. Ein Doppelleben war nicht mehr möglich. Auch dort übernahm sie Verbindungstätigkeiten – zusätzlich zu den normalen Aufgaben der PartisanInnen. Oft ging sie alleine in das feindliche Gebiet, um die militärischen Einheiten abzusichern und zu führen, um herauszufinden wo der Feind stand und um gegnerische Ziele auszumachen:

Laila 2001 (05:05 – 05:40) laila-aktion2
00:25
Wenn wir zurück kamen, wenn die militärische Aktion dann anfing, also Angriffe gemacht wurden, vermint wurde, Sabotage gemacht wurde, waren wir oft dabei, daran habe ich sehr oft auch selbst teilgenommen.



MUSIK:

Wir sind Frauen, wir haben keine Angst...
TEIL 3: DER WEG IN DIE RESISTENZA:

„Wir sind Frauen, wir haben keine Angst“....heißt es hier in diesem Lied „La Lega“.
Aber natürlich hatten sie auch Angst, waren keineswegs als furchtlose, heldhafte Partisaninnen auf die Welt gekommen. Genauso wenig wie die Männer. Doch beider Voraussetzungen, in den Widerstand zu gehen, waren nicht gleich.
Schließlich waren Frauen zwar auch von Krieg und Besatzung betroffen, doch sie steckten keineswegs in einer solchen Zwickmühle wie die Männer. Für Männer gab es nur die Option: entweder Soldat oder Partisan.
Bei Frauen war das anders. Sie sind die eigentlich Freiwilligen der Resistenza.
Und so manche Partisanin weist ihre männlichen Mitstreiter darauf hin: Zum Beispiel Carla Badiali aus der Partisanenbrigade „Justizia i/e Libertad, Gerechtigkeit und Freiheit“. Sie fälschte Dokumente. Als sich ihr Ehemann beschwerte, dass sie zu lang brauche, wies sie ihn zurecht: „Ich mache das alles nicht wie du und alle deine Freunde, weil ihr dazu genötigt seid, sondern weil ich es mir ausgesucht habe. Du hattest keine Wahl, ich ja.“
Für Frauen war die Teilnahme an der Resistenza meist freiwillig, nicht Ausweg aus einer schlimmen Zwangslage. Noch aus anderen Gründen war dieser Schritt für sie größer: Frauen im faschistischen Italien waren zuständig für Kinder, Küche, Kirche. Sie sollten dem Duce ein Kind schenken – was übrigens viele nicht taten: vielmehr sank die Geburtenrate. Frauen waren laut Gesetz zweitrangig, im politischen Leben nicht existent und im gesellschaftlichen untergeordnet.

Novelli-Glaab (geisteswissenschaften)
00:45
Mit den Worten von ??? dem Theoretiker des Regimes sollte die Frau „in die Untertänigkeit zurückkehren“;
Frauen, die kein Geld verdienten, durften weiter arbeiten; aber Frauen durften nur 10 % der Angestellten und Bediensteten im öffentlichen Dienst ausmachen; Mädchen mussten in weiterführenden Schulen doppelte Gebühren zahlen, Lehrerinnen nicht Geisteswissenschaften unterrichten


Die Mehrzahl der Partisaninnen waren sehr junge Frauen, aufgewachsen im Faschismus mit dem entsprechenden Frauenbild, dessen Sozialisation und Erziehung. Von klein auf bekamen die Mädchen eingetrichtert, dass sie weniger wert waren. Wurde ein Sohn geboren, läuteten die Kirchenglocken. War es ein Mädchen, blieben sie stumm.
In der Region Emilia-Romagna waren über die Hälfte der Frauen in der Resistenza Hausfrauen, auch Annita Malavasi, Kommandantin in der Resistenza war vorher Hausfrau. 86 % hatte nur 3 Grundschuljahre hinter sich.
Der Zwang in ein passives und untergeordnetes Verhalten: er erschwert es Frauen, aus ihnen zugewiesenen Rollen auszubrechen. Vom Herd zum Gewehr, vom Kinderwagen zu illegalen Flugschriften: ein riesiger Schritt. Doch die tagtägliche Ungerechtigkeit, sie machte diesen Schritt auch leichter, führte zu Aufbegehren und dem Wunsch, sich zu wehren.
Laura Polizzi musste diese Erfahrung in ihrer eigenen, antifaschistischen Familie machen:

Mirka, (bruder-weiter)
1:20
Ich habe 5 Klassen gemacht. Ich war sehr gut, wirklich sehr gut. Meine Lehrer wollten, dass ich weiter lerne, auch ich wollte das. Aber es gab kein Geld.
Ich hatte einen 1 Jahr jüngeren Bruder. Ihm gefiel es nicht, zu lernen, man hatte ihn sogar zurückgestuft. Mein Vater sagte dem Direktor, wenn der Bruder in der Schule weiter käme, werde er lernen, weil er Junge ist. Wenn er durchfiele, werde das Mädchen lernen. Das sagte er vor mir.
Leider ist mein Bruder weitergekommen.
Das war der Moment, in dem ich groß wurde. Ich war total wütend. Habe viel geweint, weil ich nicht studieren konnte, weil ich arm und weil ich Frau war.

Viele Partisaninnen erzählen eine ähnliche Geschichte. Über ihre Benachteiligung als Frau und als Mitglied der Unterschicht. Dazu kommt die politische Herkunft: Viele stammen aus antifaschistischen Familien, in denen Vater, Mutter oder Onkel vom Regime schikaniert wurden. Oder sie selbst, schon als kleines Mädchen. Annita Malavasi meint heute, dass es die Kleinigkeiten des Alltags waren, die sie schon als Kind geprägt haben und zum antifaschistischen Kampf brachten:

Laila 2001: (38:03 – 38:42) laila-malwettbewerb10
00:39
Bei einem Malwettbewerb in der Schule hatte ich das schönste Bild gemalt, meinte die Lehrerin. Aber als ich im örtlichen Theater bei der Preisverleihung auf die Bühne gerufen wurde, schaltete sich der faschistische Parteivorsitzende des Ortes ein und meinte: Du bist nicht Mitglied in der faschistischen Mädchenorganisation, du bekommst hier keine Preise. So etwas hinterlässt bei einem 10jährigen Mädchen Spuren fürs ganze Leben.

Solche Erlebnisse erzeugen Wut. Wut, über die Ungerechtigkeit im sozialen System des Faschismus. Zorn über die Benachteiligung als Frau, als Antifaschistin, als Unterprivilegierte.
Doch von persönlich empfundener Wut hin zur aktiven Partisanin war es ein weiter Schritt und oft kein leichter Weg.
Frauen in der Resistenza hatten nicht nur gegen das faschistische Rollenbild, sondern auch gegen gängige Vorurteile in der Bevölkerung zu kämpfen. Und auch ihre Mitstreiter, die männlichen Partisanen, waren keineswegs alle gegen Geschlechterklischees gefeit.
(Doch dazu später mehr...)

MUSIK
TEIL 4: FRAUENVERTEIDIGUNGSGRUPPEN UND ZIVILER WIDERSTAND

Die Frauen in der Resistenza bildeten auch eine eigene Organisation: die Gruppi di difesa della donna e di assistenza ai combattenti zu deutsch: „Gruppen zur Verteidigung der Frau und zur Unterstützung der bewaffneten Kämpfer“. Erste Zellen dieser Frauenverteidigungsgruppen, wie sie meist genannt werden, entstanden ab Winter 43 in Mailand, Turin, Bologna, Florenz und vielen anderen Städten.

Giacomina: (kreis vergroessern)
00:40
Die Arbeit bestand darin, in die Familien zu gehen, um für die Partisanen zu sammeln oder andere Familien in den Kampf mit einzubeziehen. Wir sprachen mit Familien, ob sie Partisanen beherbergen würden, und um sie für den Widerstand zu gewinnen. Das war natürlich nicht ungefährlich. Wir wussten ja nicht immer, mit wem es diese Leute hielten, wie sie politisch eingestellt waren. Aber der Widerstand hätte sich nicht vergrößert, wenn wir uns nur in unserem Kreis von AntifaschistInnen aus den 40er Jahren verschanzt hätten.
Von Beginn an war Giacomina Castagnetti in den Frauenverteidigungsgruppen aktiv.
Die Frauen sammelten Geld, Lebensmittel und Kleidung für die PartisanInnen und die politischen Gefangenen. Sie trugen Informationen zusammen und gaben sie weiter. Wichtig auch die politische Arbeit: Streiks und Sabotage in den Fabriken, Demonstrationen gegen Hunger und Krieg.
Auch Annita Malavasi trat dieser Organisation, der über 70.000 Frauen angehörten, bei:

Laila 2001: (22:40 – 23:08) laila-streiks6
(29sec)
Die Frauen organisierten Demonstrationen, vor Fabriken für mehr Rechte, vor staatlichen Büros für eine bessere Lebensmittelversorgung, und vor allem vor den Gefängnissen. Und die Polizei schoss auf die Frauen, die die Freiheit und eine bessere Behandlung der Gefangenen forderten.

Ganz wichtig auch: die Versorgungstätigkeit. Schließlich mussten Illegale in den Städten verpflegt und beherbergt werden, mussten die PartisanInnen in den Bergen mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden,
Eine Untergrundarmee braucht eine Menge Helferinnen und Helfer, die weit über der Zahl der Kämpfenden liegt. Meist wird sie auf 14 HelferInnen pro kämpfende Partisanin oder Partisan beziffert.
Ein großer Teil von ihnen war in den grupi di difesi della donna organisiert, die von Beginn an im Kontakt mit dem Nationalen Widerstandskomitee standen, weiß die Historikerin Nadja Bennewitz:

Nadja: 29:25 – 29:50 (gdd-von-cln-anerkannt)
00:27
Diese Frauenverteidigungsgruppen wurden dann offziell vom CLN anerkannt, im Verlauf von 1944, was sehr notwendig war...denn dadurch bekamen sie Geld, ... mussten ganze Versorgungstätigkeit ja auch finanzieren.“

Eine weitere Tätigkeit war die Gegenspionage. Die Frauen beobachteten Truppenbewegungen der Deutschen, sammelten Informationen über die Aktivitäten italienischer FaschistInnen und gingen – auch gewaltsam - gegen faschistische Spione vor.

Laila 2001:
„Ich habe eine Frauengruppe von der Antispionageeinheit kommandiert..
Wir waren ungefähr 40 Frauen in dieser Einheit. In einigen Fällen waren die Frauen der ganzen Familie in der Antispionageeinheit, Großmutter, Mutter, Schwiegertochter, Tochter, bis zum Fall eines 9jährigen Mädchens, das mal mit uns gekommen ist.

Die jungen Frauen legten die langen Wege zurück, um die Informationen weiter zu geben. Die älteren Frauen saßen oft einfach vor dem Haus und schrieben auf, wie viele deutsche Militärfahrzeuge vorbei fuhren und wie sie bewaffnet waren.

Laila 2001: striche
(35 sec)
Der Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte in Italien, Kesselring, hat einmal gesagt, der italienische Widerstand hätte ein effektiveres Informationsnetz als sie selbst. Er wusste nicht, dass das oft Analfabetinnen waren, die einfach Striche machten für jedes Militärfahrzeug, dass sie es waren, die die Besatzung beenden wollten und sich für ihre Freiheit und Unabhängigkeit einsetzten.
Auch Laura Polizzi war in den „gruppi di difesa della donna“ aktiv. Anfangs arbeitete sie noch weiter als Schuhverkäuferin. Doch sie führte ein Doppelleben, arbeitete für die antifaschistische Agitation und Propaganda und baute die Frauenverteidigungsgruppe in Parma auf. Doch nach kurzer Zeit wurde sie denunziert und musste untertauchen. Laura Polizzi lebte fortan in verschiedenen Städten, doch immer im Untergrund, mit falschen Papieren. Lange Zeit war sie Anführerin der Frauenverteidigungsgruppen in ihrer Region. Dort hat sie gelernt und ist politisch gewachsen, blickt sie heute zurück. Doch ihre wichtige Rolle in der Resistenza blieb auch den Deutschen nicht verborgen. Sie wurde gesucht, die Polizei fand ihre Spur, der Kreis schloss sich immer enger um sie.

Mirka: (mailand-ankunft)
1:15
Eines Morgens war sogar das Haus umstellt, in dem ich oft schlief, zum Glück war ich just in diesem Moment nicht dort. Man versetzte mich also – glücklicherweise, sonst wäre ich heute nicht hier – nach Mailand. Mit einer Genossin fuhr ich auf dem Fahrrad in die Lombardei. Ich trat in den Mailänder Widerstand und übernahm das Kommando für zwei Abteilungen der Frauenverteidigungsgruppen. Die Aufgaben dort waren ähnlich, aber für mich auch eine neue Erfahrung. Denn im Reggiano arbeitete ich unter den Bäuerinnen, in Mailand habe ich mit Arbeiterinnen zu tun, bin in den Fabriken tätig, mache illegalen Aktivitäten mit den Arbeiterinnen.

In den Frauenverteidigungsgruppen hörten Viele zum ersten Mal in ihrem Leben von ihren Rechten als Frau, von Emanzipation reden – und: diskutierten mit. Die politische Arbeit in der Gesellschaft, aber auch die Bildung der Frauen stand im Blickpunkt.
Giacomina Castagnetti betont, dass sich der Blick in den Frauenverteidigungsgruppen schon damals weitete, dass sie in die Zukunft blickten.

Giacomina: (nach krieg)
38sec.
Natürlich war unser erstes Ziel, gegen den Krieg zu kämpfen, aber wir dachten auch an die Zeit nach dem Krieg. Schon in der Illegalität trafen wir uns und diskutierten über das Frauenwahlrecht und andere Rechte für Frauen. Wir haben mitten auf dem Land Zusammenkünfte abgehalten, unter einem Baum, um nicht die Familie und den Hof, bei denen wir uns trafen, in Gefahr zu bringen.

Was heute gerne unter den Teppich gekehrt wird, sind die vielen, so genannten kleinen Aufgaben, die Frauen in der Resistenza übernahmen. Aufgaben, die gar nicht so klein sind, sondern oft Lebensgefahr bedeuteten. Es ging darum Verfolgten Schutz zu gewähren, Einrichtungen frei von nationalsozialistischen und faschistischen Einflüssen zu halten, die Verteidigung der Lebensumstände und sozialen Bindungen. Es war auch ein ökonomisch-politischer Kampf.
Um diesen Widerstandsformen gerecht zu werden, wurde in der Geschichtsschreibung der Begriff ziviler Widerstand geprägt.
Bekannt geworden ist der Frauenaufstand von Carrara vom 7. Juli 1944. Dort verlief die Gotenlinie, eine Kampffront, die heiß umkämpft war und unter allen Umständen gehalten werden sollte. Die Deutschen versuchten die Gegend zu entvölkern, nach dem Motto: wo kein Haus als Unterschlupf, wo keine Bevölkerung zur Unterstützung dort keine PartisanInnen. Außerdem wollten sie freie Schussbahn. Deshalb machen sie ganze Landstriche menschenleer. Die BewohnerInnen wurden gezwungen die Gegend zu verlassen, ihre Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.
In Carrara wehrte sich die Bevölkerung dagegen. Die Frauen der Stadt – nur noch wenige Männer lebten dort – boten den übermächtigen Deutschen die Stirn und – blieben. Sie streikten und zogen mit Schildern und Sprechchören vor die deutsche Kommandatur, fest entschlossen den Räumungsbefehl zu verweigern und die Stadt nicht zu verlassen. Eine der Anführerinnen dieser Aktion war Elena Pensierini

O-Ton in Carrara:

„Ich bin mit ein paar andren jungen Frauen mit einem Schild vorangegangen, auf dem stand:„Wir werden die Stadt nicht verlassen“. Wir sind durch die ganze Stadt gezogen und dann zur deutschen Standortkommandatur, standen dort rum, mit Sprechchören, wir waren so wütend. Vier Frauen sind aus der Versammlung heraus festgenommen worden. In den nächsten Tagen war vor der deutschen Kommandatur quasi eine Dauerkundgebung. Zwischen der Partisanenkommandatur und den Deutschen gab es dann Verhandlungen. Wir selbst hatten keine Waffen, aber die Partisanen standen um die Ecke und hätten eingreifen können wenn es zur Auseinandersetzung gekommen wäre.

Dazu kam es nicht. 3 Tage später gaben die Deutschen ihr Räumungsvorhaben auf. Die Aktivsten unter den aufständischen Frauen waren in den Frauenverteidigungsgruppen organisiert.



MUSIK











TEIL 5: DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN MÄNNERN UND FRAUEN

Die meisten Partisaninnen berichten von grenzenloser Solidarität untereinander in den Einheiten. Sie teilten Alltag und Kampf, geglückte Aktionen und schreckliche Niederlagen mit Toten und Verletzten.
Für sie alle, Frauen und Männer, war diese Situation neu, bewegten sie sich auf unsicherem Terrain.
Annita Malavasi verhehlt nicht, dass sie, als sie in die Berge fliehen musste, mit der plötzlichen Verantwortung und Lebenssituation anfangs durchaus so ihre Schwierigkeiten hatte:

Laila 2002: (20sec. - selbst-verantwortung)
In der Zeit zuvor bestimmte der Mann, aber umgekehrt hast du dich auch auf ihn verlassen. Jetzt musstest du auf eigenen Beinen stehen.
Laila 2002 (40sec. - blatterrascheln)
(Ich habe also das gemacht, was alle anderen gemacht habe, Wache geschoben und das erste Mal ging es mir so wie bei dem ersten Transport von Handgranaten. Der Partisan, mit dem ich Wache schob, hat mich irgendwann ins Bett geschickt, weil ich so furchtbar schreckhaft war. Jedes Blatt, das im Wind raschelte, hat mich erschreckt, schließlich war es das erste Mal und auch das erste Mal, das ich ein Gewehr in der Hand hielt und es war Nacht!.

9 Monate lebte Annita Malavasi bei Partisaneneinheiten in den Bergen. Zunächst waren es noch zwei Frauen in ihrer Gruppe, dann war sie die einzige. Von der Hausfrau im Faschismus zur kämpfenden Partisanin. Ein riesiger Schritt ins Ungewisse, ein Sprung ins kalte Wasser.

Laila 2002: keine roecke
00:50
Stellt euch das mal vor. Ich bin groß geworden und mir wurde immer gesagt: "Sei still, du bist eine Frau." Denn unsere Kultur war diese, die Frau war ein Objekt, sie hatte kein Recht, selber Ideen zu entwickeln, wer komman

Kommentare
22.02.2006 / 23:12 Salon Rouge, Freies Sender Kombinat, Hamburg (FSK)
gesendet
am 22.1.06
 
12.09.2008 / 10:35 smn, Radio LoRa, Zürich
Sendungsübernahme
Die Sendung wurde am 13.9.2008 bei Radio LoRa Zürich von 18-19h ausgestrahlt. Danke und Gruss!