Abschiebung? von Allassane Moussbaou (Togo)

ID 11230
 
1. Infos über den Abschiebeversuch Moussbaous und den Verfahrensstand
2. Interviewausschnitt mit Marei Pelzer von Pro Asyl Abschiebedruck wir erhöht
3. Lage / Situation in Togo
4. Sammeldeportationen (Fehlinformationen des BMI)
5. politische Aktivitäten mit Bezug zu MV bzw. Togo (u.a. Petitionsausschuss in Schwerin)
6. Fakten/Zahlen (über)regionale Bedeutung

Der togoische Exil-Oppositionelle Allassane Moussbaou, sitzt nach einem erfolglosen Abschiebeversuch weiter in der Abschiebehaft des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Die Abschiebehaft in Bützow ist inzwischen Schauplatz einer Tragödie. Herr Moussbaou und ein weiterer Mithäftling aus Togo, Herr Adzrakou, riskieren ihr Leben mit einem unbefristeten Hungerstreik. MV ist innerhalb Deutschlands das Hauptaufnahmeland für Flüchtlinge aus dem westafrikanischen Regime des Familienclans der Eyademas.
Audio
07:56 min, 11 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.01.2006 / 20:52

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Falk Schlegel
Radio: LOHRO, Rostock im www
Produktionsdatum: 22.01.2006
keine Linzenz
Skript
Die Auseinandersetzung um einen Abschiebestopp ins 5,4 Millionen Einwohner zählende Togo halten in Mecklenburg-Vorpommern an und gehen auch über die Landesgrenzen hinaus. Die Diskussionen entzünden sich vor allem auch an einer Person.
Der togoische Exil-Oppositionelle Allassane Moussbaou, sitzt nach einem erfolglosen Abschiebeversuch weiter in der Abschiebehaft des Bundeslandes in Bützow. Trotz massiver psychologischer Drohungen durch das zivile Begleitpersonal der Bundespolizei hatte er sich geweigert das Flugzeug in die westafrikanische Diktatur zu besteigen. Nach Protesten von Unterstützern und einem Gespräch mit Herrn Moussbaou beteiligte sich der Pilot der AIR-FRANCE-Maschine nicht an der geplanten Zwangsrückführung.
Die Anwältin des Betroffenen wurde über den Zeitpunkt der Abschiebung am 10. Januar durch die Ausländerbehörde Ludwigslust falsch informiert. Welche Konsequenzen die zuständige Aufsicht über das für Abschiebungen in Amtshilfe tätig werdende Landesamt für Flüchtlinge daraus zieht, war vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern nicht zu erfahren. Ein Eilantrag auf Abschiebeschutz beim Verwaltungsgericht Schwerin, der u.a. von dem Europa-Abgeordenten Tobias Pflüger und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen unterstützt wurde, ignorierte das Gericht. Das UNHCR hatte zu einer grundsätzlichen Neuprüfung des Asylantrags Moussbaous wegen der veränderten politischen Situation in Togo geraten und auf eine mögliche herausgehobene Stellung des Oppositionellen hingewiesen. Außerdem macht das UNHCR auf die anhaltende Verfolgungspraxis des Regimes in Togo aufmerksam, das für noch immer über 30 000 in die Nachbarländer Geflohene verantwortlich ist. Es ließen sich keine Unterschiede zwischen bekannten und weniger bekannten Oppositionellen feststellen. Internationale und deutsche Organisationen, wie Amnesty International oder Pro Asyl äußern sich sehr besorgt über die aktuelle Situation in Togo und die Praxis von Abschiebungen in menschenrechtlich sehr bedenkliche Länder. Hierzu Marei Pelzer von Pro Asyl:
„Unsere Sorge ist, dass der Ausreise- und Abschiebedruck auf die Betroffenen noch weiter ausgedehnt wird. Das ist extrem problematisch, weil hier geht es um Flüchtlinge, die aus Krisen- und Kriegsgebieten nach Deutschland gekommen sind, am Ende letzten Jahres wurde die erste Abschiebung in den Irak vollzogen, auch Togo ist ein Staat, in dem längst keine Demokratie erreicht worden ist, wo Menschenrechte nicht viel gelten. Wir sorgen uns sehr darüber, das Menschen in aussichtslose Lagen abgeschoben werden und für ihre Sicherheit nicht garantiert wird. Hier geht der Vollzug der Abschiebung vor Menschlichkeit und dass ist eine Politik, die wir scharf kritisieren.“
Die aktuelle Situation in Togo wird durch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes beschönigt. Der den Gerichtsentscheidungen zugrunde liegende Lagebericht wird nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern zu ungunsten der betroffenen togoischen Flüchtlinge interpretiert. Obwohl Militär und Milizen die oppositionellen Kräfte drangsalieren und unter absoluter Straffreiheit unterdrücken, wird ein vermeintliches Abebben offener Gewalttätigkeiten in Togo von seiten deutscher Behörden als Zeichen der Rückkehrsicherheit missgedeutet. Der Sprecher der Internationalen Kampagne gegen die Diktatur in Togo, Abdul Gaffar Tschedre Djibril verwies am Donnerstag gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland auf näher liegende Gründe, die Stabilisierung des Unterdrückungsapparates.
„Seit der Machtübernahme des Diktatorensohnes, Fauré Eyadéma, hat sich die politische Situation in Togo extrem verschärft. In den Städten patrouillieren die Milizen der Regierungspartei RPT inzwischen in Zivil. Die Familien Oppositioneller werden bedroht und eingeschüchtert, ihre Häuser durchsucht, selbst in Benin sind die Flüchtlinge nicht vor Eyadémas Leuten sicher.“
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Integration, leben in Deutschland ca. 2100 Togoer mit Abschiebeschutz oder anerkanntem Flüchtlingsstatus. Mindestens eben so viele befinden sich in laufenden Verfahren. Im Jahr 2005 wurden über 700 Entscheidungen getroffen, bis auf 60 alle negativ. Die Gesamtasylbewerberzahl in Deutschland sank im letzten Jahr auf den seit 1983 historischen Tiefstands von etwa 29.000.
Das Amtsgericht Güstrow verlängerte die Haft des togoischen Exil-Oppositionellen Moussbaou inzwischen auf den 01.Mai diesen Jahres und kündigte für Ende April eine Sammeldeportation per Charterflugzeug nach Togo an. Diese Praxis wird von Flüchtlingshilfsorganisationen angeprangert, der Bundesinnenminister Schäuble sieht hierin allerdings eine effektive Rückführungsmassnahme, die auch in Zukunft weiter forciert werden solle. Bereits am 14. September letzten Jahres liess der damalige Minister Schily anläßlich eines solchen Fluges verlautbaren:
„Bei den aus Deutschland abgeschobenen 15 Ausländern handelte es sich ausschließlich um Personen, deren Abschiebung zuvor bereits an erheblichem Widerstand gescheitert war und die sich in Abschiebehaft befanden.“
Nachfolgende Recherchen von Radio LOHRO ergaben damals, dass diese Aussage auf mindestens 10 Personen nicht zutraf und somit einer bewussten Fehlinformation der Öffentlichkeit gleich kam. M-V beteiligte sich mit der Abschiebung von zwei Togoern.
Das sind keine guten Aussichten für Herrn Moussbaou, dem nun die Widersetzung gegen seine Abschiebung vorgeworfen wird, obwohl ihm noch eine mündliche Anhörung in einem Asylfolgeverfahren zustünde.
Indessen weiten sich die Proteste für ein Bleiberecht Moussbaou’s und einen generellen Abschiebestopp nach Togo aus. Vor der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommerns, in Berlin, fand am Donnerstag eine Demonstration togoischer Flüchtlinge statt. Staatssekretär Dr. Thomas Freund erklärte sich gegenüber drei Protestvertretern für nicht zuständig und verwies auf das Innenministerium des Landes. Hier wird allerdings auch keine Auskunft über das weitere Verfahren gegeben, auf gesetzeskonformes Handeln verwiesen, und ein für das Land möglicher Abschiebestopp nach § 60a Aufenthaltsgesetz nicht in Betracht gezogen.
Ebenfalls durch die Demonstranten wurde dem Landesvertreter in Berlin ein offener Brief des Landesvorsitzenden der Linkspartei.PDS in MV, Peter Ritter, an den deutschen Außenminister Frank-Walter-Steinmeier übergeben. Darin wird der Minister aufgefordert, den Lagebericht des Auswärtigen Amtes entsprechend der realistischen Situation in Togo zu überarbeiten. Er solle dafür Sorge tragen, dass neben den regierungsamtlichen Lageberichten, gleichberechtigt die Einschätzungen von Nicht-Regierungsorganisationen, wie dem UNHCR und Amnesty International, somit alle zugänglichen Erkenntnisse als Entscheidungsgrundlage dienen.
Am Beispielfall des 25 jährigen Allassane Moussbaou hatte der Petitionsausschuss des Landtags in Schwerin, Innenminister Dr. Timm einstimmig aufgefordert generell von Abschiebungen nach Togo abzusehen, bis sich der Ausschuss über die Vorgehensweise der Behörden und die tatsächliche Situation vor Ort in Togo informieren könne.
Gerd Walther, Obmann des Petitionsausschusses:
„Gegenstand der Diskussion soll unter anderem auch sein, welchen Ermessenssspielraum, welchen Entscheidungsspielraum hat ein Innenminister, was kann also in diesem konkreten Fall, bei Herrn Moussbaou noch gemacht werden, aber wir wollen uns natürlich auch mit den Fragen, die generell auch zur Abschiebung geführt haben und zur Situation in Togo insgesamt verständigen.“
„Und was planen sie da?“
„Wir wollen, um das eigentlichen Problem, dem eigentliche Problem nachzugehen, nämlich dass wir unterschiedliche Lageeinschätzungen haben, einmal vom Auswärtigen Amt auf Bundesebene und einmal von den Menschenrechtsorganisationen, die eben eindeutig sagen, dass keine Abschiebungen vorzunehmen sind, wollen wir uns mit Hilfe von Sachverständigen noch mal nähern.“
Die Expertenanhörung ist inzwischen auf den 22. Februar terminiert worden. Es wird u.a. der ehemalige Landtagspräsidenten Hinrich Küssner befragt werden, der sich zur Zeit in Ghana und Togo aufhält, um die Entwicklungshilfeprojekte seines Vereins Deutsch-Afrikanische-Zusammenarbeit voranzutreiben.
Nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel der Bundesländer ist Mecklenburg-Vorpommern das Hauptaufnahmeland für togoische Flüchtlinge. Seit dem Sommer bereitet das Landesamt breit angelegte Deportationen in die seit fast 40 Jahren bestehende Diktatur des Familienclans der Eyademas vor. Von den 900 hier lebenden Togoern sind mindestens 320 akut von Abschiebung bedroht. Aus MV wurden im Laufe des letzten Jahres 13 Togoer zwangsrückgeführt. Die Abschiebung Herrn Moussbaou’s wurde nur ausgesetzt, nicht aufgehoben. Er ist aufgrund international bekannt gewordener Aktivitäten gegen das Regime akut gefährdet, da er sich nicht widerstandslos Eyadema und dessen Folterknechten ausliefern lassen will und weiterhin inhaftiert ist. Die Abschiebehaft Mecklenburg-Vorpommerns in Bützow ist inzwischen Schauplatz einer Tragödie. Herr Moussbaou und ein weiterer Mithäftling aus Togo, Herr Adzrakou, riskieren ihr Leben mit einem unbefristeten Hungerstreik. Sie sehen hierin anscheinend das letzte Mittel, um dem togoischen Repressionsapparat zu entgehen und sind anscheinend entschlossen für ihre Freiheit zu sterben. Ob ein in der Vorbereitung befindlicher Antrag bei der Härtefallkommission des Landes für Herrn Moussbaou erfolgversprechend ist, wird sich zeigen. Fest steht: Für die togoischen Geheimdienstler dürfte Herr Moussbaou auch aufgrund des überregionalen öffentlichen Bekanntheitsgrades von besonderem Interesse sein.

Kommentare
25.01.2006 / 12:58 rum, Radio Unerhört Marburg (RUM)
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gesendet in zip-fm 25.1.06
 
25.01.2006 / 12:58 rum, Radio Unerhört Marburg (RUM)
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