Angeblicher Terror-Schutz des AKW Mochovce ist eine Farce

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Whistleblower spielten der österreichischen Umweltschutz-Organisation 'Global 2000' die Konstruktionspläne für den Terror-Schutz des slowakischen AKW-Projekts Mochovce 3 und 4 zu. Es handelt sich dabei um Stahlnetze, mit denen Flugzeuge vor dem Aufprall auf den Reaktor gebremst werden sollen. Eine Untersuchung im Auftrag von 'Global 2000' ergibt jedoch, daß die Netze höchstens den Absturz eines kleinen Sportflugzeugs wie etwa einer einmotorigen Cessna aufhalten könnten, nicht aber den eines Passagierflugzeugs in der Größenordnung eines Airbus.
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Upload vom 03.12.2021 / 10:14

Dateizugriffe: 99

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: restrisiko
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 03.12.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Angeblicher Terror-Schutz des AKW Mochovce ist eine Farce

Whistleblower spielten der österreichischen Umweltschutz-Organisation 'Global 2000' die Konstruktionspläne für den Terror-Schutz des slowakischen AKW-Projekts Mochovce 3 und 4 zu. Es handelt sich dabei um Stahlnetze, mit denen Flugzeuge vor dem Aufprall auf den Reaktor gebremst werden sollen. Eine Untersuchung im Auftrag von 'Global 2000' ergibt jedoch, daß die Netze höchstens den Absturz eines kleinen Sportflugzeugs wie etwa einer einmotorigen Cessna aufhalten könnten, nicht aber den eines Passagierflugzeugs in der Größenordnung eines Airbus.

Die Ingenieure eines renommierten Wiener Ingenieursbüro konnten anhand der Konstruktionspläne die Maximal-Auslegung der installierten Fangnetze berechnen. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß die Netze höchstens den Absturz eines kleinen Sportflugzeugs wie etwa einer einmotorigen Cessna aufhalten könnten. Aus den Berechnungen ergibt sich, daß die vorgesehenen sechs Stahlnetze mit einer Höhe von 22 Metern und einer Breite von 19 Metern nicht einmal für ein kleineres Verkehrflugzeug ausgelegt sind. Sie könnten einer größeren Frachtmaschine, von denen täglich viele direkt über das AKW Mochovce fliegen, nicht standhalten. Das slowakische Atomkraftwerk liegt unter einem viel beflogenen Luftkorridor. Entscheidend für die Durchschlagskraft sind das Gewicht und die Geschwindigkeit der Düsentriebwerke. Diese sind die Teile eines Flugzeugs mit dem größten spezifischen Gewicht.

Der Aufprall eines üblichen Verkehrsflugzeugs in Folge eines Unfalls würde die Auslegung der Netze demnach mehr als dreizehnmal übersteigen – im Fall eines gezielten terroristischen Angriffs mit einem entführten Passagierflugzeug sogar um mehr als den Faktor 52. Dr. Reinhard Uhrig, atompolitischer Sprecher von 'Global 2000' ist deshalb der Ansicht, daß solche Netze "ganz klar nur zur Beruhigung der besorgten Bevölkerung" dienen sollen. "Im Ernstfall eines Flugzeugabsturzes können sie weder die Sicherheit der veralteten Reaktoren, noch den Schutz der Bevölkerung gewährleisten." Der einzig sichere und zeitgemäße Schutz sei daher, die Reaktoren 1 und 2 sofort stillzulegen und die Inbetriebnahme der Blöcke 3 und 4 zu verbieten, so Uhrig.

Schon lange ist bekannt, daß die seit 1985 in Bau befindlichen Reaktoren 3 und 4 des AKW Mochovce nicht gegen die Auswirkung eines absichtlichen oder unabsichtlichen Flugzeug-Absturzes ausgelegt sind. Ein solcher Unfall oder Angriff hätte katastrophale Auswirkungen (Siehe hierzu auch unseren <a href="akwmoc210513.html" target=_blank>Artikel v. 13.05.21</a>.

Die EU-Kommission erteilte der Betreibergesellschaft des AKW und der slowakischen Atomaufsicht 2008 die Auflage, den Schutz auf den in Europa üblichen – niedrigen – Mindeststandard zu heben: "Die Kommission empfahl dem Investor, in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden, »zusätzliche Maßnahmen [...] zu evaluieren und zu implementieren, um einem potenziellen deterministischen Aufprall von außen (z. B. einem böswilligen Aufprall eines kleinen Flugzeugs) standzuhalten [...], um die Konstruktion mit den bestehenden bewährten Verfahren in Einklang zu bringen«." (Europaparlament, parlamentarische Anfragebeantwortung, 5.9.2008, E-4448/08EN, übersetzt von 'Global 2000')

"Auch die EU fordert dabei eine Absicherung, die mindestens einem Verkehrsflugzeug standhält – und nicht bloß einer winzigen Sportmaschine," so Uhrig. "Da diese Auflage nicht erfüllt ist, wird 'Global 2000' bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen Nichtumsetzung der Mindestanforderungen einlegen."

Zusätzlich ist es bei den Bauarbeiten offenbar zu schweren technischen Fehlern gekommen: Stahlklammern, die zur Fixierung der Stahlnetze verwendet wurden, drücken aufgrund falscher Dimensionierung in die Seile der Netze und führen zu Beschädigungen, sodaß diese ausgetauscht werden müssen. Auf aktuellen Fotobelegen sind schon jetzt Verrostungen der Netze zu sehen. Das zur Sicherung der Anlage verwendete Material ist also nicht nur ungeeignet, sondern auch minderwertig.

Neben den Crash-Fangnetzen sollten - laut den 'Global 2000' vorliegenden Konstruktionsplänen - zusätzliche Barrieren zwischen den Reaktorblöcken installiert werden, um die unterirdisch verlaufenden Strom- und Steuerkabelkanäle vor herabfallenden Trümmern zu schützen. Diese Kabelkanäle verbinden die Notstrom-Dieselgeneratoren mit der Kühlung des Atomkraftwerks, die im Notfall eine Kernschmelze verhindern soll.

"Belegt durch aktuelle Fotos der Whistleblower von der Baustelle wurden diese Zusatz-Barrieren schlichtweg vergessen – dies fiel der slowakischen Atomaufsicht nicht auf," so Uhrig. "Offenkundig ist die Baustelle mehrere Jahre nach dem Beginn der Enthüllungen durch kritische Ingenieure weiterhin völlig außer Kontrolle. Wir fordern die österreichische Bundesregierung auf, entschlossen bei ihren slowakischen Kollegen gegen die Inbetriebnahme des verpfuschten Reaktors einzutreten – wie im Regierungsprogramm vorgesehen."

Die Inbetriebnahme von Reaktor 3 wird derzeit noch durch den Einspruch von 'Global 2000' bei der slowakischen Atomaufsicht ÚJD gegen die Betriebserlaubnis aufgehalten. Die im Einspruch vorgebrachten schwerwiegenden Bedenken müssen restlos aufgeklärt werden, fordert 'Global 2000'.