Albert Jörimann - Clowns und Clownereien

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Eins vorweg: dass Kay-Achim Schönbach nach seinen unvorsichtig offenen Aussagen zur Krim und zu Russland zurücktreten musste, hat seine Richtigkeit gemäss den Regeln des diplomatischen Spiels. Dass er absolut Recht hatte, versteht sich ebenfalls von selber; ich gehe davon aus, dass die Bundeswehr-Führung seine Einschätzung teilt.
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10:30 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.01.2022 / 10:39

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Arbeitswelt, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 25.01.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Eins vorweg: dass Kay-Achim Schönbach nach seinen unvorsichtig offenen Aussagen zur Krim und zu Russland zurücktreten musste, hat seine Richtigkeit gemäss den Regeln des diplomatischen Spiels. Dass er absolut Recht hatte, versteht sich ebenfalls von selber; ich gehe davon aus, dass die Bundeswehr-Führung seine Einschätzung teilt. Ich habe an dieser Stelle schon früher referiert, welche militärischen Überlegungen die russische Verteidigungslinie im Westen prägen, namentlich die weiten Ebenen von Polen, Weißrussland und der Ukraine, über welche Napoleon und Hitler ihre Einfälle planten und vollzogen; wenn sich auch die militärischen Optionen, Mittel und Ziele seither gewaltig weiter entwickelt haben, bleibt diese recht basale Ebene weiterhin ein zentrales Moment der strategischen Planung. Dies weiß nicht nur die Bundeswehr, die gesamte Nato weiß es, auch wenn sie mit großem Lärm das Gegenteil behauptet und den nichtmilitärischen Bereich als Argu­men­tationsfront vorschiebt. Damit tut die Nato so, als sei sie plötzlich selber ein nichtmilitärisches Bünd­nis, sondern eines von ehernen Idealen, nämlich der westlichen Demokratien, welche voll­kom­men unbestritten und widerspruchsfrei den Endpunkt der zivilisatorischen Entwicklung auf der Welt darstellten. Und das ist einfach herzergreifend doof. In Bezug auf die militärische Ebene erinnere ich erneut daran, dass die Nato nach der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes entgegen allen Versprechungen gegenüber den Russen ihr Bündnis nach Osten erweitert hat und im Baltikum an den russischen Grenzen steht; das hat Russland noch geschluckt, aber mit einem Beitritt der Ukraine würde die Nato um gut 1000 Kilometer nach Osten vorrücken und stünde auf der osteuropäischen Ebene noch gut 400 Kilometer vor Moskau, und zwar im Süden, nicht im Westen. Es braucht keine intellektuellen Verrenkungen, um einzusehen, dass so etwas für Russland aus rein militärischer Sicht absolut nicht in Frage kommt. Aus, Ende, Schluss der Diskussion.

Ins Bild der Clown-Regierung in England passt, dass der Geheimdienst nun herausgefunden hat, dass die Russen in Kiew am liebsten eine prorussische Regierung an der Macht hätten. Soviel vermeldet jedenfalls die für Außenpolitik verantwortliche Clownin Liz Truss. Aus neutraler Sicht bin ich bisher davon ausgegangen, dass es für Moskau nicht so zentral sei, ob die jeweils an der Macht befindlichen Kleptokraten ihr Maul nach dem Westen oder nach dem Osten ausrichten, solange in erster Linie ihren militärischen und dann ihren wirtschaftlichen Interessen keine Gefahr droht. Aber selbstverständlich lässt sich mit einer prorussischen Regierung besser kungeln als mit einer prowestlichen; insofern ist die Einschätzung des englischen Geheimdienstes absolut zutreffend, nur dass diese brisante Information nur für eine Regierung von Dummköpfen neu und geheim sein kann. Man muss einfach einsehen, dass der britische Humor mit der Wahl des Johnson-Clowns auf ein bedenkliches Niveau gesunken ist. Auch dass die jetzt im Ernst Waffensysteme in die Ukraine liefern, nur um von den Corona-Verstößen ihrer Staatskanzlei abzulenken, ist ein Akt originärer Behämmerung. Deswegen wendet sich das wohltemperierte Bewusstsein und der wohl erzogene Mensch mit Grausen davon ab.

Ein anderer Clown, dessen Späße allerdings nicht seinem Charakter, sondern seinem Kalkül entspringen, nämlich der serbische Präsident Alexander Vucic, hat Ende letzter Woche mitgeteilt, dass ihn ein EU-Mitgliedland über Europol von einem Mordanschlag gegen ihn informiert habe, der Anfang Februar hätte stattfinden sollen. Das nenne ich Humorkritik auf dem Balkan. Den Anschlag hätte der Montenegriner Radoje Zvicer ausführen sollen; das wäre der Chef des Kavazki-Clans, den Alexander Vucic immer wieder als Bilderbuch-Bösewicht vorstellt und ihm unter anderem letztes Jahr vorgeworfen hat, er hätte Cevapcici aus Menschenfleisch hergestellt und gegessen. Wie soll man diese Art von Witz nennen? Roten Humor? Wie auch immer: Für so etwas benötige ich jemand anderen, der für mich den Kopf schüttelt – ich selber komme da nicht mehr mit.

Letzte Woche habe ich wieder einmal das Magazin «Stern» gekauft, das ich früher regelmäßig gelesen habe. Es gab dort oft gut recherchierte Berichte und eine sorgfältig gemachte Bild-Ebene, ich hatte mich schon fast gewöhnt an die Mischung aus den verschiedenen unterschiedlichen Bereichen der Berichterstattung. Vor mehreren Jahren ist mir das Heft aber irgendwie entglitten, ich nehme an, vor allem wegen der elektronischen Medien. Wie auch immer: Die Titelseite des «Stern» vom 20. Januar zeigte einen verblassenden Olaf Scholz mit dem Titel: «Was macht eigentlich Olaf Scholz? – Überall Krise, doch vom Kanzler keine Spur.» Soso, dachte ich mir, es wäre also angebracht, dass auch euer Bundeskanzler die rote Clownnase montiert und eine Strohperücke aufsetzt und mit irgendwelchen rechts und links gestrickten Aktionen herum wedelt, dann würde er dem Bedürfnis des «Stern»-Publikums nach Tatkraft, Energie und was sonst noch alles entsprechen. Das habe ich nicht verstanden. Gerade seine Blassheit, sein mangelnder Drang, sich überall in den Medien zu zeigen, macht doch die wahre Qualität des Bundeskanzlers aus und versichert uns nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt, dass euer Land weiterhin fest in der Tradition von Angela Merkel regiert wird. Mehr wollen wir doch alle nicht! – Beziehungsweise in Deutschland vielleicht schon; gibt es eigentlich in Dresden schon Volksaufläufe zum Thema «Scholz muss weg»? – Aber auf diese ethnische Minderheit können wir ja nicht die ganze Zeit starren wie das Kind vor dem Terrarium auf die Wühlmaus.

Ein anderer Artikel gilt einem weiteren Staatschef, nämlich dem US-amerikanischen Präsidenten. «Ein Jahr Joe Biden – Der US-Präsident, der bei seinem Volk nicht ankommt», heißt es auf dem Titelblatt zu dieser Personalie. Diesem «beim Volk ankommen» oder leider nicht liegt Bidens Versprechen zugrunde, er würde besagtes US-amerikanisches Volk heilen. Das hat jeder vernünftige Kopf schon in dem Moment als dummes Gerede empfunden, in dem Biden es gesagt hat. Man hat es ihm verziehen, da im Moment des Amtsantrittes in den Vereinigten Staaten ein ordentliches Maß an Pathos unerlässlich ist; aber die zugrunde liegende Vorstellung eines gespaltenen Volksganzen, das man heilen oder vereinen könne, bleibt herzerweichend blöde. Und gerade weil sie so blöde ist, wird sie so gerne beschworen, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Corona-Leugner:innen. Was soll das? Da gibt es nichts zu heilen. Den Bruch zwischen Vernunft und Unvernunft kann man nicht kitten, sie bilden keine Einheit. Und hiermit haben wir noch nicht einmal von Interessen gesprochen; man kann bekanntlich auch vernünftig sein und dabei trotzdem gegensätzliche, wo nicht sich widersprechende Interessen vertreten, das ist dann nicht mehr eine Frage der Vernunft, sondern der Macht, welche zugegebenermaßen eine eigene Rationalität entwickelt, aber unvernünftig ist sie mindestens in den zivilisierten Gegenden relativ selten. Ausnahmen wie Donald Trump und der englische Clown bestätigen die Regel.

Also bleibt mal ruhig gespalten und ungeheilt, liebe Amerikanerinnen und Amerikaner, sorgt einfach dafür, dass ihr aus eurem Verhalten gegenüber Joe Biden nicht eine Karikatur eures Verhaltens gegenüber Jimmy Carter macht – Joe Biden hat weder einen Krieg angefangen noch einen verloren. Und wenn ihr jetzt mit dem Finger auf Afghanistan zeigt, so lasst es euch gesagt sein: Diesen Krieg hat George Wilhelm Busch verloren, indem er ihn angefangen hat. All seinen Nachfolgern ist höchstens vorzuwerfen, dass sie ihn nicht früher beendet haben, wobei hier das Hauptaugenmerk auf Barack Obama liegt, der nämlich mit der Ermordung von Osama Bin Laden den Hauptgrund für Wilhelm Buschs Krieg beseitigt hatte und somit die Übung mit wenig Aufwand viel früher hätte beenden können.

Bleibt mir tüchtig gespalten, liebe Amerikanerinnen und Amerikaner, so wie wir versprechen, weiterhin als gespaltene Bevölkerungen in die Zukunft zu marschieren, gespalten bis tief ins einzelne Individuum hinein. Oder wollt ihr den einheitlichen und vielleicht auch noch Einheits-Menschen? Ich nicht. Das ist mir zu langweilig. Dagegen würde ich es nach wie vor sehr gerne sehen, wenn gewisse Kräfteverhältnisse verschoben würden. Mehr Macht den Bürgerinnen und Bürgern, aber nur unter der Bedingung ihrer vorgängigen Aufklärung! Das ist mein alter Traum, der mir nach wie vor nicht unmöglich, der mir vielmehr als der einzige realistische erscheint. Allerdings sind bis dahin noch viele Wege und Umwege zu gehen.

Jedenfalls hat die CDU jetzt ihren Merz. Ich muss zugeben, dass mir dazu nicht viel Kluges einfällt. Die alten Vorwürfe an den CDU-Jungstar sind bekannt, Blackrock, zwei Privatjets, populistische Dummheiten zum Steuersystem, das übliche Genöle eines Herolds des freien Unternehmertums. Aber in der politischen Praxis tritt uns vielleicht ein anderer Friedrich entgegen als jener Merz, über den wir zu Recht gespottet haben. Ich erinnere daran, dass in Italien im Moment Mario Draghi, einer der globalen Super-Banker aus der Elite-Schmiede Goldman Sachs, als Retter und Held des Vaterlandes verehrt wird, von der Linken noch fast mehr als von der Rechten, was in Italien damit zu tun haben mag, dass die politische Linke sich selber komplett erledigt hat. Aber wie auch immer: Auch mir erscheint Mario Draghi im Moment die einzige Figur, welche in der Lage ist, die in Aussicht stehenden Geldmittel der Europäischen Union halbwegs vernünftig in das Land Italien zu leiten. Auf jeden Fall würde jede andere Person im Moment ihres Amtsantrittes zum Gegenstand der landesspezifischen politischen Wirren, wie gesagt, von links noch mehr als von rechts, weshalb sein Verbleib im Amt des Premierministers äußerst wünschbar erscheint. Im Vergleich zu Mario Draghi ist Friedrich Merz in punkto globaler Eliten ein echtes Würstchen, aber er muss ja auch keine EU-Fördermittel verteilen, sondern die CDU als Partei nicht der globalen, sondern der deutschen Wirtschaft neu aufstellen. Vielleicht helfen ihm seine Blackrock-Kontakte bei dieser Arbeit; mittelfristig werden seine politischen Gegner wohl nicht darauf verzichten, die Aktivitäten als Superverdiener beim größten globalen Gewinnmaximierer zu thematisieren und als unvereinbar mit dem Streben nach dem Gesamtinteresse des Landes zu benennen. Mal sehen, was der Friedrich dann zur Antwort geben wird.