Albert Jörimann - Kein Grundeinkommen in Südkorea

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Hat also in Südkorea der konservative Kandidat Yoon Suk Yeol die Präsidentschaftswahl gewonnen mit 48.56 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf den linken Gegenkandidaten Lee Jae Myung entfielen 47.83 Prozent. Schade, sage ich dazu, nicht in erster Linie wegen der politischen Marke; der neue Präsident hat als Staatsanwalt unter anderem zur Verurteilung der konservativen Prä­si­dentin Park Geun-Hye wegen Korruption beigetragen.
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10:17 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 15.03.2022 / 10:59

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 15.03.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Hat also in Südkorea der konservative Kandidat Yoon Suk Yeol die Präsidentschaftswahl gewonnen mit 48.56 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf den linken Gegenkandidaten Lee Jae Myung entfielen 47.83 Prozent. Schade, sage ich dazu, nicht in erster Linie wegen der politischen Marke; der neue Präsident hat als Staatsanwalt unter anderem zur Verurteilung der konservativen Prä­si­dentin Park Geun-Hye wegen Korruption beigetragen.
Im März 2017 wurde sie vom Verfassungs­ge­richt ihres Amtes enthoben und 2018 in zwei Verfahren zu Gefängnisstrafen von 24 bezie­hungs­weise 8 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihr Nachfolger, der linke Moo Jae-In begnadigte sie am 24. Dezember des letzten Jahres. Man kann in Südkorea Lechts und Rinks gerne mal velwechsern. Darum geht es mir auch nicht, sondern darum, dass Lee Jae Myung in seinem Wahlprogramm die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gefordert hatte. Tatsächlich ist die Grund­ein­kom­mens-Bewe­gung in Südkorea schon seit Jahren ziemlich stark, nicht zuletzt in akademischen Kreisen. Lee Jae Myung forderte gemäß dem Neuen Deutschland zu Beginn ein minimales Grund­ein­kommen von 183 Dollar pro Jahr und Person, was wirklich nicht der große Haufen ist; es wäre dafür schon per 2023 eingeführt worden und hätte sich bis 2027 vervierfacht, auf 730 Dollar pro Person und Jahr, was im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt pro Kopf von 43'000 Dollar immer noch nicht der große Haufen ist. Allerdings hat die so gestaffelte Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gewisse Vorzüge gegenüber anderen Einführungsmodellen, unter anderem das Vermeiden größerer wirtschaftlicher Verwerfungen; wenn wir mal annehmen, dass es bis 2031 nochmals vervierfacht worden wäre auf 3000 Dollar im Jahr und irgendwann um 2040 herum die Armutsgrenze von, nehmen wir mal an 1000 Dollar pro Monat überschritten hätte auf 12'000 Dollar im Jahr, dann wäre die Übung doch in relativ kurzer Zeit gelungen, zumal Lee Jae Myung mindestens für die 19- bis 29-Jährigen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, von Anfang an 800 Dollar ausgeschüttet hätte, ganz abgesehen vom Kindergeld von gut 900 Dollar pro Kind und Jahr.

Schade, wie gesagt, und so bleibt auch in Südkorea das bedingungslose Grundeinkommen vorerst ein Programmpunkt und Projekt von Kandidaten, die nicht gewählt werden, wie in Frankreich; immerhin erhielt Lee Jae Myung doch fast 48% der Stimmen im Gegensatz zu Benoît Hamon vor 5 Jahren mit seinen 6 Prozent. Und nochmals schade ist es darum, weil man aus neutraler Sicht keineswegs sicher sein kann, dass Lee Jae Myung das Grundeinkommen, so mickrig es am Anfang auch gewesen wäre, dann tatsächlich eingeführt hätte und wie angekündigt innerhalb von vier Jahren vervierfacht; was so ein Wahlversprechen wert ist, muss sich in der Praxis erweisen, in der Regel gibt es immer tausend Gründe dafür, sie nicht einzuhalten.

Sprechen wir von etwas anderem. Auf der Webseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung habe ich letzte Woche erfahren, dass das Corona-Virus höchst wahrscheinlich aus Afrika stammt. Wurde aber auch Zeit, habe ich mir gedacht, dass man den Sündenbock endlich auf dem richtigen Kontinent ansiedelt. Der entsprechende Artikel zitiert einen Bericht der wissenschaftlichen Plattform «Frontiers in Public Health», wonach im Norden Vietnams in sieben Anal- und fünf Nasenabstrichen von insgesamt sieben Pangolinen Genomanteile von Coronaviren gefunden wurden, die dem Sars-CoV-2-Erreger stark ähnelten. Diese Gürteltiere waren aus dem afrikanischen Kontinent nach Vietnam importiert beziehungsweise geschmuggelt worden, das als Drehscheibe für den illegalen Handel mit diesen Viechern dient. Vielen Dank, Frankfurter Allgemeine, für diese Meldung.

Ein Dank von irgendeiner Seite gebührt auch Manfred Weber, welcher an einer Sitzung der Frak­tion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament am vergangenen Mittwoch die Aufhebung der EVP-Mitgliedsrechte für den griechischen Abgeordneten Giorgos Kyrtsos für die Dauer eines Jahres beantragte. Dieser hatte die griechische Regierung, welche von seiner eigenen Partei und eben EVP-Mitglied Neue Demo­kratie gestellt wird, scharf kritisiert, weil sie kein Verfahren gegen den Schweizer Pharmamulti Novartis einleiten will wegen illegalen Marketings respektive massen­hafter Bestechung von Ärzten in Griechenland, damit sie die teureren Novartis-Produkte verschrei­ben anstelle der günstigeren der Konkurrenz. Diesen Tatbestand hatte Novartis in einem Prozess in den USA zugegeben. Die griechische Regierung hat trotz gegenteiliger Versprechen nicht nur kein Verfahren gegen Novartis eröffnet, sondern geht gegen fünf Journalist:innen und drei Unter­su­chungs­rich­ter:innen vor, welche die Novartis-Praktiken aufgedeckt haben. Die Neue Demokratie hat Kyrtsos im Anschluss aus der Partei ausgeschlossen, und darauf bezieht sich wohl der Antrag von Weber zur Aussetzung der Mitgliedschaft von Kyrtsos in der EVP-Fraktion. Weber ist ein enger Freund des griechischen Minister­präsidenten Misotakis. Ich bin mir nicht sicher, ob dem Antrag stattgegeben wurde, irgendwo habe ich etwas gelesen von etwa 90 von 130 Stimmen, womit die erforderliche Zweidrittels-Mehrheit erreicht wäre.

Bei der Richterin, die vom Obersten Ankläger des Griechischen Staates der Verleumdung und der Verbreitung von Falschinformationen beschuldigt wird, handelt es sich um Eleni Touloupaki, die Leiterin der griechischen Antikorruptionsbehörde, welche allerdings von der neuen Regierung beziehungsweise eben der Partei Neuen Demokratie sehr schnell umgebildet wurde. Mit ihr sitzen zwei Kollegen auf der Anklagebank. Manchmal ist der Weg von der Anklägerin zur Angeklagten nicht sehr weit – vor allem in Griechenland, wo rechts und links eben noch nicht verwechselt werden können. Das erinnert mich an das nördliche Nachbarland Bulgarien, wo solche Macht­kämpfe ebenfalls hin und wieder publik werden, und es erinnert mich auch an die Ukraine in ihrer friedlichen Existenzform, als noch nicht ein Angriffskrieg sämtliche unüberbrückbaren Gegensätze überbrückte.

Womit ich glücklich beim Thema gelandet wäre, das alle anderen überstrahlt oder überschattet, aber meiner Treu, es gibt zum Krieg in der Ukraine nichts zu sagen. Manchmal habe ich kleine Aha-Erlebnisse wie zum Beispiel am letzten Sonntagabend, als das Schweizer Nationalfernsehen einen russischen Raketenangriff auf eine ukrainische Militärbasis an der Grenze zu Polen meldete; dort würden in Friedenszeiten ukrainische Soldaten von Nato-Fachleuten ausgebildet, hieß es im Kommentar. Wie bitte?, fragte ich mich, haben die jetzt im Schweizer Nationalfernsehen auch schon Redakteur:innen, welche Putins Propaganda verbreiten? – Aber die Nachricht wurde auch von anderer Seite bestätigt; die Nato-Spezialisten seien im Februar abgezogen worden, heißt es. Diese Sorte von Informationen ändert überhaupt nichts am Grundtatbestand des kriegerischen Angriffs Russlands auf die Ukraine; sie bestätigt aber meine Einschätzung, dass dieser Krieg hätte verhindert werden können, wenn sich die Nato rechtzeitig dazu hätte durchringen können, auf solche letztlich doch läppische Spielereien zu verzichten. Bei allem Respekt vor den Verwüstungen und den unschuldigen Opfern des Krieges werde ich den Eindruck nicht los, dass der Westen sein Jahren und Jahrzehnten versucht, an der Westgrenze der russischen Einflusssphäre Millimeter um Millimeter vorzurücken in allen Bereichen im Vertrauen darauf, dass es Russland niemals wagen wird, einen offenen Krieg anzufachen. Nun – hat man sich halt getäuscht, vielleicht ist es eine Lehre fürs nächste Mal.

Dass sich die Kriegsberichterstattung des Westens in Sympathiekundgebungen für die Ukraine überschlägt, ist verständlich, frustriert aber tagtäglich meinen Kopf, der unter anderem eben auch wissen möchte, was auf dem Schlachtfeld tatsächlich vor sich geht, nicht wegen Sympathien oder Antipathien, sondern in der Hoffnung darauf, dass bald einmal eine Entscheidung fällt beziehungsweise ein Waffenstillstand und in absehbarer Zeit auch Frieden geschlossen wird zu Bedingungen, welche nicht ich bestimmen werde, sondern die Kriegsparteien. Da ist die vollständige Übernahme der ukrainischen Propaganda durch die westlichen Medien zwar verständlich, aber nicht hilfreich. Von russischer Seite kommt ohnehin keine verwertbare Information. So sitzt man halt im Ungewissen, spendet hie und da etwas Geld für die Kriegsopfer und die Flüchtlinge und dreht ansonsten die Daumen, weshalb ich das Thema für heute auch zur Seite lege.

Immerhin kann ich noch anfügen, dass von etwa 76'000 ausländischen Student:innen in der Ukraine zu Beginn des Krieges fast 23'000 aus afrikanischen Ländern stammten, vor allem aus Marokko, welches gut 10'000 Medizin- und Ingenieur-Student:innen stellt, dann aus Nigeria, Ägypten, Tunesien und Ghana. Ein Großteil ist auf der Flucht; hin und wieder liest man Berichte über rassistische Vorfälle in diesem Zusammenhang, vor allem aber beschäftigt sie die Frage, wo sie nun ihre Studien fortsetzen können. Die marokkanische Regierung stellt diesen Landsleuten eine Internet-Plattform zur Verfügung mit entsprechenden Angeboten; offenbar haben sich bereits 5000 Betroffene gemeldet.

Und dann weist die Zeitung «Le Monde» noch auf die Auswirkungen hin, welche die Ernteausfälle oder Lieferstopps von ukrainischem Getreide auf die Lebensmittelsicherheit haben könnte; betroffen sei vor allem Westafrika, wo seit längerem Engpässe bestehen und wo die Staaten versuchen, mit staatlichen Eingriffen die Preise für Grundnahrungsmittel erschwinglich zu halten. Anfällig sei aber der ganze afrikanische Kontinent und auch der Nahe Osten.

Und schließlich erinnere ich noch daran, dass in Libyen gegenwärtig zwei Regierungen die Hoheit über das Land für sich in Anspruch nehmen, jene des ehemaligen Innenministers Fathi Bachagha im Osten und die von Abdelhamid Dbeibah im Westen. Im Dezember waren eigentlich Wahlen vorgesehen, aber die wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, womit die seit zehn Jahren bestehenden Spannungen andauern. Von Zürich ist Tripolis in Luftlinie 1658 Kilometer entfernt, Kiew 1635 Kilometer.

Kommentare
15.03.2022 / 18:06 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 15.3.. Vielen Dank !
 
17.03.2022 / 01:46 Konrad, Radio Dreyeckland, Freiburg
gesendet im mora
9:10 Uhr danke