Albert Jörimann - Keltinnen-Matriarchat

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Das Magazin Politico vergleicht die Haltung eurer ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel gegenüber Russland mit jener von Neville Chamberlain gegenüber Hitler. Damit kann man die Politico-Webseite gleich wieder schließen, denn dass Russland rechtzeitig zum 1. Mai herauskommt und den Dritten Weltkrieg beginnt, erscheint mir absolut unwahrscheinlich. Auch den 1. September 2022 halte ich nicht für ein mögliches Datum für den Ausbruch dieses Weltkrieges.
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11:33 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 29.03.2022 / 13:19

Dateizugriffe: 57

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 29.03.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Magazin Politico vergleicht die Haltung eurer ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel gegenüber Russland mit jener von Neville Chamberlain gegenüber Hitler. Damit kann man die Politico-Webseite gleich wieder schließen, denn dass Russland rechtzeitig zum 1. Mai herauskommt und den Dritten Weltkrieg beginnt, erscheint mir absolut unwahrscheinlich. Auch den 1. September 2022 halte ich nicht für ein mögliches Datum für den Ausbruch dieses Weltkrieges. Dagegen unterliegt offensichtlich das Magazin Politico dem gleichen Zwang wie alle anderen Medien, nämlich irgendeinen Quatsch abzusondern, der in der Küche der eigenen Vorurteile zusammen gebraut wurde und mit politischen, militärischen und globalen Realitäten nichts zu tun hat, Hauptsache, man hat ein bisschen Öl in die lodernde öffentliche Meinung gebrunzt. Und mit dieser Bemerkung habe ich hoffentlich mein wöchentliches Soll an Meinung zum russischen Krieg gegen die Ukraine erfüllt. Nein, einen habe ich noch: Ich halte all die Berichte über die Verheerungen des Krieges und die Gleichsetzung der Lage nach einem Bombenangriff mit der Hölle und das anklagende Wehklagen über einen russischen Bombenangriff auf ein Kinderspital für ziemlich bescheuert. Nicht weil sie sachlich falsch wären, sondern weil es sich um eine Form von Tautologie handelt. Krieg ist schrecklich, misslich, Krieg ist scheiße, weil er all das beinhaltet, was da beklagt wird, und darum muss man gegen den Krieg sein und sich gegen alle möglichen Ursachen von Kriegen einsetzen. Aber es ist nicht die Aufgabe der Medien und des öffentlichen Bewusstseins, nach jedem einzelnen Einschlag einer russischen Bombe irgendwo auf dem Territorium der Ukraine sofort die Apokalypse zu beschwören. Diese Sorte von Berichterstattung ist ein Krieg gegen die Köpfe, ein Verstoß gegen die Vernunft, eine Zuwiderhandlung gegen das Gebot, die Dinge so weit als möglich rational zu betrachten, um im besten Fall daraus Schlüsse und Konsequenzen abzuleiten. Zur Kriegsführung selber gibt es keine vernünftigen Berichte. Letztes Jahr ging der Afghanistan-Krieg zu Ende. Laut Wikipedia gab es dort vor elf Jahren, also im Jahr 2011, 3021 zivile Opfer. 77 Prozent seien Opfer der aufständischen Taliban und anderweitiger Dschihadisten gewesen, 14 Prozent seien bei Operationen der Nato und der afghanischen Armee gestorben. Einmal abgesehen von der Frage, was der nordatlantische Verteidigungspakt, also die Nato, ganz grundsätzlich-geografisch in Afghanistan zu suchen hat, erinnere ich an die andere Tatsache: ein erheblicher Anteil der Kriegsführung erfolgte von deutschem Boden aus, nämlich vom Zentrum für Drohnensteuerung in Rammstein. Nun will ich das nicht gegenrechnen mit den Zerstörungen und den Opfern in der Ukraine, ich will nur darauf hinweisen, dass Erscheinungen wie das Magazin Politico oder der US-amerikanische demokratische Präsident ihren Mund nicht so voll nehmen sollten.

So, das reicht jetzt mit dem täglichen Antiamerikanismus. Ich bin nämlich überzeugt, dass es in den Vereinigten Staaten sehr viele nette und interessante Menschen hat und dass man in den Vereinigten Staaten als kritische Journalistin nicht umgehend vom Geheimdienst erschossen wird, wie dies bei den Arschgeigen in Russland der Fall ist. Sicher gibt es auch hier Grenzfälle wie Julian Assange oder Edgar Snowdon, aber das US-amerikanische System ist auf jeden Fall um mehrere Kulturstufen weiter entwickelt als das, was ich vom russischen wahrnehme.

Sprechen wir von etwas anderem. Im Moment hat man es als weißer Mensch männlichen Geschlechts nicht so einfach wie auch schon, weil die Frauen aller Größen und Farben auf ihr Recht zur Gleichbehandlung drängen. Dass das positiv ist, brauche ich gegenüber euch, geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, nicht näher oder weiter zu begründen, das Patriarchat hat die Geschicke der Menschheit über tausende von Jahren hinweg bestimmt. Dass dabei immer auch Männer unter die Räder dieser Geschichte kamen, versteht sich von selber; die sozialistische Bewegung hat über Jahrzehnte hinweg die Meinung vertreten, dass die Befreiung der Frau eine logische und automatische Folge der Befreiung der ganzen Menschheit vom Joch der Kapitalisten sein werde. Nun hat man sich weder vom Kapitalismus so richtig befreien können, noch sind die Frauen in der sozialistischen Welt wirklich an der Spitze angekommen, wenn man von Figuren wie den Notenbankpräsidentinnen Christine Lagarde, Janet Yellen oder Elvira Sachipsadowna absieht, aber das sind ja gar keine Sozialistinnen. Deutschland hat in Sachen Regierungschefinnen seine Pflicht erfüllt mit Frau Merkel, die der Parteizugehörigkeit nach ebenfalls keine Sozialistin war, aber eine erstklassige Sozialdemokratin und selbstverständlich in nichts zu vergleichen mit Neville Chamber­lain, bis auf den Umstand, dass sich auch Chamberlain in den zwanziger Jahren mit einigen sozial­demokratischen Gesetzen einen guten Ruf bei den englischen Arbeiter:innen geschaffen hatte. Jetzt muss sich Deutschland respektive müsst Ihr, geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, euch entscheiden, ob mit Angela Merkel die Zeit der Frauen an der Spitze der Bundesregierung für die nächsten tausend Jahre wieder vorbei ist. So oder so: es waren 16 eindrückliche Jahre, die im öffentlichen Bewusstsein einen deutlichen Abdruck hinterlassen haben. In den Vereinigten Staaten wird man darauf noch etwas warten müssen, falls uns nicht der gebrech­liche Joe Biden noch vor Ablauf seiner Amtszeit auseinander fällt und Frau Kamala Harris dann von Amtes wegen seine Nachfolge antreten sollte. Wie ihre Chancen für eine reguläre Nachfolge stehen, also bei den nächsten ordentlichen Präsidentschaftswahlen, zu denen der alte Biden wohl kaum mehr antreten wird, ist schwer abzuschätzen; ihre Aussichten werden stark beeinflusst davon, wer ihr Gegner sein wird. Falls sich Donald Trump nochmals durchsetzt bei den Republikanern, dann kann sich Frau Harris «von» schreiben, denn Donald Trump zu schlagen dürfte für eine Frau eine einfache Angelegenheit sein. Wir werden es sehen.

Daneben sind laufend Fortschritte zu verzeichnen beim Marsch der Frauen durch die Institutionen. Es gibt tatsächlich immer mehr davon in wichtigen Entscheidungszirkeln, eure Frau von der Leyen ist ein gutes Beispiel als Präsidentin der EU-Kommission, die auch bei den Mitgliedern fast geschlechterparitätisch besetzt ist. Auf der Liste der reichsten Menschen dagegen findet man nach wie vor keine Frauen. Wenn Geld die Welt regiert, sind die Frauen also nach wie vor machtlos. Es ist da wohl kein großer Trost, wenn ich den Frauen dieser Welt hiermit mitteile, dass auch ich als weißer Mann männlichen Geschlechts voll und ganz machtlos bin.

Verschiedene Strömungen des Zeitgeistes setzen im Moment stark auf Frauen, unter anderem in der Kunst. Manchmal auch in der Geschichte; letzte Woche habe ich irgendwo einen Artikel gelesen, wonach die Kelten in ihrer Blütezeit matriarchal organisiert gewesen seien. Nun eignen sich die Kelten selbstverständlich für allen Blödsinn, weil man von ihnen fast nichts weiß bis auf gewisse Artefakte, Grabbeigaben und dann natürlich die Beschreibungen von Zeitgenossen wie Herodot bis zu Plutarch und Cäsar. Die Behauptung der mutterrechtlichen Organisation stützt sich vor allem auf ein paar Frauengräber, in welchen Waffen und schwere goldene Halsringe gefunden wurden, was zweifellos auf die prominente Stellung dieser Frauen hinweist, aber ebenso zweifellos kein Beleg für eine matriarchale Organisation dieser, vermutlich sowieso ziemlich heterogenen europäischen Bevöl­kerungsgruppe ist. Lustiger dünkt mich da schon eher der Umstand, dass sich mitten in den patriarchalischen Strukturen in Europa einige Frauen erheben, die in der Erbfolge an die Spitze der Machtelite gespült wurden, zum Beispiel Elisabeth I. von England. Aber davon abgesehen werden Frauen gegenwärtig sehr gerne in Kunstmuseen ausgestellt. In der Basler Fondation Beyeler zum Beispiel ist wieder mal Georgia O'Keeffe zu sehen, die gut 70 Jahre lang in den Vereinigten Staaten gemalt hat und in Basel vor allem mit ihren Blumenbildern vermarktet wird, welche in ihrer fleischlichen Körperlichkeit oft als Anspielungen auf Menschen und vor allem Frauen verstanden werden, was sie offenbar durchaus gegen ihren Willen zu einer Ikone von feministischen Künstlerinnen werden ließ. Ich selber sehe, abgesehen von der offensichtlichen Materialität dieser Blumenporträts, vor allem die Dokumente eines eigenständigen Werdegangs, der sich nur am Rand mit der Entwicklung der europäischen Moderne auseinandersetzt, dabei aber doch regelmäßig Elemente verschiedener Stilrichtungen aufgreift. Natürlich sehen dann hin und wieder auch Hügellandschaften aus wie geöffnete Schenkel, ich nehme mal an von Frauen, was man offensichtlich sowohl aus männlich voyeuristischer als auch aus feministischer Sicht loben kann. Wenn man will. Bei mir steht Frau O'Keeffe nicht zuoberst auf der Liste meiner bevorzugten Künstlerinnen und Künstler.

Dagegen hat Frau Nicole Eisenmann es auf Anhieb reicht weit nach oben geschafft. Letztes Jahr gab es eine große Retrospektive in Bielefeld, die ich vor einem Monat im Kunsthaus Aarau gesehen habe. In Bielefeld wurde offenbar vor fünf Jahren eine Brunnen-Skulptur, die Frau Eisenmann für das Festival «Skulptur Projekte» gestaltet hatte, von sogenannten Vandalen beschädigt, wobei sich der Vandalismus für einmal im Rahmen meiner Vorurteile hielt und mit Hakenkreuzen und homophoben Zeichen die üblichen Hinweise auf den barbarischen Kunstverstand von Leuten gab, die in der Regel die Allianz für Deutschland wählen. An dieser Stelle kann ich nicht unerwähnt lassen, dass ich wie alle anderen auch seit ein paar Tagen am Kunst- und überhaupt Verstand einiger Leute aus der Friday-for-Future-Kultur zweifle, nachdem die etwas von Aneignung fremder Kultur geschwafelt hatten und eine weiße Sängerin von einer Veranstaltung ausgeladen hatten, weil sie eine Rasta-Frisur trägt. Dem Aufschrei, der durch die Öffentlichkeit ging, ist grundsätzlich nichts hinzu zu fügen, nur eines will ich noch einmal deutlich sagen: Wenn die Klimaschützerinnen und die US-amerikanischen schwarzen Feministinnen – ich erinnere an die Auseinandersetzung über die Übersetzerperson für das Gedicht «The Hill we Climb» oder an die Belehrung, ich glaube, es war von Whoopi Goldberg, dass der Holocaust nichts mit Rassismus zu tun gehabt hätte, weil die Jüdinnen und Juden nicht schwarz gewesen seien –, wenn also diese Fachpersonen sich daran machen, einen neuen Begriff von reiner Rasse und Kultur zu schaffen, dann haben sie in mir einen erbitterten Gegner, und ich schrecke keine Sekunde davor zurück, sie auf die gleiche Stufe wie die erwähnten rechtsextremen Vandalen zu stellen. Nur damit dies noch gesagt ist. – Frau Eisenmann ist eine bekennende Feministin, und malen kann sie wie der Teufel oder wie die Frau Teufel, und zwar macht sie dies realistisch und bedient sich zum Teil des Mittels der Karikatur, nicht so extrem wie zum Beispiel Manfred Deix, aber ein Hang zur Deutlichkeit ist ihr nicht abzusprechen. Vor allem aber beherrscht sie nicht nur das Handwerk, sondern auch die Form und den Inhalt. Verschiedene Anspielungen zeigen, dass sie sehr genau weiß, in welchem Umfeld und in welcher Tradition sie malt und gestaltet; sie erinnert mich ein bisschen an Francis Bacon, obwohl sie dessen Wucht und Gültigkeit dann doch nicht erreicht, aber wer tut das schon außer Bacon selber. Nein, falls Euch diese Frau beziehungsweise ihre Werke mal über den Weg laufen, geht hin und schaut euch das an; sie ist nicht nur gut, sondern auch durchgängig witzig im allerbesten Sinne.

Kommentare
29.03.2022 / 18:00 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 29.3.. Vielen Dank !