Focus Europa 023 - Mittwoch 1.3.2006

ID 11689
 
Nachrichten

-Balkonmais gegen Genmais
-Weltweit gibt es 7.195 Parlamentarierinnen
-Frankreichs Gewerkschaften machen mobil gegen staatlich verordneten Zusammenschluß der Energiekonzerne Gaz de France und Suez
-Proteste gegen Bush in Indien

Hintergrund

-Die EU unterstützt die Hamas in Palästina

Interview

-Ukraine: Dimitrij Potechin zu den Wahlen
Audio
16:24 min, 15 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.03.2006 / 12:31

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, in anderen Sprachen, Frauen/Lesben, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Manu Wipperfürth, Nico Storz, Victoria
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 01.03.2006
keine Linzenz
Skript
Focus Europa Mittwoch, 1.März 2006

Jingle

Begrüßung

Willkommen zu Focus-Europa am Mittwoch, den 1. März 2006.
Heute bei uns:
wie die EU versucht, einen Weg mit der Hamas zu finden
und wie eine nichtregierungs Organisation in der Ukraine versucht, die Bürger vor der Wahl am 26. März aufzuklären

Zunächst aber wie gewohnt an dieser Stelle der aktuelle Nachrichtenüberblick.
Nachrichtenüberblick

Balkonmais gegen Genmais
Bis Ende April sollen in Deutschland auf 1.890 Hektar gentechnisch veränderter Mais angebaut werden. Aus einer breiten Protesthaltung heraus wird deswegen kommenden Samstag ein Aktionstag für gentechnikfreie Landwirtschaft stattfinden, für den zahlreiche Protestaktionen geplant sind.
Die Aktion Bantam-Mais zum Beispiel läuft bereits seit längerem. Laut Gesetz stehen jedem Maisbauer Informationen und Schutz zu, um den eigenen Maisbestand vor gentechnisch veränderten Pollen anderer Pflanzen zu schützen. Der Ansatzpunkt der Interessensgemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit ist hier, so viele Saatguthersteller wie möglich zu bekommen. Dazu haben sie 50.000 Tüten mit Bantammaissamen verschickt. Jeder, der diese auf auch noch so kleiner Fläche anpflanzt, hat das Recht zu erfahren, wo in seiner Nähe gentechnisch veränderter Mais angebaut wird und das Recht, vor diesem geschützt zu werden.
Nach Angaben von Bantam-Mais hat dies schon dazu geführt, dass gemeldete Genfelder in Bayern und Brandenburg wieder abgemeldet wurden.

Weltweit gibt es 7.195 Parlamentarierinnen
Die etwas über 7.000 Frauen in den nationalen Parlamenten der Welt stehen knapp 37.000 Männern gegenüber. In Prozent macht das 16,4 Prozent Frauenanteil. Nicht nur laut den Vorgaben einer UNO-Frauenkonferenz von 1995 ist das zu wenig. Zwar stieg der Frauenanteil in den letzten zehn Jahren von 11,3 auf 16,4 Prozent, doch der Mindestanspruch von 30 Prozent liegt scheinbar in weiter Ferne.
Die Interparlamentarische Union, welche die internationale Organisation der Parlamente unabhängiger Staaten ist, hat nun einen Bericht vorgelegt. Laut diesem Bericht ist Ruanda Weltspitze. Bei den Wahlen 2003 nach der neunjährigen Übergansperiode nach dem Völkermord, entfielen in Ruanda 48,8 Prozent der Parlamentssitze auf Frauen. Deutschland liegt auf Platz 16, die USA mit 15,2 Prozent hinter China mit 20,3. Schlusslicht bilden die arabischen Staaten wie Bahrain, die Emirate und Saudi-Arabien, in deren Volksvertretungen überhaupt keine Frauen sitzen. Irak nimmt mit Platz 26 die höchste Position bei den arabischen Staaten ein.
Doch die Quote allein ist nicht ausreichend. Sie stellt einen quantitativen Sprung dar, aber um das Ziel einer wirkungsvollen Geschlechtergleichheit in der Politik zu erreichen, müssen Quoten von einer Reihe anderer Maßnahmen begleitet werden – so eine Aussage des IPU-Berichts. Dazu zählen Trainingsprogramme, sozioökonomische und kulturelle Entwicklung und die Unterstützung durch internationale Organisationen.

Frankreichs Gewerkschaften machen mobil gegen staatlich verordneten Zusammenschluß der Energiekonzerne Gaz de France und Suez
Der größte französische Gewerkschaftsverband CGT hat die Angestellten des Staatskonzerns Gaz de France (GdF) und des Versorgungsunternehmens Suez zum Widerstand gegen die geplante Fusion aufgerufen. Die UNSA zeigte sich bestürzt über diese überstürzte Fusion. Die Gewerkschaft prangerte eine ideologische Vorgehensweise an, mit der man das nationale französische Gasunternehmen zerschlagen wolle. Durch die Fusion seien überdies Tausende Arbeitsplätze bedroht, betonte UNSA-Generalsekretär André Canovas. Er bedauere, daß eine bessere Lösung, nämlich eine Annäherung mit dem Schwesterunternehmen Electricité de France, »nie ins Auge gefaßt wurde«.
Als Alternative zur Fusion und zum Schutz der Unabhängigkeit von Suez schlägt die CGT eine Kapitalanhebung des Versorgers durch einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor. »Europa hat alles zu verlieren, indem es die Konkurrenz und Marktöffnung im Energiesektor fördert, die Übernahmeangebote schaffen, während die Verbraucher und Industriellen vor allem Preisstabilität brauchen« so die CGT weiter.

Proteste gegen Bush in Indien
»Kriegstreiber und »Blutdürstiges neokoloniales Monster« steht auf den Plakaten der Studenteninitiative »Bangalore Alive«. Deren Mitglieder protestierten am gestrigen Dienstag gegen den bevorstehenden Staatsbesuch des US-Präsidenten George W. Bush. Sowohl kommunistische Gruppen als auch islamische Verbände haben landesweit Proteste gegen die Außenpolitik Washingtons in Afghanistan und im Mittleren Osten angekündigt. Der US-Präsident weilt ab dem heutigen Mittwoch drei Tage lang zu Gesprächen in Indien. Sein Ziel ist es vor allem, einen Verkauf von amerikanischen Atomreaktoren weiter möglich zu machen. Der Besuch wurde schon im Vorfeld als Indiz für die neue Bedeutung gewertet, die Indien von den USA als strategischer Partner beigemessen wird.


Jingle: Hintergrund

Hintergrund: Hamas und EU (Nico)

Zuerst war die Freude groß, als die Palästinensischen Wahlen am 25. Januar diesen Jahres abgehalten wurden. Ein riesiger Schritt sei dies für die Region, ein Meilenstein für die Demokratie. Dann kam die Ernüchterung: Mit der Hamas hat nicht gerade die Partei gewonnen, die den Europäern am liebsten gewesen wäre.

Die Antwort kam prompt: Mit dieser Regierung werde die EU nicht zusammenarbeite, solange die Hamas nicht der Gewalt abschwört und Israel anerkennt. Die Hilfsgelder würden eingestellt und der Kontakt zur Autonomiebehörde nicht mehr fortgesetzt.

Nichts davon ist geschehen.

Die Hamas hat weder der Gewalt abgeschworen, noch Israel anerkannt – geschweige denn, ihre Waffen abgegeben. Und doch hat sich die EU-Kommission diesen Montag dafür entschieden, ihre Unterstützung für die Palästinenser-Regierung fortzusetzen. Zumindest bis zum April diesen Jahres.
Was war geschehen? Hat die Kommission schlagartig ihre Meinung geändert? Hatte sich die EU mit ihrer Rhetorik mal wieder vorschnell etwas übernommen?

Wir wollen von Vorne beginnen: Die Europäische Union ist der größte Finanzielle Geber für
die Palästinensischen Gebiete. Durchschnittlich knapp 200 Mio. Euro sind dies jählich, seit 1994. Das sind ungefähr 50% der gesamten internationalen Hilfe, die Palästina erhält.
Hinzu kommen Gelder in Millionenhöhe für die UNRWA, die sich um palästinensische
Flüchtlinge kümmert, sowie die bilateralen Zahlungen der europäischen Länder.
Die Philosophie, die dahinter steckt, ist einfach: Wenn sich die palästinensischen Gebiete mit Hilfe der Finanzhilfen wirtschaftlich entwickeln, werden die Palästinenser für den Friedensprozess eingenommen und den radikalen Kräften abschwören. Somit wäre die Grundlage für einen zukunftsfähigen palästinensischen Staat gelegt.

Mit dem Geld wurden Flughäfen gebaut, Fernsehstationen ausgerüstet, Schulen und Kindergärten errichtet. Es gibt kaum ein öffentliches Gebäude in den Palästinensergebieten, das nicht von der EU mitfinanziert wurde.. Eine Abkehr der Palästinenser von radikalen Methoden gab es jedoch nicht, wie der Ausbruch der zweiten Intifada im Herbst 2000 beweist.

Israel hat seine Zahlungen an Palästina bereits eingestellt. Ca. 50 Millionen Euro sind es jährlich, die der neuen Regierung nun fehlen. Damit will Israel die Palästinensische Autonomiegebiete austrocknen lassen und zu baldigen Neuwahlen bewegen. Die Palästinenser würden dann schon selber einsehen, dass es ihnen mit einer gemäßigten Regierung besser gehe.

Dazu müsste Israel jedoch die EU als größten Geldgeber mit ins Boot holen.
Die EU jedoch ahnt ganz anderes: Falls die Zahlungen ausblieben, würde dies eher die radikalen Kräfte in Palästina stärken. Radikale Islamische Regierungen wie die des Iran würden mit Finanzhilfen den Einfluss gewinnen, den die EU gleichzeitig verliert.

Es ist unwahrscheinlich, dass ein Zusammenbrechen der palästinensischen Regierung den demokratischen Prozess voranbringt, geschweige denn den Glauben der Palästinenser in die Demokratie stärkt. Dies sieht auch James Wolfensohn, der Sondergesandte des Nahostquartetts. Er forderte jüngst langfristige Hilfen auch für diese Palästinensische Regierung. Andernfalls drohe Gewalt und Chaos.

Die EU kam dieser Forderung nun nach, gut 121 Millionen Euro will sie für Palästina
bereitstellen. Sie wolle aber versuchen, so viel Geld wie möglich an der Hamas vorbeizuschleusen, um den Druck aufrechtzuerhalten. Ob dies realistisch ist, ist fraglich. Realistischer ist eher, dass die EU ihr Gesicht bewahren will, nachdem sie ihre vorschnellen Drohungen gegenüber der Hamas nicht wahr machen konnte.

Das die EU auch noch nach April Finanzhilfen bereitstellen wird, um Palästinanicht im Chaos untergehen zu lassen, ist wahrscheinlich. Man hofft auf eine Mäßigung der Hamas, die ja auch an verschiedenen Stellen, wenn auch meist rhetorisch, zu erkennen ist. Ein schnellerer Prozess wäre wohl auch kaum wünschenswert. Denn wenn die Hamas zu rasch von ihren alten Grundsätzen Abstand nimmt, würde sie die Partei spalten und mit Sicherheit die radikalen
Stimmen stärken.

Die Hamas freut sich derweil über jede Hilfe, die nicht an Bedingungen geknüpft ist. Und Israel gibt sich gegenüber der Botschaft aus Brüssel gelassen. „die EU und Israel hätten sich darauf geeinigt, nicht einig zu sein", so ein Sprecher der israelischen Regierung.

Musik

Jingle: Interview

Wahlen in der Ukraine (Viktoria)




Verabschiedung

Das war FocusEuropa am Mittwoch.
Danke fürs Zuhören und ein einen schönen Tag, sagen Viktoria, Manu und Nico.