"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Greta Thunberg

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Der nördliche Pol der globalen fortschrittlichen Regierungsachse zwischen Neuseeland und Finnland tanzt. Ich nehme an, dass dies auch Jacinda Ahern regelmässig tut, warum denn nicht, Tanzen soll gesund sein, habe ich gehört, die Durchblutung des ganzen Körpers fördern und die Hirntätigkeit anregen, ganz abgesehen von höchst erwünschten sozialen Kontakten.
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11:14 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.08.2022 / 12:40

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 23.08.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der nördliche Pol der globalen fortschrittlichen Regierungsachse zwischen Neuseeland und Finnland tanzt. Ich nehme an, dass dies auch Jacinda Ahern regelmässig tut, warum denn nicht, Tanzen soll gesund sein, habe ich gehört, die Durchblutung des ganzen Körpers fördern und die Hirntätigkeit anregen, ganz abgesehen von höchst erwünschten sozialen Kontakten.
Bloß gibt es in Neuseeland nach meinen Kenntnissen keine Partei der wahren Neuseeländer, das müsste ja eine Partei der Maori sein, und die tanzen meines Wissens ebenfalls sehr gerne, weil es eben gesund ist, aber eine entsprechende Partei gibt es nicht, im Gegensatz zu den wahren Finnen, die eine poli­ti­sche Rechtspartei betreiben, und da wären wir beim ersten politisch konkreten Vorschlag, dass sich die Allianz für Deutschland nun endlich umbenennt in wahre Deutsche. Oder wahre Kerndeutsche. Oder echte Germanen. Die definitive Namenswahl überlasse ich gerne den Betroffenen. Sie dürfen sich dann ebenso über irgendetwas aufregen, wie sich die wahren Finnen darüber aufregen, wenn Sanna Marin tanzt. Das ist schon ziemlich unerhört, dass sich eine Rechtspartei schon öffentlich darüber empört, wenn sich die Premierministerin in ihrer Freizeit mal etwas Entspannung gönnt, vor allem in Zeiten größerer Spannung. Es ist schon klar: Die wahren Finnen ärgern sich in Tat und Wahrheit nicht darüber, dass Sanna Marin tanzt, sondern dass sie atmet. Respektive amtet; als Person wäre Sanna Marin den wahren Finnen vermutlich egal, aber als Premierministerin eben nicht. Bis vor zwei Jahren krakeelten die wahren Deutschen ja aus voller Brust gegen Angela Merkel, obwohl von ihr nach meinem Kenntnisstand überhaupt nie ein Tanzbild publiziert wurde, ja, es ist nicht belegt, dass Angela Merkel überhaupt ein Tanzbein besaß. Trotzdem skandierten die Wahren Deutschen Woche für Wochen den Slogan «Merkel muss weg», bis sie dann endlich weg war, und was sie jetzt in die lauen Dresdener oder Zwickauer Nächte schreien, entzieht sich ebenfalls meinem Wissen. Es ist auch nicht besonders relevant; lustig ist bloß die Tatsache, dass sich der tief sitzende Groll der wahren Finnen-Männer gegen die fortschrittliche Frauenfigur an der Spitze der finnischen Regierung in einer derartigen Form entlädt, dass er wie ein neuseeländischer Boomerang direkt an ihre eigenen Hohlköpfe zurück schlägt. Die Weltgeschichte dagegen schreitet weiter, als wäre nichts gewesen, sie nimmt so etwas nicht einmal zur Kenntnis.

Ebenfalls nicht zur Kenntnis nimmt sie wohl die Tatsache, dass der Fußballspieler Toni Kroos einen Ferrari fährt oder der Rapper Haftbefehl einen Lamborghini, was mich zur Frage veranlasst, wie diese wunderbare Automarke zum Penisersatz für die Aufschneider aller Länder werden konnte. Die Antwort habe ich schon parat: Es ist zuviel Geld im Umlauf, nicht immer am richtigen Ort, zugegeben, aber Geld für einen Lamborghini ist eigentlich immer am richtigen Ort, nämlich im Lamborghini, was, wie gesagt, eine wunderbare, praktisch in nichts zu übertreffende Automarke ist; aber man sollte für den Erwerb in Zukunft einen Mindest-Intelligenzquotient von neun­und­sieb­zig­ein­halb ausweisen können, sonst wird die Marke zur Markenbotschafterin von Mackertum zum einen, übrigens in einer seltsamen Form, nämlich in der Form des sogenannten Flachpenis oder Biberschwanzes, zum anderen und noch viel schlimmer des schlechten Reimes.

Günter Jauch dagegen fährt einen Renault R4, wie mir das Fachmagazin Direct Healthy mitteilt, was ich für eine glatte Lüge zu Propagandazwecken halte, denn die R4 fahren längstens nicht mehr. Vielleicht hat sich Günter Jauch eine R4-Karosserie mit einem Lamborghini-Fahrgestell aufmöbeln lassen, aber ein original R4 bewegt sich heute, dreißig Jahre nach Produktion des allerletzten Fahrzeuges, nicht mehr vom Fleck, auch mit viel gutem Willen und schön Benzin nicht.

Bushido dagegen fährt trotz Zuhältergestus und Reimschwäche keinen Lamborghini, sondern einen Porsche, ebenso wie Udo Lindenbergh, wenn der denn überhaupt noch fahren kann oder überhaupt je selber gefahren ist. Sebastian Vettel und Mesut Ösil benutzen beide einen Aston Martin, welchen mir das Fachmagazin übrigens als Ashton Martin verkaufen will. Dass ich dieses schöne Fachwissen aus diesem schönen Fachmagazin aber überhaupt angehäuft habe, liegt an der Fangfrage, mit welcher Direct Healthy von einer ganz normalen Microsoft-Newsseite Menschen in seine Webseite hinein lockt, und die lautete: Welches Auto fährt Greta Thunberg? Ich war von dieser Frage authentisch schockiert. Greta fährt kein Auto nicht, die benutzt ja noch nicht mal ein Flugzeug, wenn sie über den Atlantik fährt, sondern ein Segelboot, wenn ich mich richtig erinnere, also was soll das! Aber doch: Nicht nur ist Greta Thunberg unterdessen 19-jährig, sondern fährt sie eben doch ein Auto, mindestens gemäß dem Fachmagazin, nämlich einen Tesla 3 im Wert von 35'000 Euro. Naja, ein Elektromobil, schön und gut, in Schweden braucht man vielleicht tatsächlich ein Auto, wenn man mal schnell aufs Land will oder muss, aber trotzdem, auch ein Elektromobil ist umwelttechnisch eine deutlich schlechtere Lösung als die öffentlichen Verkehrsmittel, was auch Frau Thunberg weiß.

Nun, wie so vieles, entpuppt sich die Meldung über Greta Thunbergs Tesla 3 als Blödsinn. Sie beruht auf der wahren Information, dass Sir Arnold Schwarzenegger ihr bei ihrer Umwelttour durch die Vereinigten Staaten im Jahr 2019 einen Tesla 3 zur Verfügung gestellt hat. Gefahren ist die damals 16-Jährige kaum selber. In other terms: Direct Healthy saugt mit einer Falschmeldung über die automobilistischen Tätigkeiten von Greta Thunberg die Aufmerksamkeit von Idioten wie mir auf ihre Webseite. Darauf geben Prominente Auskunft über ihre medizinischen Probleme oder Ansichten, und Direct Healthy selber beschreibt die eigene Unternehmensmission wie folgt: Wir glauben, dass ein optimaler Gesundheitszustand ein zentraler Bestandteil unseres Lebens ist. Dementsprechend wollen wir alle Informationen anbieten, die für eine gesunde Lebensführung wichtig sind. Ja, genau: Das Wissen darüber, wer welche Automarke fährt, ist also ein Bestandteil der Volksgesundheit.

Übrigens hat Greta Thunberg vor einem Monat ihre Teilnahme am europäischen Gipfeltreffen der Fridays for Future in Turin abgesagt, offiziell wegen logistischer Probleme, woraus man ableiten könnte, dass der Tesla streikte. Man könnte auch daraus ableiten, dass sie im 9-Euro-Chaos der Deutschen Bahn stecken geblieben ist. Jedenfalls erscheint beim Fischer-Verlag im Oktober ihr «Klima-Buch»; dass es massenhaft gekauft wird, steht außer Frage, und dass es nichts nützt, ebenso. Sie ist eine Ikone mit Asperger-Syndrom, was man auch nicht unterschätzen sollte, ich meine jetzt nicht das Asperger-Syndrom, sondern den Ikonen-Status; wer sonst würde es in die Spalten von Gala oder der Bunten schaffen und dort mindestens kleine Funken von Verständnis für die Klima-Thematik hinterlassen? Wobei allerdings Sachen wie der Hitzesommer, das Abschmelzen der Gletscher, das Auftauen des Permafrostes, das Auftauen des Nordpols etzetera etzetera eine deutlichere Sprache sprechen als alle Aussagen von Greta Thunberg; aber auch dies nützt nichts, wie es scheint. Vielleicht schaffen die hohen Benzinpreise mit der Zeit ein anderes Bewusstsein für die Klimafrage, auch wenn gar kein Zusammenhang zwischen den beiden Entwicklungen besteht.

Nach der Lektüre eines Interviews bin ich letzte Woche auf den Gedanken gekommen, dass der Aufstieg Chinas und seine territoriale Expansion vielleicht doch nicht so naturgesetzlich weitergehen, wie ich das bisher auch für mich immer unterstellt habe. Offenbar ist ein Nebenprodukt der gewaltigen Steigerung des Wohlstandes eine strukturelle Korruption, welche mittelfristig den inneren Zusammenhalt der relativ homogenen chinesischen Kerngesellschaft bedrohen könnte; vor allem aber ist unterdessen überall klar, dass die Volksrepublik China ihre Position als Produktionsstätte des globalen Reichtums gerne in politische Münze umsetzen würde, was sie übrigens in keiner Art und Weise von anderen Weltmächten unterscheidet. Bloß haben die chinesischen Ansprüche nicht nur den Schrecken oder Charme des Neuen, sondern sind seit ein paar Jahren ziemlich unverhohlen, was sich vor allem am Beispiel Hongkong gezeigt hat. Jetzt beginnen nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern vor allem Indien, das zudem noch andere regionalpolitische Gründe hat, ihre Abhängigkeit von den chinesischen Werkbänken nach Möglichkeit zu reduzieren, was unter anderem dadurch erleichtert wird, dass unterdessen auch die Produktionsmittel sehr billig geworden sind; von dem Punkt an, da die Produktionskosten tiefer sind als die Transportkosten, lohnt sich der Aufbau einer eigenen Produktion sogar wirtschaftlich wieder, ganz abgesehen von der politischen Dimension. Wir sind bei Weitem noch nicht so weit, die Vorherrschaft der chinesischen Produzent:innen in Frage zu stellen, ganz abgesehen davon, dass auch die Alternativen wie zum Beispiel Vietnam mehr oder weniger direkt in der Einflusszone Chinas liegen; aber die Anfänge sind gemacht, und sie sind wohl irreversibel. Das werden auch die Chines:innen realisiert haben, welche ganz offensichtlich auf keiner Ebene dumm sind. Die Expansion stößt an ihre Grenzen. Und ob sich China tatsächlich auf einen Krieg einlassen wird, zum Beispiel mit der militärischen Annexion Taiwans, ist durchaus nicht sicher. Aufrüsten ist das eine, die Qualität dieser Rüstungsgüter auch im Alltag zu beweisen, also eben in einem Krieg, das andere. In dieser Beziehung finden übrigens im Moment in der Ukraine ein paar interessante Experimente statt, wie ich an dieser Stelle auch schon ausgeführt habe.

In England wird gestreikt, während sich die Konservative Partei anschickt, eine Frau zur Vor­sit­zenden zu wählen, die sich als Neuauflage von Frau Margret Thatcher inszeniert, was insofern gut zusammen passt, als Margret Thatcher in den 1980-er Jahren tatsächlich die Schlagkraft der englischen Gewerkschaften entscheidend geschwächt hat. Allerdings war die wirtschaftliche und politische Lage damals ziemlich radikal anders als heute. Die Gewerkschaften erleben zum ersten Mal seit langer Zeit eine halbwegs erfolgreiche Zeit, wobei ihnen der Brexit eindeutig den Rücken gestärkt hat; Wirtschaft und Politik können nicht mehr so einfach ins Ausland ausweichen oder ausländische Billigarbeitskräfte einstellen wie in den Zeiten der radikalen Globalisierung. Die internationale Arbeiter:innenbewegung sollte dies allerdings nicht als Zeichen dafür verstehen, dass man jetzt sämtliche multilateralen Abkommen kündigen sollte und zurückkehren sollte in die Zeiten der rein nationalen Produktion. Es gibt Tendenzen in diese Richtung, wie gesagt auch im Rahmen der Reduktion des ökonomischen Gewichtes von China; aber für den echten und breiten Wohlstand hat eben trotz allem die Vollautomatisierung im globalen Rahmen gesorgt, die jetzt als nächste Stufe wieder eine teilweise Regionalisierung erlaubt. Die Beschäftigten aller Länder haben alles Interesse daran, diese Entwicklung unter dem Dach von internationalen Regelungen voranzutreiben, nicht durch die Wiedereinführung von nationalen oder gar regionalen Standards, Maßeinheiten oder gar Währungen. Dann würde am Schluss vielleicht sogar die Thüringer Rostbratwurst zu einer allgemein anerkannten Währungseinheit, im Gegenwert zum Beispiel von 15 Gulden rheinisch.