Sie bauten die ersten Tempel

ID 11733
 
Buchrezension des Buches SIe bauten die ersten Tempel von Klaus Schmidt
Audio
05:20 min, 5006 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.03.2006 / 10:56

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich: Andere, Kultur
Entstehung

AutorInnen: Thomas Schroedter & Susi Dieckfoß
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 03.03.2006
keine Linzenz
Skript
Schmidt, Klaus Sie bauten die ersten Tempel

Die Sensation an der Entdeckung der Ruinen Trojas durch Heinrich Schliemann war die Tatsache, dass eine literarische Quelle der Ausgangspunkt war, die in der Regel als Mythos eingeschätzt wurde. Die Ausgrabungen, das ein türkisch deutsches Projekt bei Urfa zu Tage brachten sind um ein vielfaches spektakulärer, werden aber bisher nur in der Fachwelt wahrgenommen. Klaus Schmidt hat mit „Sie bauten die ersten Tempel“ einen ersten Versuch vorgelegt, die Funde historisch einzuordnen und einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
Die über elftausend Jahre alten T-förmigen Pfeiler und ihre Verzierungen werfen Fragen auf, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, bis sie wenigstens zum Teil befriedigend beantwortet sind. Zu einer Zeit, als die Menschen die Landwirtschaft noch nicht erfunden hatten und es noch tausende von Jahren bis zur ersten Keramik dauert, wurde am „Göbekli Tepe“ ein Ort geschaffen, der so gar nicht dem Bild von „primitiven Gesellschaften“ entspricht. Der Bau der Anlage erforderte komplexe Organisationsformen. Klaus Schmidt schätzt, dass bis zu 500 Menschen nötig waren, um die 10 - 20 t (im Einzelfall auch 50 t) schweren Pfeiler in den Steinbrüchen der Umgebung zu brechen und 100 - 500 m weit zu transportieren. Wohngebäude wurden bislang keine gefunden, wohl aber "Sondergebäude", die wahrscheinlich für rituelle Zusammenkünfte genutzt wurden. Zu Anfang des 8. Jahrtausends v. Chr. verlor die Anlage ihre Bedeutung. Mit der Durchsetzung einer Lebensmittel produzierenden Gesellschaft scheinen auch die Kultstätten der Lebensmittel aneignenden Gesellschaft ihre Bedeutung verloren zu haben. Die Anlage ist aber nicht einfach in Vergessenheit geraten und im Laufe der Zeit durch die Kräfte der Natur verschüttet worden. Sie wurde vielmehr planmäßig mit 300 - 500 m3 Erde zugeschüttet. Warum dies geschah, ist eine der offenen Fragen.
In einem Buch, das zuweilen spannend wie ein Kriminalroman daherkommt stellt der Autor die Funde in den Zusammenhang mit anderen Funden im Bereich des „fruchtbaren Halbmonds“, der sich von der syrischen Mittelmeerküste bis zum persischen Golf erstreckt. Dabei werden dem Leserin und Leser nachdrücklich klar gemacht, dass „die Reduzierung der neolithischen Symbolwelt auf die Prinzipien Frau, Mann, Laben und Tod vielleicht etwas zu schlicht“ sind. „ Sollten wir den Menschen der Nacheiszeit nicht ein wenig mehr zutrauen? Verfüg­ ten sie nicht möglicherweise doch bereits über entwickelte mythische Bil­derwelten, die über den Rahmen der - wenn auch unbezweifelbar hochbe­deutenden - Konstanten allen Lebens hinausreichten, so daß sie in ihren Darstellungen nicht immer nur diese hätten monoton wiederholen müs­sen? Laufen wir nicht Gefahr, uns andernfalls in der Rückspiegelung eigener Vorstellungen vom «Primitiven» diese Welt à, la mode zurechtzudenken?
Die hier unvermeidliche Feststellung, daß solche Mythen wohl nie mehr zu rekonstruieren sein werden, mag entmutigen, doch - wenn ich es im Bild -und ein wenig salopp ausdrücken darf- erlaubt bereits das Betrachten der .«Kulissen» die Feststellung, daß hier einmal «großes Theater» und nicht nur schlichte Einakter gespielt wurden, auch wenn die Dramaturgie auf immer verloren ist.“
Der Einordnung in die nacheiszeitliche Geschichte beschreibt Klaus Schmidt sehr detailliert die einzelnen bisher ausgegrabenen Pfeiler. Dabei warnt er ein ums andere Mal vor voreiligen Interpretationen. Neben den Tierzeichnungen und den Reliefs sind auf den Pfeilern abstrakte Zeichen angebracht, die immer wieder kehren. „Am Göbekli Tepe sind die Zeichen nicht flüchtig in eine Felswand eingeritzt oder auf Kieselsteine aufgemalt, sie sind monumental auf T-Pfeilern in Relieftechnik ausgeführt und in einem Fundkontext angetroffen worden, der dem Bedeutungsgehalt des Wortes hieros - heilig - ohne Zweifel gerecht wird. Diese Zeichen bestehen aus kon­ kreten wie abstrakten Motiven. Sie sind in einer Weise aneinandergereiht, die eine logische Verknüpfung der Zeichenfolge sehr wahrscheinlich macht.“
Also nicht nur Bauten, die in diesem Umfang in so früher Zeit nicht vermutet wurden, sondern auch noch Vorformen einer Schrift in einer Gesellschaft deren Bild vom knüppelschwingenden Unhold nur schwer getilgt werden kann.
Im letzten Teil, des Buches wagt sich Klaus Schmidt an eine erste Interpretation. Hier beweist er, dass die Archäologie nicht nur auf penibel akribische Kleinarbeit angewiesen ist, sondern auch intelligente Phantasie gefragt ist. Klaus Schmidt als bekennender „nicht Esoteriker“ wagt sich erfreulicher Weise selten zu weit in das Reich der Spekulation. So liegt mit „Sie bauten die ersten Tempel“ ein reich illustriertes Buch über eine Ausgrabung vor, die unser Geschichtsbild nachhaltig verändern wird.
Das Buch von Klaus Schmidt: „Sie bauten die ersten Tempel“, ist im Januar im Verlag C.H. Beck erschienen und 282 Seiten inclusive. 106 Abbildungen und 2 Karten kosten gebunden 24.90 Euro