In Kassel findet noch bis zum 25. September 2022 die Documenta Fifteen statt. Seit der Eröffnung Mitte Juni steht die Documenta wegen offen gezeigten Antisemitismus in der Kritik. Bis heute wurde zum Teil kein angemessener Umgang mit Werken gefunden, die antisemitische Stereotype bedienen. Zwar ist die Documenta-Chefin Sabine Schormann zurückgetreten und das Wimmelbild des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wurde aufgrund seiner antisemitischen Darstellungen von der Documenta entfernt. Nun steht auch noch die Videoinstallation 'Tokyo Reels' in der Kritik. Darin werden japanische Propaganda Filme aus den 70er und 80er Jahren gezeigt, die klare antisemitische und israelfeindliche Stereotype bedienen. Die Videoinstallation ist schon seit der Eröffnung zu sehen, doch erst jetzt werden die Filme problematisiert und diskutiert. So kommt ein wissenschaftliches Gremium zu dem Schluss, dass die 'Tokyo Reels' nicht ohne angemessene Kontextualisierung gezeigt werden sollten. Dem schließen sich die Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die Stadt Kassel und das Land Hessen an. Die KuratorInnen-Gruppe Ruangrupa spricht hingegen von „Zensur“. Die Forderungen des Gremiums und der sie unterstützenden Staatsministerin bezeichnet Ruangrupa als „rassistische Tendenz“.

Wie diese Reaktion zu bewerten ist, und wieso erst jetzt über die 'Tokyo Reels' diskutiert wird, darüber sprachen wir mit dem Politikwissenschaftler Jakob Baier. Er stellt in einem Artikel in der taz die berechtigte Frage, ob die antisemitischen Werke niemand durchgesehen habe. Jakob Baier forscht an der Universität Bielefeld zum Thema Antisemitismus und hat sich bei einem Besuch der Documenta selbst ein Bild gemacht.