FESTUNG EUROPA: WEITERHIN TOTE AN SPANIENS GRENZEN - Radio Chapapote

ID 11908
 
Fast haben wir uns schon an die Meldungen von toten MigrantInnen in spanischen Küstengewässern gewöhnt. Jetzt starten die Boote immer häufiger in Mauretanien. (Kritik, Kommentare und Vorschläge bitte an: RadioChapapote@yahoo.es)
Audio
48:45:55 h, 6563 kB, mp3
mp3, 0 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 15.03.2006 / 11:45

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Zwischen Ceuta und La Jonquera
Entstehung

AutorInnen: Johannes Mahn
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 15.03.2006
keine Linzenz
Skript
Das war ja abzusehen. Vor den Kanarischen Inseln wurden Migrantenboote abgefangen, die ihre Reise- man höre und staune - in Mauretanien begonnen hatten. Die kürzest mögliche Verbindung zwischen Mauretanien und den Kanaren beträgt knapp 800 km. Eine 800 oder gar 1000 km lange Reise auf offenem Meer in nicht hochseetauglichen Booten und Schiffen - das birgt eine Menge Risiken. Erst kürzlich suchten spanische Rettungskreuzer nach einem solchen Boot, das in einen Sturm mit über sechs Meter hohen Wellen geraten war. Nur durch ein Wunder überlebten die Passagiere. Andere haben weniger Glück. Zwei gekenterte Boote mit insgesamt 45 Toten waren am 7. März zu beklagen. Aber wie gesagt, das war abzusehen.
Denn die Toten an Spaniens Außengrenzen sind das logische Ergebnis der Abschottungspolitik der Europäischen Union. Und dass die Boote nun immer öfter in Mauretanien ablegen, ist nur ein Beweis dafür, dass die Maßnahmen zur Hochrüstung der Grenzen Früchte tragen: Zuerst wurde die Straße von Gibraltar durch ein High-Tech-Überwachungssystem für MigrantInnen dicht gemacht. Später nach und nach auch die übrigen Küstenabschnitte des spanischen Festlands. Dadurch wichen die MigrantInnen immer öfter an die marokkanische Westküste aus und probierten von da aus die Überfahrt zu den Kanarischen Inseln. Oder sie versuchten ihr Glück am Zaun der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.
Nach den tödlichen Schüssen dort im vergangenen Herbst, die viel Aufsehen erregten, wurde der starke Druck auf Marokko noch erhöht. Die Erschossenen an der Grenze wollten nicht so recht zum Europa der Menschenrechte passen. Freilich hatte man aber keinerlei Bedenken, das Rückübernahmeabkommen zwischen Spanien und Marokko in Kraft zu setzen und die MigrantInnen ihrem Schicksal in Marokko zu überlassen, das nicht gerade berühmt für die Einhaltung der Menschenrechte ist.
Doch was die Grenzen anbelangt, hat Marokko seine Hausaufgaben gemacht und darf deshalb wohl mit Zugeständnisen und Wohlwollen von Seiten der EU rechnen. Die MigrantInnen dagegen weichen nach Mauretanien aus. Mit den eingangs beschriebenen Folgen.
Nun ist das Geschrei groß. Und das Wort von den Mafias ist wieder in aller Munde. Allmächtige Mafias, die skrupellos Menschen ausbeuteten. Mafias, die zu bekämpfen oberstes Ziel, jedoch extrem schwierig sei. Als ob die MigrantInnen von den Mafias zum Besteigen der Boote gezwungen würden.
Das Geschimpfe auf die Mafias aber ist reine Rhethorik. Hat irgendjemand ernsthaft geglaubt, dass sich die MigrantInnen durch das Stopfen eines Schlupflochs aufhalten ließen? Durch das Erhöhen der Zäune in Melilla etwa? Oder durch die bessere Überwachung der marokkanischen Küstengewässer? Nein, niemand kann das ernsthaft geglaubt haben, es sei denn, er ist hoffnungslos naiv. Oder nicht allzu intelligent.
Auch wenn die spanischen Politiker jetzt schreien - dass die MigrantInnen ihre gefährlichen Überfahrten nun in Mauretanien beginnen müssen, liegt in ihrem Kalkül. Denn auch wenn sie es noch so oft betonen. Ihnen geht es nicht um das Leben der ach so armen MigrantInnen. Ihnen geht es einfach darum, dass sie draußen bleiben. Draußen aus der EU. Und wenn sie es dennoch schaffen, dann sollen sie wenigstens keinen legalen Status haben und daher als Billigstarbeiter gut auszubeuten sein.
Hätte die Politik wirklich ein Interesse am Leben der Menschen, so hätte sie ihnen lediglich die bequeme Überfahrt in der Fähre von Ceuta oder Tanger auf das spanische Festland zu erlauben. Das würde zugleich auch die Mafias jeglicher Geschäftsgrundlage berauben.
Was jetzt geschehen wird? Nun, wahrscheinlich wird die Regierung Mauretaniens mit Zuckerbrot und Peitsche zur besseren Überwachung ihrer Küsten angehalten. Und demnächst starten die Boote dann im Senegal oder in Gambia. Oder wo sich eben sonst ein Schlupfloch auftut. Die verantwortlichen EU-Politiker wird es freuen. Denn je länger die Reise, desto weniger werden ankommen. Und wenn ich sage "die verantwortlichen EU-Politiker" dann will ich damit wirklich sagen, dass sie es sind, welche die Verantwortung für all die Toten an den EU-Außengrenzen tragen. Und nicht die Mafias. Die bieten - ganz kapitalistisch gesprochen - nur eine Diensleistung an. Und sind dabei hervorragende Sündenböcke.