"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Fernsehköche

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Diesmal hat der serbische Spitzenclown wieder einen Spitzenwitz gerissen: Er wolle die Nato darum bitten, Truppen in den Norden des Kosovo zu entsenden zur Stabilisierung der Lage, nachdem Vertreterinnen der serbischstämmigen Bevölkerungsmehrheit in Zvecan und Leposavic Straßenblockaden errichtet hatten.
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12:42 min, 29 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.12.2022 / 22:20

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen:
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 13.12.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Diesmal hat der serbische Spitzenclown wieder einen Spitzenwitz gerissen: Er wolle die Nato darum bitten, Truppen in den Norden des Kosovo zu entsenden zur Stabilisierung der Lage, nachdem Vertreterinnen der serbischstämmigen Bevölkerungsmehrheit in Zvecan und Leposavic Straßenblockaden errichtet hatten.
Sie protestieren gegen die Neuwahlen vom nächsten Wochen­ende, vor allem aber gegen die Einführung kosovarischer Autonummernschilder, die jetzt auf den nächsten Frühling verschoben wurde, um für etwas Ruhe im Kartong zu sorgen. Vukic will aber nicht irgendwelche Nato-Truppen, sondern geradewegs serbische Polizei- und Militärkräfte unter dem Nato-Kommando im Nordkosovo einsetzen gegen diese kriminellen Elemente und Unruhestifterinnen, denen er in der Praxis selber vorsteht. Es versteht sich von selber, dass Serbien gar nicht zur Nato gehört, sondern eher in den virtuellen Überresten des Warschauer Pakts verankert ist. Solche Kapriolen auf einem am Boden ausgestreckten Hochseil werden meiner Meinung nach von der internationalen Gemeinschaft einfach nicht richtig gewürdigt. Es steht zu vermuten, dass die Nato-Generäle sich vor lauter Lachen am Boden wälzen und dem Vucic bedeuten, er solle seine Truppen einfach vorsichtshalber mal in den Kosovo schicken, damit dort endlich einmal richtiges Menschenblut fließt – bisher gab es nämlich bei aller Aufregung noch keine Verletzten.

Kommen wir von den Spitzenclows zu den Spitzenköchen. Mal ehrlich: Fernseh-Köche als Reichs­bürger? Mir reicht ja schon, dass Frank Heppner der Vater der Freundin des österreichischen Fußballspielers David Alaba ist, was hat denn der noch bei der Patriotischen Union und sonstigen Patient:innen-Organisationen für Gedankenlöcher zu suchen? Der andere Koch, dieser Berliner da, der jetzt in der Türkei lebt, der Attila Hildmann, der passt mit seiner Mischung aus Natur­ver­göt­te­rung und Antisemitismus einigermaßen in mein Welt­bild, nicht zuletzt, weil sich die Naturvergöt­terung im Veganismus äußert, also in der Zuordnung einer menschlichen Seele nicht nur für jedes Tier, sondern auch für deren Produkte – ich spreche hiermit eine Verbraucher:innen-Warnung aus, Veganismus betreibt nicht nur Klimawandel durch die Ausweitung der Anbauflächen für Soja und Palmöl-Palmen, sondern ist insgesamt einfach eine gefährliche Erkrankung der oberen Kopf-Organe. Eben: Attila Hildmann ist ein erledigter Fall; aber jetzt ein normaler Fernseh-Koch? Und erst noch im Verbund mit normalen Ex-Bundeswehr-Elitesoldaten und gar einem ehemaligen Nato-General? Ich meine, ich habe soeben mein zirka fünftes Koch-Video zusammen geschnitten, bin ich nun auch von Schrum­mel- und Schrumpfel-Phantasien gefährdet? Wohl kaum, bei mir gibt es den koreanischen Eintopf Bibimbap, aber was Heppner und Hildmann zusammen kochen, da muss neben den normalen Ingredienzien noch weiterer starker Tobak drin stecken. Was mich übrigens daran erinnert, dass in der allgemeinen Corona-Ver­wir­rung auch einer der Besitzer der vegeta­ri­schen Restaurant-Gruppe Hiltl in Zürich unter geistigen Verdauungs­störungen litt. Heppner, Hild­mann, Hiltl, vielleicht sind Menschen mit einem Namen, der mit H beginnt, besonders gefährdet? Bei den Adeligen sind es dann die Vornamen, zum Beispiel Heinrich, Hein­rich der 13., Prinz Reuß, welche übrigens offenbar in der männlichen Nachkommenslinie alle Heinrich getauft werden mit einer Nummerierung, die jeweils zur Jahrhundertwende wieder auf null gestellt wird; Heinrich der 13. also, der zu allem Überfluss auch noch aus Thüringen stammt, mindestens über die Grablege dieser Greiz-Reuße in Gera, vornehmlich aber über das Jagdschloss Waidmannsheil in Bad Lobenstein. Die haben im Ernst Umsturzpläne entwickelt, unter anderem unter Beihilfe einer AfD-Bundesparlamentarierin, welche ihnen den Zugang zum Bundestag und damit zu den Büros jener Minister:innen verschafft hätte, welche sie verhaften wollten – was ist das? Ich meine, dass die AfD Politik macht mit geistigen Unschärfen, welche allerlei Wählerinnenstimmen aufs Konto spülen, das ist bekannt, aber dann nicht nur Möchtegern-Hitlers wie den Sven Höcke, sondern auch noch die Reichsbürger – also dieses Deutschland verstehe ich nicht, da müsste man vielleicht einmal eine Fernsehserie drehen drüber.

Was die individuelle Ebene angeht, so ist mir vollkommen klar, dass sich zahlreiche Menschen in der modernen Gesellschaft manipuliert und verarscht fühlen, wieso, sie sind es natürlich in der Praxis, wir alle werden bis zu einem gewissen Grad manipuliert und verarscht, das beginnt schon mit den geistig-moralischen Grundwerten, welche allzu klar erkennbar im Dienste einer bestimmten Ordnung stehen, nämlich der herrschenden. Stefan Gärtner schreibt in der November-Ausgabe der «Titanic»: Mündigkeit bedeutet, dass man sich nicht abfinden soll mit dem, was die Expropriateure anbieten, mit Vaterland, Kirche, Ordnung; dass er sich dabei auf Karl Marx bezieht, welcher möchte, dass der Mensch wieder Mensch werde, indem er aus den Zwängen der Arbeitsteilung her­aus­tritt, versteht sich von selber, aber eben, auch die Reichsbürger:innen und die Bekämpferin­nen jeglicher aufgeklärter Vernunft schreien die gleichen Parolen, nur dass sie sich nicht auf die Expropriateure beziehen, sondern auf die Weltverschwörer, immer mit gemeint dabei ist das Weltjudentum, und die Befreiung wird nicht dadurch vollzogen, dass das Individuum im Rahmen der historisch fortschrittlichen Klasse zu seiner Mündigkeit respektive zu seiner Individualität findet, was auch immer das im Konkreten für kollektive Bedingungen mit einschließen wird, sondern durch die Liquidation dieser Individualität im Rahmen des kollektiven Applauses für die Nazi- und Veganerclowns in allen Berufen der Gesellschaft.

Ich muss diese Aussage insofern relativieren, als mit den neuen Kommunikationsmitteln auch neue Kommunikationsebenen entstanden sind, mit denen ich mich noch nicht endgültig zurecht finde, im Besonderen was die Bedeutung der einzelnen Clownerien für die Praxis beziehungsweise für eine allfällige gesellschaftliche Aktion angeht. Die Erstürmung des Capitol Hill im Januar 2021 habe ich vor dem Fernsehen live mitverfolgt und war zu keiner Sekunde auch nur entfernt im Glauben, dass das politische System der Vereinigten Staaten in Gefahr war, über den Haufen gekarrt zu werden; insofern war es gute und absehbar folgenlose Unterhaltung, aber eben, auch hier verbunden mit dem wohligen Schauern davor, was da einzelne Gruppen und Personen für politische Operetten in Szene setzen außerhalb jener, die bekannt und anerkannt ist und Politik genannt wird. Ähnlich verhält es sich mit den Reichsbürger:innen. Die spinnen, nehme ich mal vorsichtshalber an, aber sendet mir eine E-Mail, falls sich das ändern sollte und das Heer der Verschwörer:innen tatsächlich zum Umsturz respektive zur Gründung einer neuen Weltordnung ansetzt – das möchte ich um keinen Preis verpassen.

In der Zwischenzeit sehe ich gewisse politphysikalische Konstanten experimentell bestätigt durch den neuesten Korruptionsfall im EU-Parlament, namentlich was die sozialistischen Abgeordneten angeht, über welche ich jeweils im Rahmen der Hinweise auf die Sozialistische Internationale zu lästern pflege. Dies ist wirklich eine Internationale, nämlich eine des Schmiergeldes. Bei den Verhafteten, für die selbstverständlich eine Generalunschuldsvermutung gilt, handelt es sich insgesamt um Menschen mit einer reichen Vergangenheit in Gruppen zur Bekämpfung von Korruption und zur Förderung der Arbeitnehmer:innen-Rechte. Sie spiegeln auf diese Art das, was ich von Möchtegernfaschistinnen wie Giorgia Meloni annehme, dass nämlich ihr Vokabular auf spektakuläre Art im Gegensatz dazu steht, was sie dann in Tat und Wahrheit tun. Bei den Sozialist:innen, korrekter: bei den Sozialdemokrat:innen vor allem in der südlichen Hälfte des Kontinentes ist dies eine lang etablierte Tradition. Im Norden dagegen sind die Sozial­demo­krat:in­nen schon so lange selber an der Macht, dass sie eben das geprägt haben, was mir als die dem modernen Kapitalismus angemessene Staatsform erscheint, ein sozialdemokratischer Konsens, bei dem nicht nur die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten gesichert wird, sondern auch die Ertragssicherheit der investierten Kapitalien. Das funktioniert seit Jahrzehnten zur allgemeinen Zufriedenheit und benötigt weiter auch keine Bestechung.

Wieso es übrigens im vorliegenden Fall dysfunktioniert, muss tatsächlich in der Natur der südlichen Sozialdemokratie liegen, denn derartige Kapitalmächte wie das Emirat Katar benötigen doch in der Regel keine Korruptionszahlungen, um ihren Willen durchzusetzen. Sie haben die aktuelle Fußball­weltmeisterschaften gekauft, so wie sie zuvor Paris St-Germain gekauft haben, da sehe ich auch rückblickend keine Notwendigkeit für eine Bestechung; das bestehende System Fifa reichte dazu vollständig. Es gilt ganz allgemein: Der Kapitalismus ist keine Verschwörung, er ist das System, und dieses System braucht eigentlich niemanden zu bestechen, es sei denn, es handle sich um Italien zum Beispiel oder um Griechenland, wo die Relikte prähistorischer Sozialorganisation in die modernen Staaten hinein geflochten sind. Aber die Katari können sich doch ganz normale Lobbyunternehmen leisten, was braucht es da noch Bargeld für sozialdemokratische Parla­mentarier:innen? Das ist doch zum Fenster hinausgeschmissenes Geld, wobei es sein könnte, dass die Katari gar nicht gemerkt haben, dass sie da gerade irgendwen schmieren.

Kürzlich habe ich das Buch «Und wenn es die Zeit nicht gäbe?» des italienischen Physikers Carlo Rovelli gelesen, ein Kollege hat es mir ausgeliehen. Nicht, dass ich mich in den Grundlagen der Raumzeit, der Energie-Masse-Formeln oder der Quantenphysik auch nur entfernt auskennen täte, aber das Gebiet interessiert mich selbstverständlich, und ich nehme die neueren Erkenntnisse immer wieder zu mir wie eine Medizin oder vielleicht genauer: wie die neuesten Märchen. Rovelli schreibt nicht nur über das Verschwinden der Zeit-Dimension in den kleinsten Bereichen der Physik, sondern er erwähnt auch so Dinge wie den Re-bounce, also dass alles darauf hinweist, dass vor dem Urknall noch etwas anderes gewesen sei, als dessen Echo der Urknall sozusagen aufgefasst werden müsse. Er schreibt von der granularen Struktur des Raums, davon, dass es den Raum eigentlich gar nicht gebe, sondern nur die Spannungs- und Bewegungsfelder der, wenn der Begriff erlaubt ist, Quantenkörner, also lauter Dinge, die man mit Staunen zur Kenntnis nimmt, ebenso wie die Aus­ein­andersetzungen zwischen Anhänger:innen der Strings- und der Schleifen-Theorie und solche Sachen. Er spricht von der Entwicklung der Physik als Wissenschaft und insonderheit davon, dass es sich hier, wie auch andernorts, um eine stete Abfolge von Revolutionen handelt, um die serielle Umwälzung jeweils dessen, was man bis zu einem gewissen Zeitpunkt als gegeben, sicher und ewig gültig gehalten habe. «An der Universität werden die Naturwissenschaften häufig als eine Ansammlung feststehender Tatsachen und Gesetze gelehrt», schreibt Rovelli und fährt fort: «Diese Art des Unterrichtens übt Verrat an dem eigentlichen Wesen naturwissenschaftlichen Denkens.» Das gefällt mir; und auch der andere Satz zum Ende des Buches gefällt mir: «Trotz allen Spannungen glaube ich, dass inzwischen eine planetare Zivilisation in Entwicklung begriffen ist und Gestalt annimmt. Wie Menschen gedeihen Zivilisationen durch Mischung und stagnieren, wenn sie sich abschotten. Darum ist die heutige Globalisierung eine großartige Chance für die Menschheit, selbst wenn diese Globalisierung manchmal beunruhigend ist. Das naturwissenschaftliche Denken in all seiner dynamischen und rationalen Kraft, dieses bedeutende Erbe der antiken griechischen Zivilisation, das vom modernen Europa wiedergefunden und weiterentwickelt wurde, stellt vielleicht mehr noch als die Literatur, die schönen Künste oder die Philosophie das Herz des kulturellen Erbes dar, das Europa in die Welt trägt. Die Dynamik, die Fähigkeit, seine eigenen Fundamente in Frage zu stellen, die das wissenschaftliche Denken so mächtig und so zuverlässig gemacht hat, kann auch zu einer der Wurzeln eines künftigen europäischen Erfolgs werden.» Ja, ja, zeig's ihnen, Carlo Rovelli!