"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Genderwahn

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Vielleicht wird das Aussehen in der Politik unterschätzt, vor allem in einer Zeit, da sich die großen Volksparteien nicht mehr wesentlich voneinander unterscheiden. Allerdings gelten beim politischen Aussehen andere Kriterien als beim allgemeinen Aussehen; eine Influencerin mit 3 Zentimeter langen Wimpern würden sich wohl nicht mal ihre Follower als Kanzlerin wünschen. Vielleicht ist die Wirksamkeit des politischen Daherkommens mit den beiden Figuren Angela Merkel und Olaf Scholz gar nicht so schlecht eingefasst.
Audio
11:17 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.03.2023 / 09:16

Dateizugriffe: 88

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 01.03.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Vielleicht wird das Aussehen in der Politik unterschätzt, vor allem in einer Zeit, da sich die großen Volksparteien nicht mehr wesentlich voneinander unterscheiden. Allerdings gelten beim politischen Aussehen andere Kriterien als beim allgemeinen Aussehen; eine Influencerin mit 3 Zentimeter langen Wimpern würden sich wohl nicht mal ihre Follower als Kanzlerin wünschen. Vielleicht ist die Wirksamkeit des politischen Daherkommens mit den beiden Figuren Angela Merkel und Olaf Scholz gar nicht so schlecht eingefasst.
Die Grünen sind mit zwei Leitfiguren in der Regierung vertreten, deren optische Wirkung die Publikumsgunst in beide Richtungen verstärkt: Wenn es Habeck gut läuft, passt das zum Cowboy-Gesicht mit Dreitagebart, wenn er im Verteidigungs­modus ist, macht er den Eindruck eines mittelmäßigen Schauspielers. Frau Baerbock gerät sichtbar oft in Versuchung, schön zu sein, und dann wieder möchte sie es vermeiden, es ist verzwickt. Verzwickt ist es aber auch, dass ich mir überhaupt Gedanken mache über solche Dinge und vor allem bei eurem Personal in der hohen Politik, ganz abgesehen von den wirklich memorablen Figuren Amthor mit seiner Mischung aus Streber und Beamten vor der sexuellen Revolution im Jahr 1968 oder dem gegelten CSU-Minister von Württemberg oder so, die in ihren Sphären ganz einfach archaetypisch wirken – was erst recht völliger Blödsinn ist. Eine:n Politiker:in misst man nicht an ihrem Aussehen, und trotzdem kommen auch sie um ein Aussehen nicht herum, aber es hat absolut keinen Zweck, sich darüber auch nur den Hauch eines Gedankens zu machen oder einen solchen sogar zu äußern, wie ich dies gerade im Begriff bin zu tun. Aber das hat alles einen Grund, nämlich ist auch in der Schweiz ein Wahljahr, und unsere Rechtspopulisten haben eine Frau zur Wahlkampfleiterin bestimmt, welche mir mit ihrem Äußeren fast noch mehr auf den Sack geht als mit ihren Positionen, und zwar sieht sie einfach aus wie der Greulix aus dem Asterix-Band «Der große Graben», das heißt, ihre Mundwinkel ziehen beide grässlich nach unten, während sie das Kinn nach oben reckt, was ihr ein furchtbar fischähnliches Aussehen verschafft. Das alles könnte mir noch egal sein, wenn diese Partei nicht seit Jahrzehnten ihr Personal nach dem Motto bestellt: Gebt mir eine Million Schweizer Franken, und ich mache euch einen Kartoffelsack zum Regie­rungsrat. Mit anderen Worten: An dieser Figur ist nichts zufällig, und in diese Figur hat die Partei zig tausend Franken nicht nur an Styling, sondern auch an Medientraining investiert, sodass sie tatsächlich auch nicht mehr wie eine Frau daherkommt, sondern,naja, eben, wie ein Hering, nein, besser: wie ein richtiges Es, wie der Prototyp eines neuen, ungeschlechtlichen Geschlechts, was vor allem deshalb so richtig in die Zeit passt, weil dieses Es im Auftrag der besagten Werbe­agen­tur den Haupt-Kampfspruch für die diesjährige Wahlkampagne unablässig wiederholt: Gegen den Genderwahn! Das SVP-Es ist gegen den Genderwahn!

Na gut, sie ist nicht allein damit, weder in ihrer Partei noch überhaupt, ich nehme an, dass sich auch in Deutschland schon bewaffnete Widerstandsnester gegen den Genderwahn eingerichtet haben, aber eben, es gibt bei Euch nicht so eine heimelige Wahlkampfauseinandersetzung, in welcher unser Es seine absolut inhaltleeren und sinnlosen Genderwahn-Kampfschreie ausstößt. So etwas findet sich wirklich nur in der Schweiz. Übrigens kandidiert die Frau im Sinne des eben erwähnten Werbespruchs mit der Million Franken und dem Kartoffelsack auch noch als Regierungsrätin für den Kanton St. Gallen, also für einen Sitz in der Kantonsregierung. Ich bin nicht wahlberechtigt im Kanton St. Gallen, aber nur schon das Zuschauen schmerzt recht stark. Es kommt ja dazu, dass auf der anderen Seite der physio­gno­mi­schen Skala tektonische Veränderungen stattfinden: Jacinda Ardern hat das Regieren dicke in Neuseeland, und Sanna Marins Posten in Finnland sieht im Moment auch nicht so besonders sicher aus. An wem soll sich denn der moderne Mann noch orientieren? Wir leben in schwierigen Zeiten. Auch zum Ukrainekrieg sollte man sich anlässlich des einjährigen Jubiläums des Einmarsches der Russen äußern, aber da fällt mir einfach nix Neues ein. Zum Krieg ist alles Wesentliche gesagt seit mehr oder weniger 350 Jahren mit dem Simplicissimus. Die Fülle an Artikeln und Berichten über Verlust und Verluste, Schmerzen, Verletzungen und so weiter trägt in keiner Weise zur Hebung meines Informationsstandes, dagegen aber sehr wohl zur Sättigung meiner Aufnahmekapazitäten bei. Manchmal stellt sich ungewollt Heiterkeit ein, zum Beispiel, wenn irgendwelche russischen Stabsoffiziere davon phantasieren, Frankreich dem Erdboden gleichzumachen, das Vereinigte Königreich grad noch hintendrein und überhaupt. Der Krieg ist per Definition auch eine Sache der Propaganda, hüben wie drüben, aber grad solche verbalen Arschbomben sind im Alltag doch eher dem serbischen Regierungschef vorbehalten, seit Donald Trump abgewählt wurde. Was soll's, er möge einfach aufhören, der Krieg, so schnell als möglich, dieser Krieg und auch alle anderen, um die wir uns in der Regel eher weniger kümmern, weil sie weiter weg sind, obwohl es auch dort regelmäßig sehr schöne Leichen in sehr großer Zahl gibt.

Und wenn wir gerade vom Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und Saudiarabien im Jemen sprechen: Ihr habt es sicher auch mitbekommen, dass neuerdings saudiarabische Frauen in einigen Discos Sound auflegen dürfen! Der Kashoggi-Mörder Bin Salman reagiert auf die Frauenproteste im Iran gegen die iranische Regierung durch die unkontrollierte Befreiung der Frau in Saudi­ara­bien! Mit diesem Kollateralschaden haben die iranischen Frauen vermutlich nicht gerechnet, aber umgekehrt ist nicht damit zu rechnen, dass sie jetzt in Scharen zum Wahabitismus überlaufen. Das wäre eine weitere schlechte Pointe in diesen an schlechten Pointen nicht armen Zeit.

Übrigens scheint der Kashoggi-Mörder Bin Salman noch weitere unkontrollierte Regungen zu verspüren, zum Beispiel einen abgrundtiefen Neid auf die zeitweisen Erz- und Erbfeinde in Qatar nach deren Durchführung der Fußball-WM; wie man hört, will er das jetzt selber auch, die Rezeptur für die Bewerbung kennt er bereits, respektive über das notwendige Kleingeld, um die Kandidatur zu kaufen, verfügt Saudiarabien in der ganz kleinen Kasse, noch nicht mal der Portokasse, vielleicht im Sparschwein für die Frauen des Landes, daran wird es nicht liegen; und auch bei der Verleihung des durchsichtigen Nachthemdes an Lionel Messi bei der WM-Siegesfeier hat sich der Neid des Mörders geregt, und er hat sich den ewigen Konkurrenten Messis, den Inbegriff des infantilen Super­menschen mit Namen Cristiano Ronaldo für die saudiarabische Fußballmeisterschaft geangelt mit dem Ziel, ihn mittelfristig in den Botschafter für die WM-Bewerbung von Saudiarabien umzufunktionieren. Warum auch nicht. Wie gesagt, wir warten gespannt auf eine Bewerbung aus der arabischen Halbinsel zur Austragung der Winterolympiade. Das von ihnen geförderte Erdöl wird zwar von den zivilisierten Nationen zu CO2 umgewandelt und in die Atmosphäre geblasen, sodass zum Beispiel der eben zu Ende gehende Winter schon mal knapp 3 Grad wärmer war als die bisherigen Durchschnittswerte, was unter anderem dazu führt, dass kaum mehr Schnee liegt im Gebirg, dass man also mit Kunstschnee nachhelfen muss, wenn es überhaupt geht; da ist es nur logisch, dass die Araber, welche man bis jetzt noch nicht in den Genuss eines Gendersternchens oder der weiblichen Ergänzungsform in den Bezeichnungen gelangen lassen kann, ihren Kunst­schnee gleich selber anbauen und mit dem vielen Geld, das sie von den zivilisierten Nationen für ihre CO2-Wandler erhalten, gleich selber gigantische Kühlhallen bauen, in denen dann in Zukunft alle Wintersportarten auf der ganzen Welt betrieben werden.

Die Wahlen in Nigeria bieten wieder einmal eine Gelegenheit, Urteile und Vorurteile über den afrikanischen Kontinent aufzufrischen, aus meiner Sicht nicht in erster Linie wegen der verbreiteten Armut in diesem reichen Land, sondern weil die physische Erschließung des Landes, also ins­be­son­dere der Straßenverkehr, mit Ausnahme der ökonomisch vitalen Achsen für normale Menschen nur noch unter Abgabe von verschiedenen Zöllen an verschiedene Wegelagerer möglich ist. Den Behörden respektive dem Staat insgesamt ist das völlig schnuppe. In Europa hat man Weg- und Brückenzölle im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts abgeschafft. Zuvor dienten sie nicht nur als Einnahmequelle für die Inhaber der entsprechenden Rechte, sondern auch zu Reparatur und Unterhalt der entsprechenden Infrastrukturen. Das wird man von den nigerianischen Wegelagerern nun nicht behaupten. Sie holen sich, ganz im Geiste des Herolds des freien Unternehmertums, ihr Geld einfach dort, wo es möglich ist, und wenn der Staat sie halt lässt, weil es in der Regierung und in der Verwaltung niemanden interessiert, so haben sie letztlich recht in ihrem Tun. Ich habe davon übrigens zum ersten mal vor über 15 Jahren von solchen Zollstellen in Nigeria gehört, damals von einem Nigerianer, der seine Familie in der Provinz Benin besuchte. Das Phänomen ist also nicht neu, es kommt nur anlässlich der Wahlen wieder mal ins Bewusstsein, ebenso wie die Tatsache, dass sich Regierung um Regierung nicht um solchen Plunder kümmert, wo es doch darum geht, den großen CO2-Wandler Erdöl zu möglichst hohen Renditen für die eigenen Clans und Kundschaft an die internationale Staatengemeinschaft, will sagen an die internationalen Automobilist:innen zu verhökern. Mir will scheinen, dass auch der Strahlemann der diesjährigen Wahl, Peter Obi, trotz seinem Star-Wars-Name keine besonderen Energien auf die Änderung der Straßenverkehrsregeln im Lande verschwenden wird. Bis das definitive Ergebnis feststeht, soll es noch ein paar Tage dauern; unterdessen hört man von den üblichen Problemen bei der Ermittlung und Übertragung der Wahlresultate, man hört die üblichen Vorwürfe über Wahlbetrug, welche hier allerdings nicht auf venezolanische Auszählungsmaschinen oder -software zurückgeführt werden,wie in den Vereinigten Staaten, sondern ganz einfach auf Manipulationen. Immerhin verlief die Wahl selber bisher friedlich; die demokratische Form wurde gewahrt, was wieder mal beweist, dass es für Diebstahl und Misswirtschaft durchaus nicht zwingend der Form der Diktatur bedarf.

Soll man Nigeria und Afrika insgesamt dafür verdammen? Auf keinen Fall. Man muss die Gesellschaften einfach als das sehen, was sie sind: Bevölkerungen, die sich nach wie vor auf dem Weg aus Stammes- und zum Teil Kolonialgesellschaften in die Moderne befinden. Ich kenne kein Rezept dafür, wie man so etwas korrekt und rasch abspulen könnte. Ich weiß nur, dass der Westen nach dem Kolonialismus immer wieder auch schöne Vorschläge geliefert hat, zum Beispiel unter dem Titel Good Governance, unter deren Deckmantel es die lokalen Machthaber:innen immer wieder schafften, Budgetposten aller Art auf ihre eigenen Konten umzuleiten. Good Governance ist das perfekte Wording für die Ausplünderung des Staatsapparates. Dieser Praxis und dieser Mentalität entgegenzutreten, braucht Unabhängigkeit und Grips. Als erster Schritt ist wohl der Verzicht auf den antikolonialistischen Diskurs am Platz, der jetzt seit den 1970-er Jahren als Ausrede für alle Fehlleistungen gedient hat. Jetzt muss an den Universitäten, vielleicht sogar an den Rechtsabteilungen der Diskurs über die Funktion und die Einrichtung des Staates entbrennen. Unterstützung dafür sucht man lieber nicht bei der Sozialistischen Internationale, sondern vielleicht bei einigen erfolgreichen einheimischen Milliardär:innen. Wer weiß.