Diario de una prostituta argentina

ID 12148
 
Das Tagebuch einer argentinischen Prostituierte ist die fragmentarische Erzählung einer jungen Frau aus Argentinien die ohne es wirklich zu wollen, in einem Bordell in Frankfurt zu arbeiten anfing.
Das ist ein Interview mit der Autorin von dem Buch, Diario de una prostituta argentina, das im Juni 2004 erschienen ist.

"Diario de una prostituta argentina"
Verlag: Universidad Javeriana
204 Seiten
ISBN: 958-683-680-0
Audio
08:19 min, 7802 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.04.2006 / 11:44

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, in anderen Sprachen, Frauen/Lesben, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Redaktion: Lourdes Guerra /Technik: Jochen Lüttich u. Marie Kopp
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 30.03.2006
keine Linzenz
Skript
INTERVIEW MIT DER AUTORIN CLAUDIA MINOLITI


I. Anmoderation


„Die Prostitution als das Geheimnis der Prostitution“


So beschreibt Claudia Minoliti es in ihrem Buch „Tagebuch einer argentinischen Prostituierten“.

Ist es wirklich so? Wird die Prostitution hauptsächlich von lateinamerikanischen Frauen ausgeübt? Inwiefern ist das Bild der Prostitution von unseren eigenen Vorstellungen und Clisches geprägt?

In ihrer Betrachtung von diesem Millieu distanziert sich die Autorin Claudia Minoliti, von den klassischen Sichtweisen der Prostitution und stellt sie als eine Welt dar, die eine ganz gewöhnliche Art der Kapitalismus sei.

Sie sind weder Opfer noch Helden: es sind einfach Frauen – die, die Ausübung der Prostitution als eine ihrer Finanzierungsquellen gewählt haben.

Lourdes Guerra, von Radio Unerhört Marburg, sprach mit der Autorin Claudia Minoliti über ihr Buch „Tagebuch einer argentinischen Prostituierten“



II. INTERVIEW CLAUDIA MINOLITI


Einleitung:

Das Tagebuch einer argentinischen Prostituierten, Diario de una prostituta argentina, ist die fragmentierte Erzählung einer jungen Frau aus Argentinien, die ohne es wirklich zu wollen, in einem Bordell in Frankfurt zu arbeiten anfing.
Wir sprechen mit der Autorin Claudia Minoliti von dem Buch, Diario de una prostituta argentina.

1. Wie enstand die Idee für das Buch?

Ich arbeitete in einem Projekt mit Frauen aus Lateinamerika in Frankfurt. Meine Funktion war diese Frauen zu beraten. Auf dieser Weise lernte ich viele lateinamerikanische Frauen kennen, die beim Rot-Millieu von Frankfurt tätig waren.
Ehrlich gesagt, muss gestehen, dass ich nicht genug vorbereitet war, um dieser Welt zu begegnen.
Mich hat die Arbeit sehr betroffen gemacht. Damit ich meinen Mann mit meinen ganzen Erlebnissen nicht verückt machte, begann ich eines Tages zu Hause die Geschichten zu schreiben. Am Anfang waren es nur Bruchstücke, einzelne Gedanken ohne roten Fahden, von dem was ich sah, hörte und dachte, die ich aufschrieb. Für mich war es an erster Stelle eine Art mich auszusprechen und zu entlasten. Es war meine Form, die Erlebnisse vom Tag zu verdauen.
Das war eigentlich der Anfang vom Buch. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich noch nicht vorgehabt ein Buch zu schreiben; es waren einfach nur Gedankenfragmente, die ich aufs Papier brachte.
Dann irgendwann mit der Zeit bekam ich die Idee ein Buch aus diesen tausend Stücken zu schreiben und eine Hauptfigur zu erfinden, die die Erzählung einen roten Fahden brachte.

2. Die Hauptfigur teilt ihr Schicksal mit vielen anderen lateinamerikanischen Frauen, die sich einen Zeitlang in ihrem Leben ihren Unterhalt mit der Prosititution verdienen. Die grosse Mehrheit der Frauen besitzt keinen gültigen Aufenthalterlaubnis; sie sind „ohne Papiere“ da.
In Ihrem Buch gerät die Protagonistin in die Welt der Prostitution ohne es vor gehabt zu haben, ohne es wirklich zu denken, dass so was ihr passieren könnte. Es geschah praktisch von heute auf morgen, ohne dass ihr es bewusst wurde.
Inwiefern ist der Eintritt in die Prostitution eine freiwillige Entscheidung?

Ja, viele Frauen, die ich gekannt habe, haben auf dieser Weise mit der Prostitution angefangen – fast zufälliger.
Diese Geschichte, die ich in dem Buch schildere, wurde mir teilweise von einer Frau erzählt. Diese Frau erzählt mir Schritt für Schritt, wie sie nach Frankfurt kam, zunächst am Flughafen, dann wie sie die S-Bahn nahm – ohne ein Wort deutsch zu können und immer wurde ihr von Leuten geholfen, die ein wenig spanisch konnten – bis sie am Hauptbahnhof in Frankfurt ankam. Dort ging sie raus und kam an einer Telefonzelle vorbei, bei der ein paar Leute spanisch miteinander sprachen. Sie unterhielt sich mit ihnen und zwei Tage später, war sie in einem der Häuser, in der die Prostitution ausgeübt wird.
Die Geschichte im Buch ist auch das Resultat aus der Erzählung von vielen anderen Frauen, die Ähnliches erfahren haben. Viele Frauen, die hier ohne Papiere leben, entscheiden sich für die Prostitution als Alternative; falls sie nicht genug Geld verdienen um die Miete zu bezahlen, oder zum Beispiel, wenn sie keine zweiten Putzjob finden…dann ist die Prostitution da, als Alternative…

3. Sie haben in Ihrem Buch, nicht nur die fiktive Geschichte der Protagonistin dargestellt, sondern auch die von vielen anderen Fällen, die mit sehr genauen Daten, Angaben und Schilderungen belegt werden. Gibt es Ihrer Meinung nach viel Unwissen und Ignoranz über die Prostitution?

Ja, ich bin mir sicher, dass viel Unwissen und Ignoranz in bezug auf die Prostitution gibt. Und ich fange dabei bei mir selber an. Am Anfang hatte ich überhaupt kein konkretes Wissen über diese eigene Welt, die auch unsere ist; natürlich hatte ich, wie jeder von uns, meine eigenen Vorstellungen und Ideen über die Prostitution, aber ich wusste nicht wie diese Frauen wirklich arbeiten.
Dennoch Buch ist kein Beispiel für die Ausübung der Prostitution, sondern vielmehr ein Bruchteil aus der Welt dieser ausländischen Frauen, die in diesem Millieu arbeiten. Sie arbeiten in den „Häusern“, in den „casas“ wie sie sie nennen. Dort gibt es keine Cafés, keine Aufenthaltsräume, keine Shows - es gibt nichts. Es sind Frauen, die selbständig arbeiten, in der Regel ohne Zuhälter. Sie mieten dort ein Zimmer in einem der Häuser und warten an der Tür bis ein Kunde vorbeikommt.
Für mich ist das Buch die Erzählung von dieser konkreten Sorte von Prostitution.

Ich denke, dass so wie ich, viele andere Menschen, vor allem Frauen, nicht von diesem Umfeld wissen. Die Männer, die diesen Service nutzen, haben wahrscheinlich eine klarerer Vorstellung, aber sie sprechen nicht darüber. darüber wird nie gesprochen.


4. Zu welchem Bild positionieren sie sich: Die Prostitution als etwas strafbares oder die Prostituierten als Opfer?

Da ich im Rotlichtmillieu mit Frauen gearbeitet habe, war es nicht schwer sich von dem Bild der Prostitution als etwas strafbares zu distanzieren. Es ist schwieriger sich von der Sichtweise, die die Prostituierten als Opfer sich zu trennen. Das war genau das Bild, das ich am Anfang selber hatte, bevor ich anfing mit den Frauen zu arbeiten.
Aber irgendwann musste ich dieses Bild aufgeben, weil ich eine andere Welt entdeckt habe. Ich entdeckte dabei starke Frauen, sehr starke Frauen, die aus der Not eine Tugend machen. Sie arbeiten wann und wie sie können, um Geld zu verdienen, das sie nach Hause schicken, um ihre Familie zu ernähren. Es gibt ganze Familien, die von den Gehältern dieser Frauen abhängig sind.
Es sind Frauen, die wählen, wie, wo und mit welcher Intensität sie arbeiten möchten, und auch welchen Service sie anbieten und welchen nicht.