Putschexpertin Nuland - Jörg Kronauer in der 'jungen welt' vom 09.08.2023

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Putschexpertin Nuland

Wer weiß, wie man Umstürze fabriziert, wird vielleicht auch schaffen, einen Putsch rückgängig zu machen. Das mag die US-Regierung sich gedacht haben, als sie ausgerechnet Victoria Nuland am Montag zu Verhandlungen mit der Junta nach Niger entsandte. Nuland, zur Zeit nicht nur Staatssekretärin für politische Angelegenheiten im State Department, sondern seit kurzem auch geschäftsführende Vizeaußenministerin, hat sich ihre Karriere im Februar 2014 verdient, als sie gemeinsam und in Rivalität (»Fuck the EU!«) mit ihrer EU-Kollegin Helga Schmid den Sturz des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch herbeiführte. In Niamey wünscht Washington – gemeinsam und in Rivalität mit Frankreich – aktuell vor allem den Rückzug der Putschisten und eine Wiedereinsetzung von Präsident Mohammed Bazoum. Ihre Gespräche in der nigrischen Hauptstadt seien »sehr offen und bisweilen ziemlich schwierig« gewesen, teilte Nuland anschließend mit. Das klingt nach kräftigen Differenzen am oberen Ende der Brüllskala.

Für Washington steht in Niger nicht wenig auf dem Spiel. Die ­US-Streitkräfte unterhalten im Norden des Landes, nahe Agadez, eine der größten Drohnenbasen der Welt, für deren Bau sie mehr als 100 Millionen US-Dollar ausgegeben haben. Von dort aus überwachen sie weite Teile des Sahel und der Sahara. Insgesamt sind rund tausend US-Militärs in Niger stationiert, viele von ihnen in Agadez, andere zeitweise in Arlit, ganz in der Nähe der nigrischen Uranlagerstätten, oder in der Oase Dirkou, von der aus man Einblicke in das Treiben der Netzwerke von Schmugglern und Dschihadisten in der Sahara gewinnen kann. US-Militärs halten zudem Kontakt zu den nigrischen Streitkräften, von denen in den vergangenen Jahren mehr als 300 Militärs in den USA ausgebildet wurden. Einer von denen ist Brigadegeneral ­Moussa Salaou Barmou, bis vor kurzem Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte. Noch im Juni tauschte er sich in Agadez mit hochrangigen US-Offizieren über den Krieg gegen Dschihadisten aus.

Dann nahm Barmou am Putsch teil und wurde am Samstag zum neuen Generalstabschef ernannt. Er war einer der Putschisten, die Nuland nun traf. Mit Juntachef ­Abdourahamane Omar Tchiani sprechen durfte sie nicht. Die Lage ist vertrackt. Bislang hat die neue Militärregierung nur die Abkommen zur Militärkooperation mit Frankreich annulliert, die US-Streitkräfte, die im Sahel ihr eigenes Ding machen, sind davon nicht betroffen. Weiß man aber, ob es dabei bleibt? Davon abgesehen: Bislang ist es bloß ein Gerücht, dass Niamey russische Militärs und Söldner ins Land holen will. Was, wenn das geschieht? Dann könnten russische Soldaten womöglich auf der nigrischen Air Base 201, an die die US-Drohnenbasis grenzt, Quartier beziehen. Washington hat also erheblichen Bedarf an Verhandlungen – und vielleicht noch mehr. Prinzipiell kann man selbstverständlich auch Putschisten stürzen. Ob Nuland es kann – wer weiß.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/456519....
Audio
05:25 min, 7503 kB, mp3
mp3, 188 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 20.08.2023 / 17:09

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Entstehung

AutorInnen: Antikriegsradio im Querfunk, Karlsruhe
Kontakt: antikriegsradio_R(at)querfunk.de
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 20.08.2023
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