"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Rishis Sister

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Kürzlich erfuhr ich, dass die Schwester des englischen Premierministers Rishi Sunak erstens eine der reichsten Inderinnen ist. Mein Erstaunen hielt sich in Grenzen, nachdem ja schon seine Frau eine der reichsten, ich kenne ihre Zugehörigkeit nicht einmal im Detail und bin zu faul, im weisen Buch des Fähnleins Fieselschweif nachzuschlagen: Ist sie vielleicht Monegassin?
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11:19 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.08.2023 / 23:16

Dateizugriffe: 60

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 23.08.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kürzlich erfuhr ich, dass die Schwester des englischen Premierministers Rishi Sunak erstens eine der reichsten Inderinnen ist. Mein Erstaunen hielt sich in Grenzen, nachdem ja schon seine Frau eine der reichsten, ich kenne ihre Zugehörigkeit nicht einmal im Detail und bin zu faul, im weisen Buch des Fähnleins Fieselschweif nachzuschlagen: Ist sie vielleicht Monegassin?

Ganz sicher ist sie über ihre Heirat mit einem Engländer Engländerin, aber ebenso sicher hat sie in England lange Zeit keine Steuern bezahlt oder nur eine minimale Kopfsteuer, auch zu jener Zeit noch, als ihr ange­heirateter Ehemann bereits Premierminister dieses Landes war. Bevor ich genug Atem habe, um den Satz zu beenden, muss ich dieses atemberaubende Setting nochmals wiederholen: Der Premier­mi­nis­ter Englands stammt aus einer der reichsten Familien Indiens und schnallt nicht mal, dass seine Frau in England keine Steuern zahlt. Also zu Beginn, jedenfalls, jetzt wird sie irgend­einen Deal mit der englischen Steuerbehörde unterzeichnet haben oder er, ihr Ehemann, an ihrer Statt und quasi mit sich selber. Ich bin sicher, dass jede und jeder von Euch, geschätzte Hörerinnen und Hörer, diesen Deal persönlich freihändig in die Luft zeichnen kann. Steuern? Ist das etwas zum Essen? Das ist nicht mein Geschmack. So tönt es bei den reichen Säcken weltweit, aber in England stellen die Superreichen tatsächlich den Regierungschef. Sonst lassen sie solche Aufgaben doch durch irgendwelche Lakaien und Clowns erledigen. Was ist da los? Plant Indien vielleicht die Übernahme Englands?

Was ich nicht richtig verstehe, ist die Tatsache, dass ausgerechnet in Zeiten des aufgekochten Nationalismus, der in England zu nichts weniger als zum Austritt aus der Europäischen Union geführt hat, irgendein daher gelaufener Sprössling einer sehr stark ausländischen Multimilliardärs­familie mit Unterstützung der ultranationalistischen Boulevardmedien, die sich übrigens im Besitz eines australischen Multimilliardärs befinden, nicht nur für eine führende ausführende Funktion in der englischen Politik in Betracht gezogen, sondern dafür auch tatsächlich ausgewählt wird. Es versteht sich von selber, dass so etwas in anderen Ländern einfach ausgeschlossen wäre. Dass es in England geschieht, hängt damit zusammen, dass die irgendwie und irgendwo im kollektiven Bewusstsein noch einen Kolonialismus-Defekt haben, dass für sie also sowohl Australien mit der ihm innewohnenden Murdoch-Familie als auch Indien mit dem von ihm ausgeschiedenen Rishi Sunak als Teil des British Empire betrachten. Für Deutschland jedenfalls wäre es unvorstellbar, dass der Schwiegervater von Marc Zuckerberg oder die Schwiegertochter von Bill Gates zur Bundeskanzlerin gewählt würde. Elon Musk hätte zweifellos das Zeuchs für eine AfD-Kandidatur, aber der macht das auch nicht. Obwohl es vielleicht weniger schwierig wäre, als eine bemannte Mars-Mission auf die Beine zu stellen beziehungsweise in die Luft beziehungsweise in das Weltall zu schießen, nämlich, sagen wir mal einem Werbebudget von 20 Milliarden Euro im nächsten Wahlkampf die AfD zur stärksten Partei zu machen.

Aber zurück zu Rishi Sunak beziehungsweise zu seiner Schwester. Ich erfuhr nicht nur, dass sie eine der reichsten Inderinnen ist, sondern auch, dass sie jeweils einen eigenen Löffel mitzuführen pflegt. Andere reiche Inderinnen sind da weniger bescheiden, sie nehmen auch ihre eigenen Köchinnen und Köche mit. Bei der Schwester ging es nur um den Löffel, und zwar, weil diese Frau Vegetarierin ist und nicht will, dass ihr Mund von irgendetwas berührt wird, das jemals etwa mit dem Fleisch unschuldiger Tierleichen in Berührung gekommen ist. Darum das eigene Löffelchen. Kann sie halten, wie sie will, meiner Meinung nach, es gibt voll ausgebaute Religionen, welche das Besteck rein halten, die jüdische zum Beispiel mit dem Besteck für das Milchige und für das Fleischige und was weiß ich, was zu einer sehr aufwändigen Lebensführung führt mit Geschirrschränken von fast unendlicher Tiefe – ich weiß es doch nicht, aber dass es eine koschere Küche gibt, welche sich grundsätzlich nicht groß von den Grundsätzen der islamischen Halal-Küche unterscheidet, wie ich annehme, all das weiß ich, und insofern bräuchte ich mich auch bei der Schwester von Rishi Sunak nicht aufzuhalten, aber so, wie es aussieht, interpretieren böswillige Zungen das im indischen Indien, also nicht in England, sondern eben in Indien so, dass bei der Schwester von Rishi Sunak das Löffelchen mit seinem Reinheitsgebot ein Zeichen gegen das Unreine sei, und damit eben auch gegen unreine Kasten.
So, jetzt ist es raus, nur um dieses kleine Detail ging es, das begleitet wird vom zwar verbotenen, aber weiterhin den Alltag bestimmenden Kastendenken in Indien, das sich nicht zuletzt darin äußert, dass fast alle reichen Säcke daselbst der Klasse der Brahmanen angehört. Und jetzt will ich grad aufhören mit meinen bescheidenen Indisch-Kenntnissen und ebenfalls mit meinen Englischkenntnissen und Rishi Sunak einen guten Tag wünschen, gleichzeitig aber noch meiner Ablehnung von jeder Form von Superreichtum Ausdruck geben: Es mag Menschen geben, die durch die Gunst der Stunde, zum Beispiel in der Folge einer Technologierevolution, zu unverschämtem Reichtum gekommen sind, wir haben das in der Telekommunikation beobachtet ebenso wie in der Informationstechnologie. In der Regel aber wachsen Milliardärinnen aus dem Beet vorher bestehender Milliarden, und überhaupt ist es für eine moderne Gesellschaft eigentlich nicht zulässig, dass derartige Unterschiede im Vermögen bestehen zwischen einzelnen Individuen und Familien gegenüber dem großen Rest; in einer sozialdemokratischen Version des Staates müsste eigentlich das Steuersystem für einen gewissen Ausgleich sorgen, aber da der Reichtum global organisiert ist, während sich das internationale Proletariat in nationalistischem Taumel in ebenso viele Fraktionen aufsplittert, wie es Länder gibt auf der Erde, haben die Reichen in Steuersachen einen gewaltigen Vorsprung. Und so weiter und so fort, geschätzte Hörerinnen und Hörer, ihr kennt das Problem ebenso gut wie ich.

«Diesen Sieg widme ich dem guatemaltekischen Volk. Von nun an werden wir vereint als Volk von Guatemala den Kampf gegen die Korruption aufnehmen», sagte Bernardo Arévalo am Sonntag, als er zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärt wurde. Das ist eine schöne Aussage, wie sie jedem Staatsmann geziemt und wie man sie denn auch aus jedem Staatsmann heraus hört nach einem Wahlsieg, auch von jenen, welche die Korruption selber betreiben und organisieren, denn das hätte ja noch gefehlt, dass jemand in einen Wahlkampf zieht mit der Korruption als Wahlprogramm. Mindestens als offizielles Programm. Aber dem neuen Präsidenten kann man sicher den Willen nicht absprechen, dass er zumindest den Versuch starten wird, gegen den Filz und gegen das Verbrechen im Lande vorzugehen. Guatemala hat in den letzten Jahren immer wieder seltsame Regierungen produziert, die sich unter anderem von Geistheilern beraten ließen; auch in dieser Beziehung ist Arévalo sicher nicht anfällig. Aber die Lage im Land ist nach wie vor schwierig. Die herrschende Oligarchie wird Arévalo nicht ausschalten können, weil die nicht nur die Fäden ziehen, sondern auch die Produktionsmittel besitzen, und ohne dieselben kann man keine Wirtschaftspolitik betreiben. Ein großes Problem war schon immer der Umgang mit der indigenen Bevölkerung, die in den Slums der Hauptstadt oder in den bergigen Landregionen wohnt und eine Tradition des Unterdrücktwerdens aufweist, die sich gewaschen hat. Im gleichen Ausmaß wie die Unterdrückung haben sich auch alte Strukturen und Denkweisen erhalten, was mit ein Grund dafür gewesen sein mag, dass im Präsidentenpalast die erwähnten Geistheiler ein und ausgingen. Dass Guatemala nicht am Panamakanal, aber doch an einer Drogenhauptstraße liegt, verbessert die Ausgangssituation auch nicht. Was auch immer: Bis jetzt hat es noch keinen Aufstand der Eliten gegeben gegen das Wahlresultat, was angesichts der Bemühungen, Arévalo bei den Wahlen Steine in den Weg zu legen, nicht gerade selbstverständlich ist. Der abtretende Präsident Alejandro Giammatei hat ihm umgehend zu seinem Wahlsieg gratuliert. Nun wird sich zeigen, welchen Weg Arévalo einschlägt. Jener von Nayib Bukele in El Salvador erscheint eher unwahrscheinlich, da El Salvador eine recht unterschiedliche geografische und Bevölkerungsstruktur aufweist. Mal sehen.

Am 1. Juli trat eine neue Regelung in Kraft, welche es den Inhabern von entsprechenden Visen in Neuseeland erlaubt, direkt die australische Staatsbürgerschaft zu beantragen, ohne zuvor einen ständigen Wohnsitz in Australien gehabt zu haben. Mit diesem Visum konnten bisher neuseeländische Staatsangehörige in Australien ohne zeitliche Beschränkung arbeiten, studieren oder sich einfach dort aufhalten. Die australische Regierung schränkte vor über 20 Jahren allerdings den Zugang zu Sozialleistungen ein und verlangte eine dauerhafte Niederlassung vor dem Antrag auf Staatsbürgerschaft; letztere wurde nun wieder aufgehoben. Bisher haben über 15'000 Neuseeländerinnen von dieser neuen Regelung Gebrauch gemacht, was 375 Anträgen pro Tag entspricht. 500 Personen haben bereits einen Einbürgerungstest bestanden und werden demnächst mit dem australischen Pass ausgestattet. Das finde ich eine lustige Erweiterung der bekannt restriktiven Einwanderungs- beziehungsweise Einbürgerungspraxis in Australien; offenbar gilt dort für Neuseeland ungefähr das gleiche, was dem Engländer und der Engländerin die Inderin und der Inder ist.

In etwa drei Monaten wird auch in Neuseeland gewählt. Von Meinungsumfragen kann man halten, was man will; in Deutschland zum Beispiel sind im Moment zwei Drittel der Bewohnerinnen unzufrieden mit der Regierung, wofür man aus neutraler Sicht ein gewisses Verständnis hat, nicht aber mit der Begründung und auch nicht mit den Ursachen, die nicht nur bei der Regierung liegen, sondern auch bei den unflätigen Angriffen der Idioten aus der CDU und vor allem aus der Partei der ehemaligen Verkehrsminister mit dem Tropenkopf Söder an der Spitze, und vor allem würde eine Meinungsumfrage im Ausland ergeben, dass zwei Drittel der Befragten unzufrieden sind mit der deutschen Bevölkerung, welche sich nicht entblödet, zu einem Fünftel mit einer Partei mit Nazisympathien zu sympathisieren, aber was auch immer. In Neuseeland zeigen die Meinungsumfragen die eher rechtsstehende Nationalpartei vorne mit knapp 37%, während die Unterstützung für Labour um 3.6 Prozentpunkte zurückgefallen ist auf 32.3%. Ein Grund für diese Abnahme sind verschiedene Ereignisse auf Ministerebene, so zum Beispiel der Rücktritt von Kiri Allan wegen eines Autounfalls, in dessen Folge sie sich weigerte, einem Polizeibeamten auf den Posten zu folgen; zuvor war der Transport- und Immigrationsminister Michael Wood zurückgetreten, der versucht hatte, einen Interessenkonflikt wegen in seinem Besitz befindlicher Unternehmensanteile zu vertuschen; im März hatte es den Polizeiminister Stuart Nash erwischt, der entlassen wurde, nachdem ans Licht gekommen war, dass er vertrauliche Informationen an seine Unterstützerinnen weitergegeben hatte, und Zoliminister Meka Whaitiri wurde gefeuert, als er in die Te-Pati-Maori-Partei übergetreten war. Der Premierminister Chris Hipkins hält sich in der ganzen Sache aber erstaunlich gut; seine Unterstützungswerte sind sogar gestiegen auf 24% imVergleich zum Konkurrenten Luxon, der aktuell bei knapp 16% liegt. Bei den Parteien folgen weiter hinten Act up mit 12% und die Grünen mit 10%, die Populisten mit dem schönen Namen New Zealand First stehen im Moment bei 4.1%, sie müssen noch ein bisschen zulegen, um die 5%-Hürde, die auch in Neuseeland besteht, zu überwinden. Te Pati Maori steht bei 2.7%, wobei für diese Indigenen-Partei möglicherweise eine Sonderregelung besteht.

Kommentare
24.08.2023 / 17:56 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 24.08.. Vielen Dank !