die Entwicklungen in Nepal

ID 12423
 
Nepal ist in den letzen Tagen öfter selbst in deutschen Zeitungen auf den Titelseiten erschiene, was ist vor Ort passiert, und wie sind die Erfolge der AktivistInnen zu bewerten...
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Upload vom 27.04.2006 / 18:19

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Beitragsart:
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Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Karin
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 27.04.2006
keine Linzenz
Skript
Erfolge auf ganzer Linie ?!?– Kommentar zu den Entwicklungen in Nepal

Gyanendra hatte 2001 nach dem ungeklärten Massaker an der Königsfamilie den Thron über-nommen, unter Ausnahmezuständen und handverlesenen Ministern regiert die seit 2002 jegli-cher demokratischer Legitimität entbehrten und im Februar 2005 schließlich im sogenannten „royal take over“, die Macht gänzlich an sich gerissen und nur noch durch die Unterstützung des Militär- und Sicherheitsapparates geherrscht.

Im November 2005 kam es zu einem Bündnis zwischen den sieben nennenswerten politischen Parteien (SPA) und den maoistischen Rebellen. Sie erklärten in einem 12 Punkte Papier den König und die Monarchie als DIE Grundprobleme Nepals, einigten sich auf die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung und der Widerherstellung des Parlamentes zur Umsetzung bedingungsloser Demokratie.

Dieser seit langem verheißungsvollste Schritt in der politischen Szenerie Nepals führte zu einer völligen Isolierung des Königs, der sich einer neuen Front aus sowohl zivilgesellschaft-lichen Akteuren, Menschenrechtsgruppen -aktivistInnen, Parteien und Maoisten gegenüber sah.

Beginnend noch Ende 2005 wurde von allen Kräften versucht mit Demonstrationen, Veran-staltungen immer mehr Menschen und immer öfter in Protesten für eine bedingungslose De-mokratie auf die Straße zu mobilisieren. Es verging faktisch kein Tag, an dem nicht landes-weit über mindestens 3 Demonstrationen im Fernsehen mit mehreren Tausend bis Zehntau-senden und später sogar Hunderttausenden Teilnehmern berichtet wurde.

Ende Januar konnte der König eine weitangekündigte Großdemonstration des gemeinsamen Bündnisses von Parteien, Maoisten und MenschenrechtsaktivstInnen nur noch durch massive Verhaftungswellen, das Verhängen von Ausgangssperren, Panzerpatrouillen und angeordne-tem Schußbefehl verhindern. Ein ohnmächtiges und das Letzte dem König verbleibende Mit-tel noch Herr der Lage zu bleiben. Es hat die Repressivität des Regimes Gyanendra mehr als deutlich gemacht und ihn nahe an den Rand des Abgrundes manövriert,
währenddessen die Ablehnung des Königs und die Idee von Nepal als einer Republik unter der Bevölkerung immer breitere Zustimmung fand.

Am 8. April an dem eine weitere Massenveranstaltung gegen König und Monarchie angekün-digt war, wollte Gyanendra wieder mit Ausgangssperre und Schussbefehl Mögliches verhin-dern, musste aber mit ansehen wie sich die Menschen auf der Strasse der Ausgangssperre zum ersten Mal in der Geschichte Nepal widersetzten. Die lange Zeit so verinnerlichte und traditi-onelle Autorität des Königs war plötzlich gebrochen und die DemonstrantInnen fanden sich in den folgenden Tagen und Wochen in Straßenkämpfen gegen die königlichen Sicherheitskräfte wieder.
Dutzende Menschen wurden durch Soldaten der könglichen Armee erschossen und mehrere Hundert schwer verletzt.
Selbst angstvoll und hysterisch prügelten die zum Teil blutjungen Soldaten gewalttätigst auf ihrer Gegenüber ein, im Namen eines Königs dem sie zwar vereidigt sind, allerdings selten noch loyal waren.
„Soldaten ihr seit unsere Brüder schießt auf den König.“ waren als Slogan in diesen Tagen zu vernehmen.
Trotz der wahnsinnigen Repression, dem Überaufgebot an Militär, Waffen, Panzern, Tränen-gas, Wasserwerfern dauerten die Proteste und Kämpfe der Menschen über die letzen drei Wo-chen an und konnten bis auf wenige Hundert Meter an den Königspalast heran rücken.

Am 21. April schließlich, an die Wand gedrängt von seinem eigenen Volk, verkündigte Gya-nendra in einer Rede an die Nation das er zur Machtabgabe bereits sei und den Vorschlag der sieben Partein Allianz für das Amt des Premierministers als Staatsoberhaupt akzeptieren wür-de. Zwei Tage später sprach er erneut zur Nation und verkündete, das er das Parlament wieder einberufen würde und Befugnisse an es abtrete.
Die bis dahin geplanten weiteren Protestmärsche wurden spontan zu Jubeldemonstrationen.

Damit haben die protestierenden Massen ihre Forderung erreicht, möchte man meinen:
Das Parlament ist unter Koirala wieder eingesetzt, es besteht die Absicht eine verfassungsge-bende Versammlung einzuberufen und den Einfluss des Königs auf eine zeremoniell Funktion zu beschränken. Sogar die Maoisten haben einen vorläufigen Waffenstilstand erklärt, um die neue Regierung in ihrer Konstituierung zu unterstützen. Angekündigt haben sie allerdings auch, das sie ihren Kampf fortführen werden sofern die neue Regierung nicht sofort als einer ihrer ersten Beschlüsse den Weg zu den verfassunggebenden Wahlen ebnen würde.
Ihre Skepsis ist sehr berechtigt. Die Angebote Gyanendras sind natürlich keine Folge in das Einsehen in demokratische Prinzipien oder eine freiwillige Machtaufgabe, sondern schlicht und ergreifend der Versuch seinen Arsch zu retten, in dem Moment in dem er mit dem Rü-cken an der Wand stand. Betrachtet man es realistisch ist all zu viel leider noch nicht erreicht worden sondern lediglich Verhältnisse vor 2002 wiederhergestellt. Nicht das das kein Erfolg wäre oder insbesondere in Anbetracht der vorherrschenden Verhältnisse nicht höchst aner-kennenswert von den AktivistInnen wäre, doch ist die in der Zwischenzeit entstandene Forde-rung nach einer Republik damit nicht erreicht. Im Gegenteil dem König wurde, nach all dem noch immer das Privileg einer zeremoniellen Monarchie zu Teil an Stelle ihn verdienter Ma-ßen zum Teufel zu jagen. Es findet eine absurde Entkopplung von Gyanendras Verhalten und der Institution des Königs statt. Die Demokratiebewegung der 90iger war bereits auf diesem halben Wege stehen geblieben und wurde durch die Machtübernahme Gyanendras jäh been-det. Das sich Geschichte ähnlich wiederholt ist eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich. Hoffen kann man nur das Beste, kritisch bleiben sollte man allerdings dabei auch. Die feuda-len Machteliten, einschließlich des Königs, sind durch die Restaurierung des Parlamentes mit Nichten verschwunden und werden sich auch nicht so einfach verschwinden lassen. Von wie langer Dauer und Tragweite die jetzigen Erfolge also wirklich sein werden, oder ob sie sich als strategische Überlebenstaktik mit neuen Machtallüren entpuppt bleibt abzuwarten.
Die Partein stehen so oder so erst mal vor der großen Herausforderung ihren Reden der letzen Monate gerecht zu werden und nun tatsächlich Demokratie zu praktizieren, worin sie sich in älterer Vergangenheit wie auch parteiintern nicht wirklich mit Ruhm bekleckert haben. Die nepalesischen BürgerInnen deren Proteste sich in erster Linie geeint gegen das despotische Regime des Königs wendeten, werden sehr genau beobachten ob ihre neuen Vertreter ihre Erwartungen und Ansprüche erfüllen. In den 90igern war es nicht zu letzt unter Koirala, als Ministerpräsident, das die Parteien äußerst willig und bisweilen forcierend mit dem König am Abbau demokratischer Rechte mitgewirkt hatten um Vernichtungsschläge gegen die maoisti-schen Rebellen zu führen.

Es bleibt zu hoffen das der Weg der nepalesischen Demokratiebewegung diesmal etwas wei-ser und weiter geht und zwar dahin, endgültig mit der Institution des Königs zu brechen um Raum zu schaffen für ein neues Wertesystem und echte Demokratie in der auch das System massivster struktureller Gewalt und Exklusion entlang Sprache, Kaste, Glaube, Herkunft, Ethnizität und Geschlecht endlich ein Ende finden könnte.
Damit wäre dem Wunsch der Bevölkerung nach Frieden und Stabilität am meisten Rechnung getragen.