Die Akteure des Neoliberalismus: Medien im Neoliberalismus; Teil 2: Private Medien

ID 124286
1. Teil
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Medien kommt als Schnittstelle zwischen aktuellen Ereignissen und uns eine Schlüsselposition zu. Im Idealfall informieren sie uns möglichst objektiv, im worst case manipulieren sie uns gezielt. In dieser Sendung geht es um den Bereich der privaten Medien …
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46:13 min, 59 MB, mp3
mp3, 178 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 21.09.2023 / 13:35

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Die Diktatur des Monetariats
Entstehung

AutorInnen: Ulrich Seibert (Radio Lora)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 21.09.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
„Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“ -- Paul Sethe, Gründungsherausgeber der FAZ, 1965

Anhand der Medien informieren wir uns. Ein Medium ist das Bindeglied zwischen Nachrichten / Informationen und uns. Es versteht sich, dass Medien aufgrund dieser Schlüsselposition einerseits eine besondere Machtposition einnehmen, die andererseits eine sehr hohe Verantwortung mit sich bringt. Dadurch spricht man bei Medien von der Vierten Säule der Demokratie nach Legislative, Exekutive und Judikative. Medien nehmen eine Schlüsselposition ein und sie können diese nutzen, um uns in einem weiten Spektrum möglichst objektiv zu informieren oder auch … um uns zu manipulieren.

Pressefreiheit ist daher das Herz jeglicher Demokratie. Wird sie ausgehebelt oder missbraucht, geht die Tendenz in jedem Fall in Richtung Manipulation und eine seriöse demokratische Willensbildung wird damit unmöglich gemacht. Wenn überwiegend oder gar ausschließlich das verbreitet wird, von dem die Mächtigen, wer auch immer das sein mag, wollen, dass es verbreitet wird, dann findet keine Kontrolle der Mächtigen, sei es in Politik oder Wirtschaft, mehr statt und auch Widerstand wird erschwert. Verschwörungstheoretiker finden in einem solchen Umfeld sehr einfach ihre Follower und der Einzelperson fällt es in einem solchen Umfeld extrem schwer, zu entscheiden, wem man glauben oder vertrauen darf und wem nicht. Wer also die Pressefreiheit einschränken möchte, der hat in keinem Fall demokratische Interessen und der-/demjenigen ist daher ganz entschieden entgegenzutreten.

Obwohl es, wie wir im ersten Teil der Trilogie über Medien in der August-Sendung gehört haben, um die Pressefreiheit in Deutschland – zumindest im internationalen Vergleich – noch relativ gut steht, lässt sich die massive Einengung des Meinungsspektrums in der deutschen Medienlandschaft deutlich beobachten und das nicht erst seit dem Ukraine-Krieg oder der Corona-Pandemie. Eine zu starke Verquickung zwischen Politik und öffentlich-rechtlichen Medien und die Tatsache, dass ausgerechnet diejenigen, die unter der Kontrolle der sogenannten Vierten Säule der Demokratie stehen sollten, just ihre eigenen Kontrolleure kontrollieren, trägt sicherlich maßgeblich dazu bei, dass einst kritischere Nachrichtensendungen oder Magazine der Öffentlich-Rechtlichen im Wesentlichen zu Dependancen der jeweiligen Regierungssprecher mutiert sind („in der Übertreibung liegt die Veranschaulichung“).

Aber wie ist das bei Privaten Medien, die unabhängig von solchen staatlichen Kontrollinstanzen sind? Dieser Frage gehe ich in der September-Sendung mit meinem Studiogast nach, Prof. Dr. Holger Pötzsch, Medien- und Dokumentationswissenschaftler der arktischen Universität UiT in Tromsø, Norwegen, übrigens die nördlichste Universität der Welt.

Warum ausgerechnet aus Tromsø? Warum spreche ich nicht einfach mit einer Vertreter*In privater Medien oder einer Kommunikationswissenschaftler*In in Deutschland? Das ist eine berechtigte Frage. Ich hatte in der Tat versucht, einen lokaleren Bezug herzustellen, doch erstmals, seit ich diese Sendereihe betreue, bin ich auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Ich stand im Kontakt mit diversen Gesprächspartnern und einer davon, ein Wissenschaftler von einer sehr renommierten bayerischen Universität, hat mir schließlich in einem sehr netten Briefwechsel dargelegt, dass er, wenn er seine Erkenntnisse zu diesem Thema öffentlich darlegen würde, damit rechnen müsse, dass er keinen Anschlussvertrag mehr bekommt, wenn sein jetziger Zwei-Jahres-Vertrag ausläuft. Deshalb täte es ihm sehr leid …

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wissenschaftler in Deutschland fürchten um ihre Existenzgrundlage, wenn sie über ihre Erkenntnisse sprechen. Eine solche Furcht kennt man in einem Rechtstaat üblicherweise nicht …

Prof. Dr. Holger Pötzsch kennt die Sorgen und Ängste seiner Kollegen und auch er denkt über jeden Satz, den er sagt, lieber zweimal nach. Dennoch liefert er uns hochinteressante Einblicke in die Mechanismen und Marktzwänge, die dafür sorgen, dass die sogenannten „Mainstream-“ oder „Qualitätsmedien“ (und nicht nur die …) sich schön systemtreu äußern, ganz ohne Zwang, Zensur oder gar einer Einschränkung der Pressefreiheit. Anhand der fünf Filter des Propagandamodells von Edward Herman und Noam Chomsky aus dem Jahr 1988 wird deutlich, warum Medien sogar ein fundamentales Eigeninteresse daran haben, den zulässigen Meinungskorridor nicht allzu breit werden zu lassen.

Prof. Dr. Holger Pötzsch ist verheiratet und hat drei Kinder.
Tromsø ist eine Kleinstadt mit rund 80.000 Einwohnern im äußersten Norden Norwegens und hat heute die viertgrößte Universität des Landes. Die Stadt liegt auf fast 70 Grad nördlicher Breite und ist damit eine der nördlichsten Städte der Welt.

Holger ist 1971 in München geboren. Nach dem Abitur ist er Anfang der 1990er Jahre nach Ost-Berlin gezogen und hat dort an der Humboldt Uni Skandinavistik studiert. Er kam 1997 für ein Jahr als Austauschstudent nach Tromsø und lebt seit 1999 fest in der Stadt.

In Tromsø arbeitete Holger zunächst in der Tourismusbranche und im Universitätsmuseum, während er Russisch sowie Friedens- und Konfliktforschung studierte. 2012 promovierte er zum Thema Darstellung des Anderen in US-amerikanischen Kriegsfilmen. Er ist seit 2014 fest an UiT angestellt und seit 2020 in der Stellenkategorie Professor.

Schwerpunktthemen von Holgers Forschung sind Medien, Konflikt und Bildung mit Hauptaugenmerk auf visuelle und digitale Medientechnologien. Kritische Perspektiven stehen in seiner Arbeit zentral. Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift Eludamos: Journal for Computer Game Culture. Zusammen mit Uwe Krüger, Florian Zollmann und Michael Schiffmann hat er soeben die deutsche Übersetzung von Edward Herman und Noam Chomskys Klassiker Manufacturing Consent bei Westend Wissenschaft herausgegeben (Die Konsensfabrik erscheint am 9. September). Holger ist Teil der von UiT koordinierten Forschungsprojekte Threat-Defuser, Fake News und Futures4Fish. Er ist aktives Mitglied des Netzwerkes kritische Kommunikationswissenschaften (KriKoWi).