Tarifrunde 2006 in der Metall und Elektroindustrie

ID 12457
 
Kommentar zu den Ergebnisse der Tarifverhandlungen 2006. Wie ist der Abschluss zu bewerten?
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mp3, 192 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.05.2006 / 09:54

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Arbeitswelt, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Jochen
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 03.05.2006
keine Linzenz
Skript
Anmod:
Arbeitskämpfe und Tarifverhandlungen nehmen thematisch wieder zu in der Öffentlichkeit, sei es Verdi und der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst, Gate Gome in Düsselddorf oder Opel in Bochum. Die Reihe könnte hier fast beliebig fortgesetzt werden... Wie sieht es aber hinterher mit den Ergebnissen einer Tarifrunde aus, oder aber einem gewonnenen Arbeitskampf.
Auch die IG-Metall hat in bis kurz nach Ostern über einen neuen Tarifvertrag in der Metalle und Elektroindustrie mit den Unternehmensverbänden ausgehandelt. Begleitet wurden die Verhandlungen mit Kundgebungen und Streiks. Zu einem Streik ist es diesmal nicht gekommen.
Jochen kommentiert die Ergebnisse der Tarifverhandlungen 2006 und stellt die positve Einschätzung der Gewerkschaft in Frage.

Skript:
Bis zum 10. Mai haben die Gewerkschaftsmitglieder der IG-Metall nun Zeit sich zu entscheiden. 3 % mehr Lohn und Gehalt oder aber Streik. Damit ist die Tarifrunde in der Metall und Elektroindustrie so gut wie beendet, da ein Verhandlungsergebnis eigentlich nachträglich nicht mehr von den Tarifkommissionen gekippt wird.

Dieser Abschluß gilt für 3,4 Millionen Beschäftige und hat somit eine Signalwirkung für die Tarifverhandlungen der anderen Branchen in Deutschland.

Die IG-Metall ist mit den Forderungen nach 5% mehr Einkommen, Qualifizierungsmaßnahmen für die ArbeitnehmerInnen und Innovation in die Verhandlungsrunde eingestiegen.
Zuerst hatten die ArbeitgeberInnen kein Gegenangebot gemacht, bis sie schließlich mit einer Einkommenssteigerung von 1,2 % die Verhandlungen eröffneten.

Viele Warnstreiks und Kundgebungen mit fast einer Millionen Beteiligten haben die Kampfkraft der IG-Metall während den Verhandlungen bewiesen. Die Gewerkschaftsmitglieder waren bereit zu streiken!

Mit der Forderung nach „Innovation“ hat die IG-Metall aber auch gezeigt, welche Ziele sie verfolgt. Es geht um den Erhalt der bestehenden Wirtschaftsordnung und nicht um deren Überwindung. Befriedung statt Befreiung der abhängig Beschäftigten.
Die Gewerkschaft wollte bei wirtschaftlichen innovativen Entscheidungen der Unternehmen Mitspracherecht.
Bessere Innovation gleich sichere Arbeitskräfte, so die Rechnung der IG-Metall. Aber die Arbeitgeberverbände haben in diesem Punkt wohl so stark geblockt, das die Forderung nach „Innovation“ beim Abschluß keine Rolle mehr gespielt hat.
!Zum Glück!, ?denn wozu brauchen wir Gewerkschaften, die die Steigerung des Mehrwerts auch noch durch ihr Know-how vorantreiben, statt dem ganzen Spiel endlich Alternativen entgegen zu setzen.

Der Abschluß war zumindest in puncto Lohnforderungen mehr oder weniger erfolgreich. 3% mehr Lohn und Gehalt ab Juni 2006 bis Ende März 2007. Vorher gibt es Einmalzahlungen von 320 Euro, die je nach betrieblicher Lage nach oben oder unten Abweichen können.
Eine Abweichung nach unten bedeutet im Ernstfall keinen Cent mehr in der Tasche.
Eine effektive Belastung von nur 2,3 % für die Betriebe gerechnet auf den gesamten Zeitraum des Tarifvertrages, wie die ArbeitgeberInnenseite schon vorgerechnet hat.
Mit den Einmalzahlungen kommt es zu einer Aufweichung des Flächentarifvertrages, eine schon lang ersehnte Forderung der Unternehmensseite.

Zusätzlich zu allgemeinen Lohnerhöhungen wird in dem angepeilten Tarifvertrag auch noch die individualisierte Rentenabsicherung verfestigt. Statt allgemeiner "Vermögenswirksamen Leistungen" (VWL) werden jetzt "Altersvorsorgewirksamen Leistungen" (AVWL) gezahlt. Ein weiter Sieg neoliberaler Positionen, der die staatlich organisierte Rente schon lange ein Dorn im Auge ist.

Qualifizierung, die dritte Forderung der Gewerkschaft, wurde ebenfalls aufgenommen in den Tarifvertrag. Ziel der Forderung war, ArbeiterInnen, die nie auf der Liste für Qualifizierungen stehen, in den Genuss von Weiterbildungsmaßnahmen zu bringen.

„Zukünftig beraten Arbeitgeber und Betriebsrat den Qualifizierungsbedarf im Unternehmen. Mit den Arbeitnehmern ist einmal jährlich der individuelle Qualifizierungsbedarf zu klären sowie notwendige Bildungsmaßnahmen zu vereinbaren.“
So die Formulierung der IG-Metall.

? Woran orientieren sich aber nun notwendige Bildungsmassnahmen? An der betrieblichen Situation, oder aber an den Wünschen und Belangen der Arbeitnehmenden?
Ich denke diese schwammige Formulierung wird bestimmt noch nicht mal zu besseren WettbewerberInnen auf dem Arbeitsmarkt führen, sondern dient nur als Scheinerfolg für die Gewerkschaft.
Denn solange keine konkrete Zeit festgehalten wird, die einem Arbeitnehmenden für Qualifizierungsmaßnahmen zu Verfügung steht, gibt es auch keine Handhabe, Ergebnisse aus den Weiterbildungsgesprächen einzufordern.

Damit haben wir drei Ergebnisse der Tarifverhandlungen 2006, die wie immer von beiden Seiten als Erfolg verkauft wird, ohne dabei nicht auch kleine Niederlagen einzuräumen.
Trotz einer guten Aufstellung der Gewerkschaft, mit kampfstarken Belegschaften sind die Verhandlungen ohne einen Arbeitskampf beendet worden.
?Sind die Ergebnisse wirklich so gut für die Seite der Lohnabhängigen?
?Oder dürfen wir nicht mehr von diesen verregelten Tarifverhandlungen erwarten, die ja nur zum Zweck der Befriedung von Kapital und Arbeit überhaupt zulässig sind?
Die Ergebnisse festigen einen neoliberalen Kurs statt die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen langfristig zu verbessern.
Hoffnungen auf progressive und emanzipatorische Ansätze wurden mal wieder zu Nichte gemacht.