Wirtschaftskrisen Teil 1 (Moneycracy #8)

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In diesem Podcast beschäftigen wir uns mit Wirtschaftskrisen. Diese begleiten uns gefühlt permanent durch die letzten Jahrzehnte und weil es so viele gibt, hier zunächst Teil 1.
Aus linken Kreisen kommt der Befund, das kapitalistische System habe krisenhafte Zuspitzungen schon im konstruktiven Ansatz und könne gar nicht anders, als von Krise zu Krise zu eilen. Die Urväter der kommunistischen Theorie, die beiden deutschen Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels, waren überzeugt, der Kapitalismus würde an seinen eingebauten Krisen zwangsläufig zugrunde gehen.
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29:55 min, 36 MB, mp3
mp3, 169 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 04.11.2023 / 14:18

Dateizugriffe: 1168

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Moneycracy
Entstehung

AutorInnen: F. Liberatout
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 04.11.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
In diesem Podcast beschäftigen wir uns mit Wirtschaftskrisen. Diese begleiten uns gefühlt permanent durch die letzten Jahrzehnte und weil es so viele gibt, hier zunächst Teil 1.
Aus linken Kreisen kommt der Befund, das kapitalistische System habe krisenhafte Zuspitzungen schon im konstruktiven Ansatz und könne gar nicht anders, als von Krise zu Krise zu eilen. Die Urväter der kommunistischen Theorie, die beiden deutschen Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels, waren überzeugt, der Kapitalismus würde an seine eingebauten Krisen zwangsläufig zugrunde gehen.
Allerdings, wir haben es in dieser Podcastreihe öfters erlebt: ganz so einfach sind die Zusammenhänge und Abläufe in der Wirtschaft nicht und die Vorhersagen von Krisen und drohenden Untergängen haben sich als sehr unzuverlässig erwiesen. Auch zahlreiche Grundannahmen volkswirtschaftlicher Theorien stehen nur auf wackeligen Beinen und können bei genauerer Betrachtung nicht viel mehr, als manche Phänomene im Nachhinein einigermaßen plausibel klingend zu beschreiben.
Was sind eigentlich Wirtschaftskrisen? Dass es nicht immer nur bergauf gehen kann, ist eine uralte Erfahrung, die schon im alten Testament in der Geschichte mit den sieben fetten und den sieben mageren Jahren ihren symbolischen Ausdruck findet.
Sie weist auch darauf hin, dass bis vor etwa 200 Jahren, Wirtschaftskrisen ausnahmslos Agrarkrisen und damit Ernährungskrisen waren. Die Menschen waren über viele Jahrhunderte den Zufällen des Wetters und anderer Naturbedingungen ausgesetzt. Dabei blieben viele Krisen regional begrenzt, konnten aber, wie zum Beispiel die letzte große weltweite Hungerkrise 1816 bis 1818 durchaus globale Ausmaße annehmen. Damals war der Ausbruch des Vulkans Tambora und die dadurch weltweit verminderte Sonneneinstrahlung die Ursache.
Die erste große Wirtschaftskrise im modernen Sinne, also in Form einer nicht agrarisch ausgelösten Krise, ereignete sich 1857. HörerInnen werden sich an frühere Podcastfolgen erinnern: in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Welthandel und die Finanzwelt moderne Formen und Ausmaße anzunehmen. Aktiengesellschaften und Börsenplätze wurden in den führenden Staaten eingerichtet und sorgten durch ihre Vernetzung auch für negative Kopplungseffekte, sodass gravierende Probleme an einem Finanzplatz sehr schnell alle anderen ansteckte. Die gegenseitige Abhängigkeit war damals bei weitem nicht so ausgeprägt wie heute, aber sie genügte, für die erste Weltwirtschaftskrise.
Die Hintergründe dieser Krise waren, wie auch in späteren, nicht monokausal, sondern vielfältig. Ein Hauptfaktor bildete jedoch der damalige Eisenbahnboom in den USA. Die kostspielige Erschließung des Kontinents wurde durch Investoren und Risikokapital ermöglicht. Der Boom führte, wie auch in einigen der späteren Zusammenbrüche, zu spekulativer Übertreibungen und es bedurfte dann lediglich noch eines auslösenden Moments, um das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Die fallenden Kurse in New York und Boston schlugen auf London, Hamburg und Wien durch. Bereits an diesem frühen Ereignis lassen sich bestimmte Muster erkennen, die sich in späteren Krisen wiederholten:
1. Grundlagen für starke Zusammenbrüche sind Fehlentwicklungen und spekulative Übertreibungen über längere Zeit.
2. Oft durch relativ unbedeutende Auslöseereignisse kommt es zu einem Zusammenbruch der überhitzten Kurse
3. Schnell erfolgt eine Ansteckung anderer Finanzplätze und weltweite Ausbreitung – teils aus psychologischen Gründen, teils aus echter Vernetzung
4. Obwohl primär nur einige hundert oder auch tausend Investoren Teile ihres Spekulationskapitals verlieren, weitet sich das negative Geschehen blitzartig auf große Teile der Finanzwelt und recht rasch auch der Realwirtschaft aus. Handel und Wirtschaftsaktivitäten, auch weit ab vom eigentlich betroffenen Bereich, werden in Mitleidenschaft gezogen.
5. Teils über indirekte Wirkmechanismen, oft aber nur durch die negative Psychologie des Krisenmoments, werden große Teile der Realwirtschaft geschädigt. Es werden ArbeiterInnen entlassen, Löhne gesenkt, Vorhaben gestrichen, was Kaufkraft und Nachfrage in einer ganzen Gesellschaft rasch sinken lässt.
6. Im Sinne eines negativen Schneeballeffekts werden immer mehr wirtschaftliche Aktivitäten nach unten gezogen, bis schließlich eine Talsohle erreicht ist, von der aus dann eine langsame Erholung einsetzt.

Diese erste Finanzkrise 1857 veranlasste übrigens Karl Marx zu seinen Überlegungen, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise an ihren eingebauten Schwächen zugrunde gehen würde. Die Vorhersage ist bislang nicht eingetreten und es ist unwahrscheinlich, dass dies im Sinne eines von Marx prognostizierten gesetzmäßigen Ablaufs je so eintreten wird – dazu in einer anderen Podcastfolge mehr.



Achtzehnhundertdreiundsiebzig folgte die nächste Weltwirtschaftskrise, diesmal sowohl ausgelöst im guten alten Europa, als auch in den USA. Es handelte sich im Gegensatz zu 1857 nicht nur um eine geplatzte Spekulationsblase, was hauptsächlich auf Deutschland und Österreich zutraf. Gleichzeitig hatte die industrielle Revolution die Produktion soviel effektiver gemacht, dass erstmals in der Menschheitsgeschichte wichtige Produkte, hier vor allem Stahl und Maschinen, in übergroßem Maße zu Verfügung stand. Es folgte daraus eine sogenannte Überproduktionskrise in vielen führenden Industrieländern. Es wurden zu viele Waren hergestellt, die keine ausreichenden Abnehmer mehr fanden.
Da hier also neben den geplatzten Finanzblasen auch ein strukturelles Krisenmoment vorlag, waren die Folgen der sogenannten Gründerkrise Achtzehnhundertdreiundsiebzig wesentlich langanhaltender und schwerwiegender als die von 1857.
Auch dieses Geschehen wurde von Marx noch zu Lebzeiten wahrgenommen und in die marxistische Weltdeutung eingearbeitet. Er ging davon aus, dass es regelmäßig zu solchen Überproduktionskrisen kommen müsse, die letztlich wegen ihrer schwerwiegenden Folgen für die Gesamtwirtschaft nur über Imperialismus und Kriege gelöst werden können. Die in Kriegen in großer Zahl zerstörten Werte und Güter sollten dann die Nachfrage nach den Produkten wieder anheizen und so die Überproduktionskrise beenden – bis zum nächsten Mal. Die kapitalistischen Gesellschaften würden sich in imperialistischen Kriegen so lange gegenseitig zerfleischen, bis sie erschöpft durch die erfolgreiche Revolution des Proletariats abgelöst wurden.
Diese Annahme hat sich nicht bewahrheitet. Zwar gab es durchaus immer wieder Störmomente der wirtschaftlichen Entwicklung, die im Sinne von Überproduktionskrisen verstanden werden können, jedoch waren die wichtigsten Folgekrisen bis heute im Kern keine Überproduktionskrisen. Marx konnte nicht vorhersehen, dass es in einem freien Wirtschaftssystem recht gut gelingen würde, immer neue Wirtschafts- und Konsumgüter zu kreieren, die ständig für die notwendige Nachfrage sorgen konnten. Die Überproduktionsproblematik zentraler Wirtschaftsgüter wurde letztlich dadurch gelöst, dass immer wieder neu entwickelte Kernprodukte für einen neuen Wirtschaftszyklus sorgten.
Dennoch spiegeln historisch manche Ereignisse die Überproduktionsproblematik wieder. So kann das Ende des Nachkriegsbooms in Deutschland neunzehnhundersechundsechzig als Überproduktionskrise verstanden werden. Hier war nach zwei Jahrzehnten ständig wachsender Produktion und Prodkutivität das Konsumbedürfnis der BürgerInnen an eine Grenze gestoßen und die Rezession neunzehnhundersechundsechzig in der BRD folgte tatsächlich weitgehend der marxschen Vorstellung. Allerdings war dies keine Weltwirtschaftskrise und sie wurde auch nicht durch einen imperialistischen Krieg gelöst.

1929 bis etwa 1939 kam es zur bisher schwersten Weltwirtschaftskrise, die daher im alltäglichen Sprachgebrauch auch als DIE WELTWIRSCHAFTSKRISE bezeichnet wird.
Auslöser war vordergründig ein Börsencrash an der New Yorker Wallstreet, der berühmte Schwarze Freitag im Oktober 1929, der wegen der Zeitverschiebung übrigens ein Donnerstag war. Vorangegangen waren Jahre ausufernder Börsenspekulationen, an denen erstmals nicht nur die kleine Schicht reicher MonetaristInnen teilnahmen, sondern auch viele amerikanische NormalbürgerInnen. Auch in diesem Fall kam es zu deutlichen psychologisch motivierten Überreaktionen und Panikverkäufen, die New York Börsenkurse, schon damals die wichtigsten der Welt, brachen auf breitester Front massiv ein. Das Börsenbeben setzte sich fort und vernichtete weltweit Finanzwerte in bislang ungekannten Ausmaß. Dies entzog, entsprechend dem oben beschriebenen Muster, auch der Realwirtschaft, also den Unternehmen weltweit, die finanzielle Basis und es kam zu zahlreichen Pleiten, allein über 20.000 in den USA.
Aber der Börsencrash war nur ein auslösendes Moment für diesen wirtschaftlichen Niedergang nie gekannten Ausmaßes, für den die USA den Begriff the great depression geprägt haben. Denn die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern befand sich bereits seit rund 10 Jahren aus dem Gleichgewicht. Genauer gesagt hatten sich zahlreiche Staaten nie von den Folgen und den wirtschaftlichen Verwerfungen des 1. Weltkriegs erholt. Dies galt nicht nur für die besiegten Länder Deutschland und Österreich, die unter der Last der überhöhten Reparationszahlungen litten. Auch zahlreiche der neu gebildeten Staaten in Mittel- und Osteuropa kamen nie in eine wirtschaftlich stabile Lage. Letztlich waren allein die USA und bis zum gewissen Grad England sowie Teile Südamerikas in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in befriedigender wirtschaftlicher Verfassung. Die golden Twenties genoss nur eine schmale Oberschicht, nicht die Normalbevölkerung.
Die USA übernahmen großen Teile der Weltproduktion an Industriewaren, welche die anderen Länder größtenteils auf Kredit kauften. Dies schuf eine Schieflage der Wirtschaftskreisläufe, die nicht dauerhaft funktionieren konnte. Der Börsencrash 1929 brachte das System zum Einsturz. Die Warenproduktion in den USA brach ein, der Rest der Welt besaß kein Geld mehr, um Güter zu kaufen. Die negative Spirale bewegte sich über mehrere Jahre weltweit nach unten.
Die Warenproduktion und der Handel sanken, die verzweifelten Produzenten versuchten über ständig niedrigere Preise, ihre Produkte zu verkaufen. Es entstand eine Deflation, die Preise wurden Monat für Monat günstiger. Was sich aus heutiger Sicht mit aktuell gerade unangenehm hoher Inflation erstmal positiv anhört, erwies sich als katastrophal. Denn diese sinkenden Preise konnte nur dadurch erreicht werden, dass die Löhne sanken, ArbeiterInnen entlassen wurden und auf staatlicher Seite Sozialleistungen und Investitionen gekürzt wurden. Folglich standen auch gesamtgesellschaftlich weniger Geld zur Verfügung, die Nachfrage sank weiter, der Teufelkreis nach unten erhielt neuen Nachschub.
Wir hatten im letzten Podcast zur Währungsunionen erläutert, dass in dieser Situation die Staaten ihre Produkte dadurch preiswerter auf dem Weltmarkt anbieten wollten, in dem sie abwerteten, also ihre Währung im Außenverhältnis billiger machten. Wie das genau funktioniert, könnt ihr euch im genannten Podcast gerne anhören. Der Effekt dieses Strategie war sehr kontraproduktiv, denn die anderen Staaten zogen nach und es entwickelte sich ein race to the bottom und die immer schwächeren Währungen ruinierten die Bevölkerungen zusätzlich.
Gegenüber diesen sich ständig verschärfenden Bedingungen fand weder die Wirtschaft noch die Politik damals ein Gegenmittel. Der Welthandel brach um über 70 Prozent ein, zehntausende Firmen gingen pleite, Millionen von Arbeitslosen lebten unterhalb des Existenzminimums und letztlich fegte ein aus der schwierigen Situation entstehender Bankencrash 1931 auch noch großen Teile des Finanzwesens in den Ausguss.
Das Agieren der Politik war größtenteils nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich. Dies wurde am Spezialfall Deutschland besonders intensiv untersucht, da die Weltwirtschaftskrise nach allgemeiner Auffassung der zentrale Faktor für den Aufstieg Hitlers und die dadurch folgende nationale und weltweite Katastrophe ist.
Deutschland Position in der Krise war durch mehrere Faktoren besonders ungünstig:
1. überhöhte Reparationsforderungen hatten seit 1918 der deutschen Wirtschaft jede echte Chance auf eine gesunde Entwicklung genommen.
2. Die Erfahrungen der Hyperinflation 1923 hatten im deutschen Bewusstsein Narben geschlagen, weshalb eine vermehrte Verschuldung um die Krise abzufedern bei PolitikerInnen wie in Teilen der Bevölkerung abgelehnt wurden. Hört euch bei Bedarf oder Interesse gerne unseren Podcast zu Inflation an.
3. Das marode deutsche Bankensystem besaß zu wenig Rücklagen und der oben beschriebene Bankencrash 1931 wütete besonders unter deutschen Banken, über 300 Häuser gingen in Insolvenz.

Die Politik, hier steht stellvertretend auch für andere der Reichskanzler der Weimarer Republik Brüning, versuchte mit Sparpolitik gegenzusteuern, was genau das Gegenteil dessen war, was sich später unter dem Begriff Ausgabenpolitik nach dem britischen Ökonom Keynes als richtig erweisen sollte.
Brüning kürzte Gehälter und Beihilfen, erhöhte Steuern und Abgaben, erfand Absurdes wie eine Minirealwassersteuer und verschärfte die Krise in allen Bereichen der Wirtschaft, da der Konsum, die Beschäftigung, die Investitionen und letztlich auch die Produktion beständig sanken. Brüning ging, völlig zu Recht, als Hungerkanzler in die deutsche Geschichte ein. Das Beispiel zeigt, wie verfehlte Wirtschaftspolitik in Krisenzeiten zu katastrophalen Konsequenzen führen kann, in diesem Fall zu Nationalsozialismus, Holocaust und Weltkrieg.
Tatsächlich sahen zahlreiche Gesellschaften in autoritärem Staatsausrichtung die einzige Möglichkeit, mit der existentiellen Krise umzugehen. Dazu gehörten Österreich, Polen, Spanien, Portugal, Griechenland, Lettland, Jugoslawien und weitere. Die Handlungsoption solcher autoritären Führerstaaten beinhaltete einen weitreichenden Zugriff des Staates auf die Abläufe der Wirtschaft und damit auch die Schaffung nationaler staatlicher Beschäftigungsprogramme und nationaler Großprojekte. Diese konnten vor allem das Problem der Massenarbeitslosigkeit, die z.b. in Österreich 1933 ungeheuerliche 38 Prozent betrug, mildern. Der autoritäre Staat konnte eine Verteilung der Basis-Ressourcen erzwingen und so die größte Not lindern. Es sei betont, dass die Besitztümer der jeweils existierenden oligarchischen Elite dabei nicht angetastet wurden und das benötigte Geld oft durch Raub von benachteiligten Gruppen und Minderheiten (Jüdinnen, völkische Minderheiten, ausländische Besitzungen) beschafft wurde.

In den USA, neben Deutschland das Land, das am meisten unter der Krise zu leiden hatte, gewann mit Franklin D. Roosevelt ein progressiver Politiker die Macht, der in seiner Wirtschaftspolitik die modernen Ansätze des britischen Ökonomen Maynard Keynes umsetzte. Keynes hatte, wie auch wenige andere mit ihm, die ungünstigen Abwärtszirkel der Krise erkannt und forderte verstärkte Staatsausgaben im Sinne von Großprokjekten und staatliche Wohlfahrtspflege. Dies wurde von Roosevelt in einem New Deal genannten Projekt umgesetzt. Der New Deal beinhaltete Großprojekte wie den Hooverdamm, Autobahnbau in Form der berühmten Route 66, und zahlreiche Beschäftigungs- und Wohlfahrtsprogramme. Es ist interessant festzustellen, dass die autoritären und die liberalen Krisenlösungen in den zentralen Punkten ihrer wirtschaftlichen Interventionen eng beieinander lagen. Beide versuchten das Nachfragedefizit durch staatliche Stimulation zu reduzieren und die schlimmsten sozialen Folgen durch bisher nie gekannt Beschäftigungs- und Wohlfahrtsprogramme zu mildern. Trotz struktureller Ähnlichkeiten in den Wirtschaftsmaßnahmen, machte es für die Menschen einen entscheidenden Unterschied, ob sie in einer liberalen Demokratie oder in einem autoritären Führungsstaat leben mussten.
Der New Deal ging als progressive Lösung des bislang größten Wirtschaftskrise der Moderne in die Geschichte ein und Maynard Keynes antizyklische Ausgabenpolitik des Staates bestimmte das Vorgehen in vielen westlichen Demokratien nach dem zweiten Weltkrieg bis, ja bis zur nächsten großen Wirtschaftskrise.

Ab etwa 1950 begann in den westlichen Industriestaaten eine zwei Jahrzehnte währende Boomphase, die Millionen von Menschen bislang nie gekannten Wohlstand bescherten. Die Gründe für diesen beispiellosen Aufschwung haben wir in früheren Podcast gestreift und wahrscheinlich machen wir auch noch eine eigene Sendung dazu. An dieser Stelle ist kein Platz für nähere Ausführungen und wir beschränken uns darauf, dass die Party neunzehnhundertdreiundsiebzig mit der nächsten Weltwirtschaftskrise zu Ende ging. Der konkrete Auslöser war der Ölpreisschock, als die OPEC als politische Strafmaßnahme den Ölpreis innerhalb weniger Monate verdreifachte. Erdöl war seit langen der wichtigste Energieträger und die gesamte Weltwirtschaft basierte auf dieser preisgünstigen und damals als beliebig verfügbar geltenden Energie. In der Folge wurden nahezu alle Produkte des täglichen Lebens erheblich teurer, wir erleben ähnliches, wenn auch nicht so ausgeprägt, aktuell durch den Ukrainekonflikt.
Allerdings muss hier betont werden, dass der Ölpreisschock lediglich den offiziellen Startschuss für die schwere Krise setzte, welche nahezu die gesamte freie Welt erfasste. Es gab wichtige andere strukturelle Fehlentwicklungen, die sich in der langanhaltenden Rezession auswirkten und die nichts mit der Verteuerung der Energie zu tun haben. Da ist zum einen das Ende des Währungssystems von Bretton Woods Neunzehnhundertdreiundsiebzig zu nennen – diesbezüglich gibt es einen Podcast für die Interessierten unter euch. Der Verlust der festen Wechselkurse destabilisierte die Weltwirtschaft und machte den Verlauf der Krise wesentlich schlimmer. Weiterhin hatte sich die USA über den Vietnamkrieg und eine wenig ausgeglichene Handelspolitik weltweit sehr stark verschuldet und diese Schieflage der damals absolut zentralen Führungsnation brachte weitere Unruhe in die wirtschaftlichen Abläufe. Letztlich war auch der Superzyklus des seit dem Ende des zweiten Weltkriegs immer weiter steigenden Privatkonsums an ein vorläufiges Ende gekommen und die Neuerungen und Produkte für den nächsten großen Zyklus - es war denn die Computertechnik - ließ noch zehn Jahre auf sich warten.
So rauschte die Weltwirtschaft in die nächste, ein Jahrzehnt anhaltende Krise.


Maynard Keynes hatte dargestellt, was zu tun sei und viele Regierungen hielten sich auch daran. Allerdings waren die Effekte überwiegend nicht wie erhofft. Die Erklärung für den Misserfolg ist vielschichtig. Sicher kann man feststellen, dass anders als 1930 nicht eine viel zu geringe Nachfrage der Hauptgrund der Krise war und daher auch eine nachfrageorientierte Ausgabenpolitik nicht so erfolgreich eingreifen konnte. Im Gegenteil, im Kernland des Systems, den USA, hatte man einen langjährigen Überkonsum betrieben und sich immens verschuldet. Die Inflation war dadurch bereits angeheizt und explodierte durch die Ölpreiserhöhungen. Es galt also keine Deflation wie 1930 zu bekämpfen, sondern eine galoppierende Inflation. Man war mit der besonders ungünstigen Kombination aus steigenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft konfrontiert, ein Zustand der sich Stagflation nennt.
Entsprechend war eine Modifikation der keynesianischen Methoden angezeigt. Unverändert positiv wirkte die Abfederung der sozialen Härten im Interesse der betroffenen Menschen, aber auch um Tendenzen zur Verzweiflung und Radikalisierung wie 1930 zu verhindern. Gleichzeitig lag eine der zentralen Ursachen der Krise in den gestiegenen Energiekosten und daran konnte keine Nachfrage-Intervention etwas ändern. Die Weltwirtschaft musste ihr Energienutzung umstellen, ein Vorgang der bis heute anhält, auch unter den veränderten Vorzeichen des Klimawandels.
Ab 1980 gelang über neuen Technikbereiche sowie über Steuersenkungen und Deregulierungen die Wirtschaft neu zu stimulieren. Eine neue wirtschaftspolitische Leitlinie sah in Verbesserungen der Bedingungen für die Wirtschaft eine zentrale Stellschraube zur Überwindung der Stagflation. Nicht staatliche Nachfrageprogramme, sondern Deregulierung und Abbau der Staatsquote sollten die Lösung bringen. Das keynesianische Modell war von der neoliberalen Schule nach Milton Friedman abgelöst worden. In den USA konnte Ronald Reagan mit solchen neoliberalen Impulse Erfolge erzielen, während in England Margaret Thatcher mit ähnlichen Ansätzen ihr Land in eine 20-Jährige Rosskur stürzte, die welche die Briten endgültig aus der Liga der führenden Industrienationen katapultierte und die Arbeitslosenrate gegenüber den Vorjahren verdoppelte.
Die Theorien, Zielsetzungen, Erfolge und Misserfolge der neoliberalen Wirtschaftsmodelle müssen wir bei passender Gelegenheit noch mal in einem eigenen Podcast betrachten.
Für heute schließen wir mit der Feststellung, dass die komplexe Wirtschaftskrise der siebziger Jahre nur durch langwierige Anpassungsprozesse überwunden werden konnte, welche teils radikale wirtschaftliche Transformationen erforderte. Dies wird besonders sichtbar darin, dass sich in der Überwindung dieser Krise, Großbritannien, das Mutterland der Industriellen Revolution, zu großen Teilen von der Industrieproduktion verabschiedete.

Wie ihr hört, hat der Kapitalismus viele Krisen zu bieten, weshalb wir das neue Jahrtausend im nächsten Podcast betrachten.

Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net

This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,