"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Bauern

ID 126151
  Extern gespeichert!
AnhörenDownload
Haben das die Bauern bei den Klimaklebern oder bei den Besetzern vom Hambacher Forst abgekuckt? Wie auch immer und wie man es von ihnen erwartet, sie legen noch einen Zacken drauf und spielen direkt auf den Mann, auf den armen Robert Habeck, weil sie sich sicher sind, dass die Maulhelden von der CDU und der CSU sie nicht wirklich piesacken werden und ihnen auch den sogenannten klammheimlichen Schutz der Institutionen angedeihen lassen werden, nachdem diese Maulhelden dem Habeck mit Worten ungefähr gleich vor die Fähre gefahren sind wie die Bauern nun mit den Traktoren.
Audio
10:28 min, 7982 kB, mp3
mp3, 104 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 09.01.2024 / 14:07

Dateizugriffe: 46

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 09.01.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Haben das die Bauern bei den Klimaklebern oder bei den Besetzern vom Hambacher Forst abgekuckt? Wie auch immer und wie man es von ihnen erwartet, sie legen noch einen Zacken drauf und spielen direkt auf den Mann, auf den armen Robert Habeck, weil sie sich sicher sind, dass die Maulhelden von der CDU und der CSU sie nicht wirklich piesacken werden und ihnen auch den sogenannten klammheimlichen Schutz der Institutionen angedeihen lassen werden, nachdem diese Maulhelden dem Habeck mit Worten ungefähr gleich vor die Fähre gefahren sind wie die Bauern nun mit den Traktoren.
Diese Selbst- oder halt eben Fremdermächtigung von den Oppositions­par­teien wirkt auf solche Kleingruppen wie Red Bull. Selbstverständlich distanzieren sich sofort alle offiziellen Stellen von dem, was sie rhetorisch angelegt haben. Und selbst­ver­ständ­lich unterscheidet sich mein Duktus hier kaum von jenem, den vor ein paar Jahren noch die Politiker:innen der Regierungsparteien gegenüber eben den Demonstrant:innen aller Arten angewendet haben beziehungsweise gegen jene Parteien, deren Anliegen die Aktivist:innen mit deutlich mehr Verve vertreten haben als die Parteien es selber können, da diese halt im politischen Prozess stecken. Und am Montag stiegen die Bauernverbände dann ganz offiziell auf die Barrikaden.

Es ist nicht schön, wenn Bauern protestieren, aber lustig ist es alleweil, nicht zuletzt wegen der verschiedenen Solidaritätsadressen der versammelten Populist:innen und des krampfhaften Versuchs der Allianz für Deutschland, sich an den Streikwagen anzuhängen. Am lustigsten aber ist die Tatsache, dass der Versuch zur Lähmung der Transportinfrastrukturen auf umfassendes Wohlwollen stößt, während die vereinzelten Klebeaktionen der Klimajugend fast ebenso viel Volkszorn erregten wie das Gendern. Nehmt euch das mal zum Vorbild, Damen und Herren von der Klimabewegung! Das, was man früher einmal als bürgerliche Parteien bezeichnet hat, steht voll hinter euch unter der einen Bedingung, dass Ihr Eure Blockaden rechtzeitig anmeldet und geordnet durchführt. So kann das klappen.

Davon abgesehen gibt es wohl keinen anderen Wirtschaftssektor, in dem Problem und Lösung derart offensichtlich auf der Hand liegen wie die Landwirtschaft. Sie produziert seit Langem Überschüsse, mit welcher die EU Außenpolitik betreibt; dafür ruinieren die Bäuerinnen und Bauern mit dem Einsatz von Düngern und Pestiziden ihre eigenen Lebensgrundlagen, also die Natur, und jene der breiten Bevölkerung hintendrein. Der Sektor ist vollständig staatlich subventioniert und reguliert, was heißt, dass die Landwirt:innen bei gleichem Entgelt genauso gut umstellen könnten auf die Produktion von Qualität anstelle von Quantität, also auf die Herstellung von unbedenk­lichen Agrarprodukten und von Fleisch aus anständiger Tierhaltung, wo auch die Notwendigkeit zum systematischen Einsatz von Medikamenten und Antibiotika entfällt. Wir würden dann einfach nur noch doppelt so viel produzieren wie das, was wir verbrauchen, statt das Zehnfache; es würde uns nicht mal mehr kosten, und ganz nebenbei ist die Landwirtschaft jener Bereich, wo ein bedingungs­loses Grundeinkommen ohne weitere Umstände verwirklicht werden könnte – dieses Grund­ein­kom­men wird schon jetzt ausgerichtet, nur ist es an die Bedingung geknüpft, die Böden zu schädigen und die Masttiere zu quälen.

Die Grundlagen für die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union sind nicht mehr beson­ders aktuell. Sie beinhalten nach wie vor unter anderem die Zuteilung der europäischen Gemüse­pro­duk­tion nach Südspanien, wo vielleicht die Grund­wasser­re­ser­voirs nach den ausgiebigen Regen­fällen der letzten Monate wieder etwas besser gefüllt sind als auch schon. Davon abgesehen war die Vergabe der Gemüseproduktion nach Andalusien von Beginn weg ein Scherz, handelt es sich doch um die Region mit den geringsten Niederschlägen von ganz Europa; aber man musste den Spa­nie­r:in­nen für den EU-Beitritt halt irgendetwas anbieten, und von der Industrie wollten die West­euro­pä­er:innen nichts abgeben, sodass man auf diese geniale Idee verfiel. Aber eben, das hat sich seither deutlich verändert. Wenn man schon darauf besteht, die Grundversorgung des europäischen Kon­ti­nentes mit Gemüse in einer spezialisierten Region industriell herzustellen, während in den übrigen Gebieten saisonal, regional und biologisch sozusagen der Tagesbedarf gedeckt werden kann, dann sollte diese Grundversorgung unterdessen nach Nordafrika verschoben werden, und zwar möglichst in ein Gebiet, wo es auch genügend Wasser dafür gibt; in kleinen Schritten wird diese Entwicklung übrigens tatsächlich auch vollzogen, aber man könnte genauso gut die Gesamtpolitik umstellen und dabei auch gleich die Maghreb-Staaten endlich mindestens zu assoziierten Mitgliedstaaten ernen­nen. Das hätte recht kräftige Folgen, nicht zuletzt für die Migrationspolitik, welche selbst­ver­ständ­lich Bestandteil dieser Assoziationsverträge wäre. Oder bereits ist; entsprechende Verhandlungen laufen mit ziemlicher Sicherheit unter dem Radar der Öffentlichkeit. Nur dürfen sie um keinen Preis ans Licht kommen, solange sich in den Mitgliedsländern noch Politik betreiben lässt mit Stim­mungs­mache gegen das, was im Lauf der Geschichte ziemlich deutlich vorgegeben ist.

Was übrigens wieder einmal die Frage aufwirft nach der Rolle der Stimmungsmache in der Politik. Eigentlich geht es dort ja um die Vertretung der Interessen der einzelnen Gruppen im Staat, namentlich von Unternehmer:innen und Gewerkschaften, von einzelnen Wirtschaftssektoren und manchmal auch der Bäuerinnen und Bauern. Selbstverständlich bilden sich dabei Knäuel von Interessen, die sich gerne einen ideologischen Anstrich geben, will sagen, die behaupten, ihr Handeln sei nicht von ihren Interessen, sondern von übergeordneten Überlegungen geleitet. Solche gibt es übrigens auch, tatsächlich, bloß leben wir gerade in Zeiten, in welchen kein Hahn danach kräht, es sei denn eben auf der erwähnten ideologischen Ebene, wo die übergeordneten Über­legun­gen zunächst nichts als verlogen sind, da sie gerade vom Gegenteil, nämlich der Vertretung einzelner Gruppen, sozusagen in Geiselhaft genommen worden sind. Genau so entsteht die Stimmungsmache. Aber diese Stimmung, diese spezifische Abteilung der Öffentlichkeit beziehungsweise der öffentlichen Meinung, ist in der Regel doch an tatsächliche Entwicklungen gebunden. Im Moment sieht es so aus, als wäre sie in Deutschland gerade dabei, sich zu verselb­ständigen. Die politische Opposition, welche diese Stimmungsmache im letzten Herbst massiv befeuert hat, könnte dabei ebenso unter die Räder geraten wie die Regierungsparteien. Wie geht so etwas? Ist das eine Begleiterscheinung der US-amerikanischen Kulturdominanz?

Jedenfalls gibt es von der ehemaligen Linken keine erkennbare Kraft mehr, welche solche Stimmungen eindämmen oder steuern könnte. Sie sind übrigens nach meiner Beobachtung auch nicht von Natur aus rechtsgerichtet; ich führe sie unter dem Sammelbegriff der Empörung, wie so viele andere. Bloss haben rechte Bewegungen und eben seit einiger Zeit auch jene Parteien, die sich früher mal bürgerlich nannten, weniger Hemmungen, selber Stimmung zu machen, das heißt schlicht und einfach Lügen zu verbreiten zum Zwecke der Kanalisierung unbestimmter Mengen an Volkszornenergie in die eigenen Kanäle. Menschen und Gruppen mit linker Tradition stützen sich dagegen nach wie vor auf die Grundwerte von Vernunft, Logik und Wahrheit, wobei man einräumen muss, dass man auch mit der Vernunft manchmal ganz schönen Bruch anstellen kann. Aber immerhin das Verfahren ist nachvollziehbar.

Wie auch immer: Die Regierung ist fürs erste schon mal eingeknickt vor dem Volkszorn der Bäuerinnen und Bauern, und das macht die Lage insgesamt ja auch nicht wirklich glücklicher.

In der Demokratischen Republik Kongo ist Felix Tshishekedi als Präsident bestätigt worden mit fast drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Selbstverständlich spricht die Opposition von Wahlbetrug, und die Kirchen haben vor ein paar Tagen eine unabhängige Untersuchung der Wahlen verlangt. Nach diesen obligatorischen Verrenkungen kann das Leben weitergehen in einem Land, das unermesslich reich ist an Rohstoffen, wo dementsprechend geschmiert wird wie verrückt und in dem zwei Drittel der Bevölkerung von weniger als 2 Euro pro Tag leben – was allerdings keine besonders aussagekräftige Zahl ist, da die Demokratische Republik Kongo zu weiten Teilen noch gar nicht richtig erschlossen ist; zudem finden im zentralafrikanischen Osten des Landes nach wie vor Kämpfe und Kriege um Macht und Einfluss statt, welche regelmässig die Landesgrenzen überschreiten.

Äthiopien hat mit der separatistischen Region Somaliland einen Vertrag geschossen, der ihm einen neuen Zugang zum Meer sichert, nachdem bisher die Wirtschaftsexporte nach Djibouti gingen, nicht zuletzt vermittels jener Eisenbahn, welche die Chinesen kürzlich modernisiert haben. Mit dem Vertrag verbunden ist die Anerkennung von Somaliland durch Äthiopien. Somalia bezeichnet dies als aggressiven Akt gegen die Einheit der beiden Länder Somalia und Somaliland und hat seinen Botschafter aus Addis Abbeba zurückbeordert. Ägypten unterstützt Somalia in diesem Streitfall.

Ein weiteres kleines Kapitel im Vorfeld der Wahlen in Senegal besteht in der Bestätigung des Urteils gegen Ousmane Sonko wegen Verleumdung. Das Strafmaß beträgt 6 Monate Gefängnis bedingt, führt aber dazu, dass Sonko nicht an den Wahlen im Februar teilnehmen kann. Nun ist dazu noch ein Entscheid des Verfassungsrates hängig.

Laut einem Bericht von africanews ist Nigeria mit einem Bruttoinlandprodukt von 477 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 das reichste Land Afrikas, gefolgt von Ägypten und Südafrika. Daran,also an dieser Reihenfolge wird sich laut dem Internationalen Währungsfonds in den nächsten Jahren nichts ändern. Sehr wohl verändern wird sich aber das Bruttoinlandprodukt von Nigeria, das bis im Jahr 2028 auf 915 Milliarden Dollar ansteigen soll. Hauptträger dieses Wohlstandes ist selbstverständlich das Erdöl, und der Reichtum Nigerias dürfte sich in dem Maße steigern, in dem es dem Land gelingt, auch Verarbeitungsprozesse im Land zu halten oder ins Land zu holen.

Hinter Südafrika folgen Algerien und Marokko sowie mit Angola ein weiteres Erdöl-Land. Äthiopien liegt auf Rang 10 und hätte eigentlich schöne Aussichten, die aber von den innen- und aussenpolitischen Spannungen immer wieder getrübt werden.

Und was ist eigentlich mit Turkmenistan? Ich weiß es nicht. Aus türkischer Sicht handelt es sich zweifellos um das Sprungbrett nach Zentralasien, aber die dortige Gemengelage habe ich mir bisher noch nie so richtig angeschaut.

Kommentare
09.01.2024 / 18:05 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 9.1.. Vielen Dank !