Von Banken und ihrer Rettung - das häufig kranke Herzstück des Kapitalismus (Moneycracy #10)

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Bankenrettung – eine Vokabel die vor 20 Jahren noch gar nicht im Duden verzeichnet war, ist zur Lieblingsbeschäftigung vieler westlicher PolitikerInnen geworden. Doch was sind diese Banken eigentlich, welche Funktion haben sie im aktuellen Wirtschaftssystem und warum müssen sie in den letzten Jahren ständig gerettet werden?
Banken sind im modernen westlichen Alltag ebenso fundamental wie selbstverständlich. Bereits das Wort- und Sachlernbuch meiner Kindheit enthielt eine typische Kleinstadtszene, zu der neben anderen archetypischen Institutionen wie Feuerwehr, Krankenhaus oder Rathaus selbstverständlich eine Bank gehörte. Jede und jeder von uns hat ein Konto bei einer Bank und seit einigen Jahren haben wir sogar einen gesetzlich verankernden Anspruch darauf, selbst wenn wir wegen prekärer Lebensumstände keine attraktiven Kunden für Banken darstellen. Entsprechend habe viele Menschen das Gefühl, sie wüssten, was eine Bank tut. Das Gefühl täuscht häufig.
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Upload vom 10.02.2024 / 09:53

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Moneycracy
Entstehung

AutorInnen: F. Liberatout
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 10.02.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Moneycracy! Auch heute geht es wieder um ein hochaktuelles Thema – um Banken und ihre Rettungen. Bankenrettung – eine Vokabel die vor 20 Jahren noch gar nicht im Duden verzeichnet war, ist zur Lieblingsbeschäftigung vieler westlicher PolitikerInnen geworden. Doch was sind diese Banken eigentlich und warum müssen sie in den letzten Jahren ständig gerettet werden?

Banken sind im modernen westlichen Alltag ebenso fundamental wie selbstverständlich. Bereits das Wort- und Sachlernbuch meiner Kindheit enthielt eine typische Kleinstadtszene, zu der neben anderen archetypischen Institutionen wie Feuerwehr, Krankenhaus oder Rathaus selbstverständlich eine Bank gehörte, in der gut gekleidete Herren (ja, es waren nur Männer) ein und ausgingen.
Jede und jeder von uns hat ein Konto bei einer Bank und seit einigen Jahren haben wir sogar einen gesetzlich verankernden Anspruch darauf, selbst wenn wir wegen prekärer Lebensumstände keine attraktiven Kunden für Banken darstellen. Entsprechend habe viele Menschen das Gefühl, sie wüssten, was eine Bank tut.
Oft täuscht dieses Gefühl, denn es spiegelt die Vorstellung m eines Kinderbuches wieder: Menschen bringen ihr Geld zu einer Bank, damit es dort sicher aufbewahrt ist. Manchmal brauchen andere Leute Geld, das gerade nicht besitzen, dann leiht ihnen die Bank etwas. Dafür verlangt die Bank Zinsen. Wenn wir unser Geld für eine gewisse Zeit der Bank zur Aufbewahrung geben, dann kostet das nichts, im Gegenteil, wir erhalten dafür ebenfalls Zinsen. Denn so verfügt die Bank über Geld, um es den Leuten, die gerade welches brauchen, zu leihen. Natürlich zu höheren Zinsen, als sie uns bezahlt, schließlich müssen die schicken Bankgebäude und das dicke Auto des Bankdirektors bezahlt werden.
Klingt erst mal schlüssig, aber so funktioniert heute keine Bank der Welt.
Betrachten wir zunächst die Geschichte der Banken. Das Wort kommt von italienischen banco, der Tisch, gemeint war der Tisch der Geldwechslers. Zwar hatten die Hochkulturen der Mesopotamier, Ägypter und Griechen auch schon bankartige Strukturen, aber erst in der Frührennaissance, also ab dem 14. Jahrhundert entwickelte sich in Oberitalien die unmittelbaren Vorläufer unseres heutigen Bankwesens. Die weitläufigen Handelsbeziehungen von Städten Venedig, Mailand. Florenz oder Genua machten nicht nur das Wechseln von Währungen notwendig, womit die Geldwechsler, also Banker, ihren Namen erhielten und ihre Gewinne machten, sondern sorgten auch für die ersten Schuldverschreibungen, Wechsel und Geldbriefe. Der Grund war einfach. Die damalige Sicherheitslage machte es ziemlich unattraktiv, das für den Handel benötigte Gold oder Silber unmittelbar mit sich herumzutragen, denn es konnte sehr leicht abhandenkommen. Stattdessen zahlte der Händler die voraussichtlich benötigte Summe bei einer Bank, sagen wir in Siena ein und bekam darüber einen Geldbrief. Dieser konnte dann beispielsweise in Paris gegen Gold wieder eingetauscht werden, mit dem der Händler seine Waren bezahlte. Schon bald war das Verfahren in den großen Handelsstädten so etabliert, dass man sich den Zwischenschritt oft sparte. Er konnte direkt mit dem Geldbrief oder Wechsel bezahlt werden. Dieser Wechsel konnte dann über mehrere Transaktionen weitergereicht werden, bis sich jemand veranlasst sah, das Papier wieder in Gold oder Silbermünzen umzuwechseln. Wechsel einer großen und finanzstarken Bank waren daher so gut wie Gold und vereinfachten den Handel erheblich.
Das um sich greifende Bankenwesen der frühen Neuzeit verdiente gut an Wechselkursen und den Gebühren für die Geldbriefe. Aber der entscheidende Faktor, der die Banken zur Schaltstelle unserer modernen Wirtschaft machte, sollte erst mit dem nächsten Schritt Einzug halten. Erfolgreichen Kaufleuten boten sich unerwartet Möglichkeiten zu einem guten Geschäft, sie hatten aber bedauerlicherweise gerade nicht das notwendige Kapital flüssig. Diesen ihnen bekannten und als kreditwürdig eingestuften Händlern stellte die Bank dann einen Kreditbrief aus, das heißt, sie finanzierte die unternehmerische Transaktion über einen der beschriebenen Zahlungsscheine, ohne das dafür das Geld im Voraus hinterlegt werden musste. Nach erfolgreichem Geschäft bezahlte der Händler seine Schulden samt den Zinsen bei der Bank und strich den übriggeblieben Gewinn ein. Damit wurde Bank zu der entscheidenden Stelle im unternehmerischen Handeln. Von ihrer Kreditvergabe hing es ab, ob ein Geschäft getätigt wurden oder nicht. Das besondere dabei war, dass die Bank darauf vertrauen konnte, dass sie nur selten unmittelbar den Kreditschein an den Handelspartner ihres Schuldners einlösen musste. Wie dargestellt, hatte es sich rasch etabliert, dass die Wechsel und Schuldverschreibungen als Goldgegenwert gesehen und weiter gehandelt wurden. Daher konnte eine Bank im Vertrauen darauf, dass es nur in Verkettung ungünstiger Umstände zu einem zeitgleichen Einlösen vieler ausgestellten Kreditbriefe kommen würde, wesentlich mehr Geld ausleihen, als in ihren Schatzkammern lagerte. Davon machte die Banken ausführlich Gebrauch und ermöglichten damit viele Geschäfte, die andernfalls gar nicht zustande gekommen wären. Die Bank war über die Kreditvergabe zum universellen Katalysator der Wirtschaft der Neuzeit geworden.
Auch Fürsten und die damals noch unmittelbar auch weltlich herrschende Kirche bediente sich bald dieser Kredite. Geld zur Verfügung zu haben, obwohl man es eigentlich nicht besaß, war der Zaubertrank und das Manna der Mächtigen. So kann es nicht überraschen, dass den Banken bei diesem Tun wenig Steine in den Weg gelegt wurden. Sie schufen Geld, damit also Macht und Potential aus dem Nichts – das war nahe dem Stein der Weisen oder dem Goldschaffenden Elixier, nachdem die Alchemisten dieses Zeitalters suchten.
Sicher, diese finanztechnischen Zauberkunsttücke gingen auch schon früher nicht immer gut. Es wurde bald erkannt, dass eine Bank nicht beliebig viel Kredit vergeben durfte. Es wurden Regeln für Rücklagen und Sicherheiten aufgestellt. Aber das Grundprinzip blieb unangetastet, gerade weil es aus Sicht des Mächtigen und der KapitaleignerInnen (also damals vor allem der Kaufleute), so immense Vorteile bot. Mit der Schaffung von Geld und Macht aus dem Nichts, bot eine Bank etwas so Nützliches für die Herrschenden, dass dafür gewisse Rückschläge und Verluste als systembedingt schulterzuckend hingenommen wurden. Es kam in der Frühzeit des Finanzwesens zu zahlreichen Bankencrashs und viele Vermögen gingen verloren. Das wurde jedoch alles toleriert, denn die Herrschenden gehörten nicht nur zu den besonderen Profiteuren dieses schon im Kernansatz unsoliden und nicht Nachhaltigen Kreditunwesens, sie waren auch selbst oft genug die Ursache für Ausfälle. Natürlich bestand auch damals die Vorstellung, dass ein Kredit zurückgezahlt werden müsse, allerdings fanden viele Herrscher, dass solch banale Regeln für den Pöbel natürlich für sie nicht galten. Und wer konnte und wollte schon den Herrscher in den Schuldenturm sperren? Viele Fürsten ruinierte über ihre nicht bezahlten Schulden die Banken und Staatsfinanzen ihrer jeweiligen Fürstentümer. Aber wer will so kleinlich sein? Aus Sicht der Herrschenden lief das ganze komplett richtig. Denn die gesamte Gesellschaft musste die Verluste tragen, die der hochherrschaftliche Kreditausfall erzeugt hatte. Dieses Prinzip, das es beim Scheitern alle und damit auch viele Unbeteiligte traf, kann als Grundmuster von Finanzrisiken gelten und wird uns bei den Bankenrettungen der Jetztzeit in ungeschminkter Form wieder begegnen.
Wir halten fest: mit der Kreditvergabe werden Banken zu unverzichtbaren Gehilfen der Herrschenden und der damals ebenfalls entstehenden Finanzelite. 98 Prozent der Bevölkerung hatte dagegen keine Chance, irgendwelche Bankdienste in Anspruch zu nehmen.
Ein wichtiger Effekt des Kreditwesens war das Schaffen von nicht auf Edelmetallen beruhenden Zahlungsmitteln. Nachdem diese über einige Jahrzehnte der Gewöhnung etabliert waren, unternahmen fortschrittliche Nationen die ersten Schritte zu Papiergeld. Das bedeutet, sie erlaubten bestimmte Banken das Drucken solcher Banknoten, die in ihrer Struktur den Schuld- und Kreditbriefen entsprachen. Die Bank versprach auf den Banknoten beispielsweise 20 Gulden also 20 Stück Gold oder Goldmünzen gegen die Vorlage der Note auszuzahlen.
Das hatte den Vorteil, dass für dieses Geld das Edelmetall nicht unmittelbar physisch vorhanden sein musste. Erstmals kam dieses Prinzip im 17. Jahrhundert in Schweden zur Anwendung. Der Hintergrund war damals ein ausgeprägter Silbermangel in Schweden und die meisten schwedischen Münzen waren Silbermünzen.
Das Beispiel machte Schule und bald gab es vielen Staaten Notenbanken, die das Recht hatten, Banknoten in der beschriebenen Weise herauszugeben – wir haben die Vorteile für die Herrschenden in dem Podcast über Geld erläutern, den ihr gerne bei Interesse nachhören könnt.
Mit der Industrialisierung wuchs der Kreditbedarf der Wirtschaft. Nicht nur die Herrschenden und die Kaufleute, sondern jeder Unternehmer brauchte Kredite und die Banken lieferten und wurden selbst auch immer reicher. Die Banken hatte als notwendiger Katalysator nahezu die gesamte Wirtschaft im Griff und größere Geldflüssen liefen ab dem 19. Jahrhundert fast ausschließlich über sie. Die KapitalistInnen übergaben ihr Geld den Banken und ließen es ‚für sich arbeiten‘. Die Kaufleute des Merkantilistischen Zeitalters hatten noch Waren an einem Ort günstig eingekauft und an einem anderen zu einem höheren Preis verkauft – also letztlich strukturell Handelsaktionen mit all den dazugehörigen Tätigkeiten durchgeführt – was man durchaus als Arbeit verstehen kann.
Von solchen Mühen waren die KapitalistInnen ab dem frühen 19. Jahrhundert befreit. Wenn sie der Bank einen ausreichend hohen Betrag zur Verfügung stellten, dann arbeitete ihr Geld für sie und warf alljährlich ab die Mittel, die es für einen Lebensstil in Luxus und Müßiggang bedurfte. Wiederum übernahmen die Banken für die herrschende Elite eine so fantastische Funktion, dass die staats- und systemtragende Rolle der Banken unhinterfragbar in das Bewusstsein der modernen Nationalstaaten eingegraben wurde. Die enorme Macht der Banken korrelierte unmittelbar mit ihrer Nützlichkeit für die Herrschenden und Besitzenden.

Wir hatten es zuvor erwähnt: all das, wovon gerade die Rede war, betraf den Löwenanteil der Bevölkerung nicht. Normale Menschen bekamen keine Kredite und wenn sie anderweitig in Schuldabhängigkeit gerieten, landeten sie in Arbeitshäusern, Gefängnissen oder in den Kolonien.
Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich in diese Lücke eine Sonderform von Banken die kleinen Gewerbetreibenden, Handwerkern, kleinen LandwirtInnen die Vorzüge des Bankenwesens zugänglich machen sollten: die Genossenschaftsbanken. Die Idee war durchaus progressiv: die Mitglieder der Bank stellte Kapital zur Verfügung und erhielten dafür Anteile an der Bank. Ins heutige Denken übersetzt lautete die Idee: wenn die existierenden Banken mit uns keine Geschäfte machen, dann gründen wir eben unsere eigene Bank! Die Uridee zu diesen D.I.Y Banken formulierte neben anderen Wilhelm Raiffeisen, weshalb bis heute von oft Raiffeisenbanken die Rede ist, wenn von Gemeinschaftsbanken gesprochen wird. Die Sparkassen, Volksbanken und andere Genossenschaftsbanken machten ab der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts Bankgeschäfte erstmals auch breiteren Schichte möglich. Ihre stark lokal verankerte Struktur hat bis heute dazu geführt, dass sie einen Sonderfall im Finanzwesen darstellen und das durchaus in vielen Aspekten im positiven Sinne.
Auch in anderen Ländern mit entsprechender Handlungsfreiheit entstanden kleine lokale Banken, so in beiden Amerkas. Diese waren rein privatwirtschaftlich geführt und teilten die weiterreichenden Ziele von Genossenschaftsbanken der alten Welt nicht. In autoritären Staaten wie zum Beispiel Russland durften solch zentralen Strukturen wie Banken nicht einfach gegründet und betrieben werden. Das Bankenwesen war ein so entscheidender Machtfaktor, dass es eng in den Herrschaftsapparat eingebunden von dort kontrolliert wurde. Man kann es sich als Merkmal aufschreiben: unfreie Regime können sich keine unabhängigen Banken leisten, das gilt bis heute.
Wo es jedoch möglich war, wurden hunderte ja tausende Banken gegründet. Oft verschwanden sie ebenso rasch wieder und vernichteten dabei nicht unerheblich Ersparnisse und Werte. Entsprechend dieser negativen Erfahrungen wurden die Regeln verschärft, zumindest im eher ordnungsliebenden Zentraleuropa. In den angelsächsischen Ländern wurden die Risiken als Teil des Spiels gesehen und das Bedürfnis, die Gefahren durch Eingriffe in die Handlungsfreiheit der Finanzelite zu reduzieren, war stets wesentlich weniger ausgeprägt.
Die große Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1939 fegte mit eisernem Besen durch die Bankenlandschaft, zehntausende Institute weltweit überlebten die Große Depression nicht. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg das westeuropäische Bankenwesen wieder aufbaute, achtete man sehr auf Stabilität. Vereinzelte Bankenskandale kamen vor, grundsätzlich waren die Banken jedoch solide und wurden mit dem steigenden Wohlstand selbst immer fetter und reicher. Speziell in Deutschland, wo der Wiederaufbau nachvollziehbarer Weise nur über ausgeprägte Kredite funktionierte, waren die Banken an allen großen Firmen fundamental beteiligt. Die Unternehmen der Schwerindustrie, der Energieversorgung und der großen Technikunternehmen waren eng mit den deutschen Banken verwoben – geldmäßig, strukturell und personell - man sprach von der sogenannten Deutschland AG. Die deutschen Banken orchestrierten das Nachkriegswunder und verdienten sich unzählige Milliarden dabei. Ähnlich, wenn auch nicht so ausgeprägt, lief es in vielen anderen westeuropäischen Ländern. Die Banken bestimmten ganz offen die wirtschaftlichen Abläufe, die Spielregeln und oft genug die Entscheidungen der Politik.
Das ging ab einem bestimmten Punkt auch vielen Zeitgenossen zu weit. Die nicht demokratische legitimierte und kontrollierte Allmacht der Banken wurde vielfach als nicht akzeptabler Faktor im Verständnis einer liberalen Demokratie wahrgenommen. Auf die Spitze getrieben wurde dies in der Schweiz, wo der gesamte Staat um die Bedürfnisse der Banken herum gestaltet wurde. Die Diktatoren und Unterweltgrößen dieser Welt hatten die Schweizer Banken als idealen Ort ausgemacht, um ihre der Bevölkerung geraubten Gelder sicher unterzubringen. Auch dank des massiven Zustroms von Nazigeld wurde der aus dem armen Alpenbauernstaat innerhalb einer Generation ein wohlhabendes Land von Finanziers und Hoteliers.
Es mutet daher fast skurril an, dass gerade die Credit Suisse, eine der größten, bekanntesten und lange Zeit erfolgreichsten Banken der Welt, die vor wenigen Wochen gerettet werden musste.
Wieso kommt es in den letzten 20 Jahren vermehrt zu diesen Bankencrashs und dem Scheitern weltbekannter Institute, die dann, um angeblich noch Schlimmeres zu verhindern, mit unser aller Steuergeld gerettet werden müssen?
Ab den 1980 Jahren ersetzt der entfesselte Finanzmarktkapitalismus den zuvor dominierenden Industriekapitalismus was sich auch auf die Banken massiv auswirkte. Bis dahin waren die Bosse der deutschen Banken die unumschränkten Herren der deutschen Wirtschaft gewesen, weil ihren Instituten bedeutende Anteile alle großem Industrieunternehmen gehörten. Hinter diesen Bankbeteiligungen standen Industrie-Werte, die aus damaliger Sicht unverrückbar sicher schienen, die Banken waren die wichtigsten Eigentümer der Deutschland AG.
Doch die Verhältnisse änderten sich ab 1980 rasant. Wir hatten es im letzten Podcast zur New Ecomony und der Dotcom Blase erörtert: Wenige Jahre später konnte ein windiges Start-Up mit 12 Computern und einer angemieteten Geschäftsetage von seinem Aktienkurs mehr wert sein als Stinnes und Krupp zusammen. Die Loslösung des Finanzmarktes von der Realwirtschaft und die immer wilderen Bewertungen der Tech-Aktion, hatten die Old Economy hinweggespült.
Es kam zu Übertreibungen, die altgedienten Bankern, so sie noch im Amt wären, schlaflose Nächte bereitet hätten. 1980 war der Dow Jones, also der zentrale Aktienindex der USA und damit der Welt noch bei 1000 Punkten gestanden, im Jahr 2000 waren es 10.000 Punkte. Natürlich hatte sich die Wirtschaft und ihre Leistung in dieser Zeit nicht verzehnfacht, man war schon um ein jährliches Wachstum von 2 Prozent in vielen Bereich froh. Aber die massiven Geldströme der Regierungen und die neuen Spielregeln des Casinokapitalismus hatten die Bewertungen völlig entkoppelt.
Wo etwas aber völlig entkoppelt ist, also unabhängig von seinem Basiswert geworden ist, kommt es nur mehr darauf an, welchen Wert die Leute glauben. Aktuell glauben viele, dass sinnfreie Zeichenketten, Bitcoin genannt, 30.000 Dollar pro Stück Wert sind. Das kann man glauben, oder auch nicht. Die ‚oder auch nicht‘ Variante führt zum Crash und dagegen sind inzwischen auch die besten und renommiertesten Banken nicht mehr gefeit. Ihre Rücklagen und Sicherheiten beruhen inzwischen weitgehend auf Werten, an die man glauben muss und dieser Glaube kann in eine digitalisieren Informationsgesellschaft in Minuten gegen Null gehen. Das hätte einem Bankdirektor alter Schule mit seinem Teilbesitz an Stahlwerken, Kohlenzechen, Kraftwerken, Produktionslinien und Fabrikhallen nicht passieren können.
Das langweilige Finanzierungsgeschäft für Industrie und Handel ist heute aber nur noch die Aufgabe Banken zweiter und dritter Klasse, am ehesten findet man noch die sterbenslangweilige Sparkasse vor Ort aktiv. Denn bei diesen traditionellen Bankdienstleistungen kann auf dem nach oben offenen Gierindex zu wenig Geld verdient werden. Die wirklich coolen Banker machen Investmentbaning, bringen neue Unternehmen an die Börse und Jonglieren mit Finanzprodukten, von denen kaum ein Mathematiker auf der Welt genau versteht, wie sie funktionieren oder funktionieren sollen. Damit kann man richtig viel Geld scheffeln – oder eben auch alles verlieren.
Die angelsächsische Sichtweise auf solche Umstände läuft darauf hinaus, dass die Leute machen können was sie wollen, aber auch selbst sehen sollen, wie sie klarkommen. Bankenpleiten waren über Jahrzehnte in den USA nicht viel mehr als eine Zeitungsmeldung wert.
Leider funktioniert dieses Prinzip in einer maximalen vernetzten Finanzwelt der Jetztzeit schlecht. Die Pleite der Lehmann Bank, einer der zehn größten Banken der Welt, während der Subprime-Krise verdeutlichte das Dilemma. In Washington blieb die Politik ihren Prinzipien treu, und ließ die Bank pleite gehen. Es ist fraglich, ob sie es noch einmal so machen würden. Denn die Folgewirkungen waren dramatisch. Banken sind heutzutage so vernetzt, dass der Ausfall eines bedeutenden Players die meisten anderen mit nach unten zieht. Die Lehmann-Pleite brachte die Weltwirtschaft ins Stocken, denn sie führte bei den waidwunden Banken zur Kreditklemme und damit versiegte das täglich notwendige Schmiermittel der Wirtschaft, der Kredit. Vielfältige staatliche Eingriffe, Garantien und Stützungen waren notwendig, um den stotternden Motor zum weiterlaufen zu bewegen.
Die Lehre daraus war: Es gibt einige Dutzend Banken, welche als too big, to fail, einzustufen sind. Dies bedeutet, die negativen Folgen einer Pleite sind so groß, dass sich die Gesellschaften in nüchterner Abwägung der Kosten diese nicht leisten wollen und können. In der Konsequenz wurde Bankenrettung zum Politkersport und das Ärgernis wiederholt sich in schöner Regelmäßigkeit. Solange alles gut geht, verdienen sich Banker und Investoren ihre Yachten, Kaviarbrötchen und Bentley Cabrios, während der Pöbel von draußen neidvoll zuschauen darf. Geht es schief, rettet der Staat, also der steuerzahlende Pöbel. Unter dem Begriff ‚Gewinne privatisieren und Verluste vergemeinschaften‘ wird dies seit langem skandalisiert. Unsere Politelite jeder Couleur versichert treuherzig, dass das wohl ärgerlich aber leider nicht zu vermeiden sei.
Diese Aussage ist natürlich unsinnig - es fehlt lediglich der Wille:
Man kann selbstverständlich große Banken soweit aufteilen, bis sie keine kritische Gefährdung mehr darstellen. Wie so etwas funktioniert, zeigte gezwungenermaßen Island: das kleine Land war durch viel zu große und viel zu wild zockende Geldinstitute 2008 in eine sehr tiefe Wirtschaftskrise geschlittert und praktisch pleite gegangen. Als Konsequenz wurden die Banken verstaatlicht und einem sehr engen Korsett unterworfen. Das Beispiel Island ist drastisch und sicher nicht direkt auf große Volkswirtschaften übertragbar. Dennoch zeigt das Geschehen: Banken können eine ganze Gesellschaft durch Fehlspekulation und Gier in den Abgrund reißen, weshalb es Regulierungen und Überwachung geben muss.
Dazu braucht es endlich effektive Regeln und deren Überwachung durch Bankenaufsichten, die nicht nur so heißen, sondern auch das machen, wofür ihre AkteurInnen weit überdurchschnittlich bezahlt werden.
Das Funktionieren unserer Wirtschaft hängt seit langem an der Aktivität der Banken. Indem sie durch sogenannte Geldschöpfung im Rahmen der Kreditvergabe Kapital und damit Handlungsmacht aus dem Nichts zaubern, sind sie die großen Zampanos, die die Wirtschaft am Laufen halten. Im Nebengeschäft stellen sie alltägliche Dienstleistungen bereit, die wir alle in Form unseres Girokontos nutzen.
Allerdings haben sich allzu viele Geldinstitute von diesen gesellschaftlichen Aufgaben abgewandt und sind wegen der größeren Gewinnchancen ins Casino eines völlig entfesselten Finanzmarkts eingestiegen. Wenn sie dort unter die Räder kommen, womit immer zu rechnen ist, müssen die Steuerzahler aus den beschriebenen Gründen die nächste Rettungsaktion bezahlten.
Es wird Zeit, den Banken ihre Gefährlichkeit für das Allgemeinwohl zu nehmen. Die aktuellen Krisenentscheidungen gehen verrückterweise in die gegenteilige Richtung. Die Pleitebank Credit Suisse wird von der größten Schweizer Bank UBS übernommen, die dadurch zwangsläufig noch größer und gefährlicher wird. Analoger Parallelfall in den USA: die First Republic Bank wird von von der bereits größten Bank der Welt, JP Morgan übernommen. Es müssen wohl noch einige Banken teuer für unser Geld gerettet werden, bevor daraus gelernt werden will.
Wie ist das übrigens mit der eigenen Betroffenheit – wenn zufälligerweise meine eigene Bank in Schieflage gerät? Dann lächeln einige PolitikerInnen in die Kameras und bekunden mit freundlichem Dackelblick, dass die Spareinlagen der BürgerInnen sicher seien.
Ist das so? Wenn es sich um eine deutsche Bank handelt, dann greift die Einlagensicherung – 100.000 Euro sind daher abgesichert, bei Sparkassen und manchen Privatbanken aufgrund eines eigenen Sicherungsfonds noch mehr. Das sollte für Normalmenschen erst mal genügen und wer wirklich mehr als 100.000 Euro mal eben so auf dem Konto rumliegen hat, sollte sich vielleicht auch mal eine Anlageberatung leisten.
Allerdings, so gut das klingt, es ist der gleiche Pferdefuß wie immer bei den Banken. Geht es um ein kleineres Institut, wird das Ganze funktionieren. Wenn mehrere und große Banken Pleite gehen, dann wird kein Sicherungsfond der Welt ausreichen. Banken funktionieren immer nur so lange, wie alle glauben, dass sie funktionieren – das gilt bis hin zu den Sicherungsfonds.

Wir sind am Ende des Podcasts über Banken und müssen feststellen, dass wir über diese zentralen Institutionen unseres Wirtschaftssystems leider nicht viel Erfreuliches zu berichten wussten. Man muss nicht so weit gehen wie Bertold Brecht, mit seinem berühmten Ausspruch: Bankraub: eine Initiative von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank. - aber dennoch, diese Struktur hätte eine gründliche Reformation nötig.





Kommentare
13.02.2024 / 18:11 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 13.02.. Vielen Dank !