"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Grenzüberschreitend

ID 127617
  Extern gespeichert!
AnhörenDownload
Die Badische Zeitung vom 15. März zitiert den Schreinermeister Martin Ranz mit folgenden Worten: «Für uns ist es heute wesentlich einfacher und unkomplizierter, Mitarbeiter zur Montage in die Schweiz zu schicken als nach Frankreich.» Aus neutraler Sicht kann ich dazu nur besonders heftig den Kopf schütteln. So war das doch nicht gemeint mit der Europäischen Union, dem Bin­nen­markt und dem freien Personenverkehr, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, im Gegenteil.
Audio
11:22 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.03.2024 / 10:24

Dateizugriffe: 29

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 21.03.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Die Badische Zeitung vom 15. März zitiert den Schreinermeister Martin Ranz mit folgenden Worten: «Für uns ist es heute wesentlich einfacher und unkomplizierter, Mitarbeiter zur Montage in die Schweiz zu schicken als nach Frankreich.» Aus neutraler Sicht kann ich dazu nur besonders heftig den Kopf schütteln. So war das doch nicht gemeint mit der Europäischen Union, dem Bin­nen­markt und dem freien Personenverkehr, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, im Gegenteil.
Alles sollte frei fließen und die Konkurrenz gerade in Grenzregionen längerfristig für den er­wünsch­ten wirtschaftlichen Ausgleich zwischen den Ländern sorgen. Der EU-Abgeordnete Andreas Schwab von der CDU schüttelt ebenfalls den Kopf. Die Probleme hätten mit dem Beitritt der acht mittel- und osteuropäischen Staaten zur EU im Jahr 2004 begonnen. Damals hätten die National­staaten darauf gedrängt, Sozialdumping zu verhindern. In der Praxis hätten die Mitgliedstaaten ihre Kompetenz in dieser Sache aber konsequent dafür genutzt, die Arbeitsaufnahme durch Unter­neh­men aus dem Ausland zu erschweren. Als Vorwand dafür dient zum Beispiel in Baden-Württem­berg die Pflicht für französische Unternehmen, die Herkunft ihrer entsendeten Mitarbeitenden bis ins zwölfte Glied hinein zu dokumentieren, wenn sie nicht aus der EU stammen, also zum Beispiel aus Algerien. Der Nationalismus vermischt sich aufs Schönste mit allen gängigen Vorurteilen, mit denen Politik gemacht werden kann. Dazu kommt die Tendenz der Bürokratie, ihre Einfluss­mög­lichkeiten auszudehnen. Schwab wird zitiert mit den Worten: «Letztlich haben wir heute eine missbrauchsorientierte Regulierung», das heißt, man geht davon aus, dass Unternehmer betrügen wollten. Diese Sichtweise sei eigentlich eine Unverschämtheit. Die Teilnehmer:innen an der Podiumsdiskussion, welche sich diesem Thema angenommen hatte, forderten zum Schluss, «in kleinen pragmatischen Schritten Erleichterung zu schaffen» – das halte ich aus neutraler Sicht für völligen Nonsense. Die erneute Abschottung der Binnenmärkte gegenüber den Partnerländern in der Europäischen Union ist nichts anderes als eine neue Form des alten Nationalismus. Dem ist mit kleinen pragmatischen Schritten nicht beizukommen, im Gegenteil: Demnächst werden wohl wieder Zölle eingeführt. Und ich kann euch prophezeien, dass das nicht an den nationalen Grenzen Halt machen wird; ihr könnt schon mal die Schlagbäume für die Grenzübergänge zwischen Bayern und Thüringen rot-weiss anmalen.

Wenn man überhaupt von Witz sprechen kann, so wäre er derjenige, dass daneben die Herstellung von Gütern aller Art weiterhin in rein globalem Rahmen abläuft. Unser täglicher Bedarf trifft täglich an den Häfen in Rotterdam und Antwerpen ein und wird weitgehend ohne Restriktionen im EU-Wirtschaftsraum herum transportiert, dass es eine Art hat. Falls mal jemand eine Liste mit Mängeln bzw. Reformbedarf in der EU anzulegen beginnt, müsste diese krasse Diskrepanz weit oben auf der Liste stehen. Ich glaube, thematisch wäre es der Abwehr jeglichen EU-Gedankengutes durch die nationalen Verwaltungen zuzuordnen.

Im Feuilletong der Süddeutschen Zeitung vom gleichen Tag gab es eine Besprechung zu lesen des Buches «Geheimnisse, Lügen und andere Währungen» von einem gewissen Herrn Wolfgang Ainetter, und in diesem Buch geht es mehr oder weniger verklausuliert um die Tage der Amtszeit von Andreas Scheuer. Alnetter, die laut Besprechung «aus Österreich zugewanderte Fachkraft war drei Jahre lang Pressesprecher des Bundesverkehrsministers, von 2018 bis 2021, eine tumultuöse Periode, in der Alnetter die Pressestelle des Hauses schwungvoll und unter Auslassung der Evolutionsstufe Newsroom zum „Neuigkeitenzimmer“ entwickelte.» Und nun schmiert er seinen ehemaligen Vorgesetzten also bei einer gierig lechzenden liberalen Öffentlichkeit an. Charakter muss man haben, und davon hat Alnetter wohl ziemlich viel mitbekommen; laut Süddeutsche war dieser Alnetter früher mal Nachrichtenchef bei der Bild-Zeitung. Nun ja aber auch, der Schritt von Bild zu Scheuer erscheint logisch, wo nicht zwangsläufig; aber eben, das postume Anschwärzen, das finde ich sogar für einen Bild-Schmieranten etwas dick aufgetragen, wobei, es geht ja noch dicker: Von Scheuer wechselte Ainetter für ein Jahr direkt zu der unter anderem von Scheuer ruinierten deutschen Bahn. Ich rate vom Kauf dieses Buches dringend ab; es handelt sich für den Autor um die allerletzte Möglichkeit, aus seinem totalen Engagement für Andi Scheuer nach ein paar Jahren wenigstens noch ein paar Euro zu münzen.
Was mich wieder zur Bild-Zeitung bringt. Letzte Woche stand in braun-grün-roten Buchstaben die Schlagzeile im Aushang: Jetzt wollen die Grünen auch noch die Bezahlkarte für Asylbewerber sabotieren! Den genauen Text habe ich nicht im Kopf, aber es ging offensichtlich darum, den Grünen einen weiteren massiven Verstoß gegen die Gesetze an den Hals zu montieren, welche die Bild-Zeitung jeweils selber erlässt. Das Verfahren ist bekannt, Heinrich Böll hat den Roman «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» zum Thema geschrieben, die Hetze Ende der 1960-er Jahre ist legendär, die Verteufelung von Rudi Dutschke, der darauf hin niedergeschossen wurde, ebenfalls. Seit ein paar Monaten kapriziert sich die Bild-Zeitung gemeinsam mit dem bayrischen Duo Söder/ Aiwanger und etwas weniger laut mit der CDU-Parteispitze auf die Hetze gegen die Grünen. Aus neutraler Sicht ist das genau die gleiche Schweinerei wie aus nicht neutraler Sicht; man kann sagen, dass die Redaktion der Bild-Zeitung von oben an bis unten aus mit Personen mit schweren Charakterdefiziten besetzt ist, und der guten Ordnung halber will ich sie mindestens zum Teil hier auch aufführen, wobei ich auf die bekanntesten verzichte, nämlich den Vorstandsvorsitzenden der Verlagsgruppe Mathias Döpfner, der auch 44 Prozent der Stimmrechte am Springer-Verlag hält, oder den Chefredakteur bis Oktober 2021, Julian Reichelt, den man ausweislich der im Internet dokumentierten Vorfälle, unter anderem dunnemals bei der Berichterstattung über einen Familien­mord in Solingen, sowie seines rotzfrechen Leugnens all dieser Vorfälle sicher zu Recht als authen­tisches Schwein bezeichnet. Abgesehen von diesem Duo also strahlt uns aus dem aktuellen Impres­sum als Leitender Redakteur und Blattmacher ein Herr Max W. Boeddeker entgegen, als geschäfts­füh­render Redakteur und Mitglied der Chefredaktion Martin Brand, Jan Schäfer ist Mitglied der Bild-Chefredaktion, Chef vom Dienst und damit wohl auch Chef der Schlagzeilen sind Marco Bratsch, Andreas Paselk, Dietrich Menkens, Daniel Mituta Karsten Gorny und Carsten Freisfeld, Textchefin ist Julia Niemann,Textchef Bild und Chef vom Dienst Bild.de ist Oliver Stüber, Head of Audience Development, sprich der Leser:innen-Anmache ist Daniel Böcking, mit Marion Horn finden wir auch eine Frau in der Chefredaktion, stv. Chef­redakteur ist Paul Ronzheimer, ebenso Mandy Sachse, neben ganz vielen anderen verantwortlichen und verantwortungslosen Redakteu­rin­nen und Redakteuren, die man sich bei Bedarf oder nach Belieben auf dem Internet ansehen kann.

Nichts Neues von der Bild-Zeitung also, wenn man so will; die Frage ist nur, ob es bei Gelegenheit wie vor sechzig Jahren zu Anschlägen auf Grünen-Politiker:innen kommt, soweit man nicht bereits die Lynchmob-Veranstaltung als so etwas werten will, die vor der Fähre durchgeführt wurde, mit welcher Robert Habeck aus seinem Urlaub zurückkehrte, wobei ich den Zusammenhang zur Bild-Zeitung nicht lückenlos belegen könnte. Aber es geht ja weiter mit der Herstellung von Schaum vor den Mündern einiger Bevölkerungsteile; und wenn es dann tatsächlich so weit ist, fragt man sich, ob die Gegenreaktion dann in Anschlägen auf die Bild-Zeitung bestehen wird. Wundern täte mich das nicht, vor allem angesichts der Tatsache, dass sich die Charaktere von der Bild-Zeitung nicht entblöden, ihre Hetze als Journalismus zu bezeichnen und für ihr Presseorgan den Schutz von Verfassung und Gesetz reklamieren statt der Behandlung als Sondermüll, wie das sicher angemessener wäre.

All das sind alte Kamellen, ich weiß, und die Zerstörungskraft einer Bild-Kampagne war vermutlich auch schon stärker, nicht zuletzt deshalb, weil die ungewaschene Selbstermächtigung des nicht informierten, aber umso stärker denkenden Individuums schon länger andere Kanäle gefunden hat als so ein banales Pressewesen. Trotzdem, hin und wieder kommt es mir hoch, und damit ist auch schon wieder genug. Stattdessen wende ich mich dem laotischen Presseerzeugnis «Laotian Times» zu, in dessen Montagsausgabe unter anderem vom Besuch der EU-Kommissarin Jutta Urpilainen berichtet wird, welche am 14. März in der Hauptstadt Vientiane ein Programm eingeweiht hat, das nachhaltige und sozialverträgliche Wertschöpfungsketten in der Produktion von Kaffee, Tee und Holz fördern soll; als erster Schritt wird die Nationalstraße 2 ausgebaut und repariert, welche nach Thailand und Vietnam führt, damit der Zugang zu regionalen und globalen Märkten einfacher wird. Die Eisenbahnstrecke von Vientiane nach Boten mit Anschluss an das chinesische Eisenbahnnetz zählt dafür wohl nicht; die thailändischen Eisenbahnen sind trotzdem daran, eine Verbindung zu diesem chinesisch-laotischen Schienenstrang herzustellen, und auch die Laos-Vietnam-Eisenbahn, welche Vientiane mit dem vietnamesischen Hafen Vung Ang verbinden soll, geht vermutlich schon 2026 in Betrieb. Offenbar hat sich Laos beim Bau der Verbindungsstrecke nach China hoch verschuldet, was die weitere Planung nicht einfacher macht.

In einem etwas älteren Artikel auf der Webseite der Laotian Times lese ich einen Bericht über die thailändische Wahlkommission, welche am letzten Dienstag mitgeteilt hat, dass sie die Auflösung der Partei «Vorwärts» beantragen will, welche die Wahlen im letzten Jahr gewonnen hat. Auslöser für diesen Antrag war ein Urteil des Verfassungsgerichtes, dass ein von der «Vorwärts»-Partei eingebrachter Änderungsantrag bei einem Gesetz, das Kritik am Königshaus verbietet, verfassungswidrig sei. Im Gerichtsurteil finden sich keine Massnahmen gegen die «Vorwärts»-Partei, aber die thailändische Wahlkommission hält allein schon den Gesetzesvorschlag für einen Versuch eines Staatsstreiches.

Der Wahlsieg der «Vorwärts»-Partei in Thailand wurde im letzten Jahr vom Militär einigermassen zurechtgebogen. Der Senat lehnte es ab, Parteichef Pita Limjaronenrat zum Premierminister zu ernennen. Anschließend wurde sein Mandat als Abgeordneter ausgesetzt, weil er Anteile an einer Medienunternehmung besitze. Allerdings hob das Verfassungsgericht am 24. Januar diese Maßnahme wieder auf.

Anfang März gab es einen Bericht über die Lieferung von Windenergie aus Laos nach Vietnam. Dabei setzen die beschränkten Kapazitäten der bestehenden Übertragungsleitungen dem Projekt gewisse Grenzen. Vorgesehen sind über 4 Megawatt, zu einem Preis von 6.95 US-Cent pro Kilowattstunde; im Moment ist die Lieferung von maximal 2.5 Megawatt möglich. Wer diese Leitungen nun ausbaut und wer den Ausbau bezahlt, ist noch nicht geklärt.

Kommentare
21.03.2024 / 18:04 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 21.03.. Vielen Dank !