Focus-Europa 87 vom 30.5.2006

ID 12780
 
Nachrichten:
EuGH gegen Weitergabe von Passagierdaten an USA;
Bürgerrechter fordern
Abgeordnete sollen Klage gegen Vorratsdatenspeicherung unterstützen;
Europäer überwachen Westküste Afrikas;
Schwedische Grüne für EU-Austritt;
Interview:
mit Martin Bersing Sprecher des erwerbslosenforum Deutschland über Kürzung bei HartzIV
Audio
15:01 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 30.05.2006 / 12:31

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Hardy/David
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 30.05.2006
keine Linzenz
Skript
EuGH gegen Weitergabe von Passagierdaten an USA

Das Abkommen zwischen der EU und den USA zur Weitergabe von Passagierdaten im Flugverkehr ist nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs nicht rechtmäßig. Der Datenschutz sei nicht ausreichend gewährleistet, hieß es am Dienstag zur Begründung. Der Vereinbarung zufolge müssen europäische Fluggesellschaften bis 15 Minuten vor Abflug Daten über alle in die USA reisenden Passagiere übermitteln - darunter Namen, Adressen und Kreditkartennummer. Das Europaparlament hat den Europäischen Gerichtshof um die Annullierung dieses Abkommens gebeten.

Bürgerrechter fordern
Abgeordnete sollen Klage gegen Vorratsdatenspeicherung unterstützen

In der Nacht zum Freitag plant der Bundestag über einen Antrag mit dem Titel "Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom EuGH prüfen lassen" abzustimmen. 118 Abgeordnete von FDP, Grünen sowie der Linken fordern die Bundesregierung in dem Antrag auf, gegen die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikationsdaten vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Bis zur Entscheidung des Gerichts solle die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt werden, so der Antrag weiter. Die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom Februar 2006 sieht vor, dass künftig zur Erleichterung der Strafverfolgung das Telekommunikationsverhalten aller 460 Millionen EU-Bürger bedarfsunabhängig protokolliert und mindestens ein halbes Jahr lang aufbewahrt werden soll. Insbesondere soll aufgezeichnet werden, wer wann mit wem telefoniert und per e-Mail oder SMS korrespondiert hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Bislang dürfen nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten gespeichert werden. Dazu gehören Standortdaten und e-Mail-Verbindungsdaten nicht. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen kann eine Speicherung zudem bisher gänzlich vermieden werden.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, forderte alle Bundestagsabgeordneten auf, die Nacht zum Freitag zur "Nacht der Kommunikationsfreiheit" zu machen. Bürger sollten "ihre" Abgeordneten zur Stimmabgabe gegen die Vorratsdatenspeicherung auffordern.
Die Abstimmung kann live im Internet verfolgt werden. Für den Fall, dass der Antrag keinen Erfolg hat, haben Bürgerrechtler wie der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Totalprotokollierung der Telekommunikation angekündigt.

Einigung über grenzüberschreitende Dienstleistungen

Die EU-Staaten haben sich auf gemeinsame Regeln für grenzüberschreitende Dienstleistungen geeinigt. Nach achteinhalbstündigen Beratungen sprachen sich die 25 Mitgliedstaaten in Brüssel für den Kompromiss aus; lediglich Litauen enthielt sich der Stimme. Die österreichische Ratspräsidentschaft hatte ihren Vorschlag im Laufe des Montags mehrfach überarbeitet, bevor am Abend die Einigung erzielt werden konnte.
Der Kompromiss zur Liberalisierung von Dienstleistungen in der EU orientiert sich weitgehend an dem Beschluss, den das EU-Parlament im Februar verabschiedet hatte. Das hatte in erster Lesung die ursprünglichen, weit wirtschaftsliberaleren Kommissionvorschläge deutlich entschärft.
Strittig waren bis zuletzt vor allem die Vorschläge für umfangreiche Berichtspflichten. So sollten die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, ihr gesamtes nationales Recht auf eine mögliche Diskriminierung ausländischer Dienstleister hin zu überprüfen.
EU-weite Regeln für Verbraucherkredite wird es dagegen auf absehbare Zeit nicht geben. Bei der Beratung der Minister habe es noch viele offene Fragen gegeben, hieß es aus Ratskreisen. Vor allem die deutsche Regierung habe ihre Vorbehalte gegenüber einer vollständigen Vereinheitlichung der Vorschriften deutlich gemacht, weil damit das in Deutschland erreichte Niveau des Verbraucherschutzes in Gefahr geraten könne. Die Bundesregierung forderte demnach stattdessen die Einführung von EU-Mindeststandards, die von jedem Land noch verbessert werden könnten. Neues Ziel des Ministerrats ist nun eine Grundsatzeinigung bis Jahresende. Ein endgültiger Abschluss der Gesetzgebung wäre damit frühstens Ende 2007 zu erwarten.

Europäer überwachen Westküste Afrikas

Im Kampf gegen die Flüchtlinge werden Luft- und See-Einheiten aus neun Staaten der Europäischen Union einige Abschnitte der Westküste Afrikas überwachen. Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten verständigten sich am Montag bei einem Treffen in Madrid auf Einzelheiten der Operation, die in diesem Sommer beginnen soll. Die EU-Kommission und die spanische Regierung hatten sich in der vorigen Woche darauf geeinigt, daß die EU Spanien mit Flugzeugen und Schiffen unterstützen wird. Nach Angaben spanischer Polizeifachleute werden für die Operation wenigstens fünf Hubschrauber, fünf Patrouillenboote, ein Versorgungsflugzeug, Verbindungsoffiziere und die erforderlichen Besatzungen benötigt. An dem Vorbereitungstreffen in Madrid nahmen Vertreter Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande, Österreichs und Spaniens teil. Die Einheiten der Europäischen Union sollen Küstenabschnitte vor dem Senegal, Mauretanien und Kap Verde überwachen, von denen die Flüchtlinge auf die Kanarischen Inseln zu gelangen versuchen. Am Montag gelangten mehr als 360 Afrikaner an Bord von vier Booten nach Teneriffa, Gran Canaria und La Gomera.

Schwedische Grüne für EU-Austritt

Die schwedische Umweltpartei fordert den Austritt Schwedens aus der Europäischen Union. Auf einem Parteitag stimmten die Delegierten gegen den Willen ihres Vorstands für einen entsprechenden Antrag. Sie fordern ferner, daß die Bevölkerung in einer Volksbefragung über den Verfassungsvertrag entscheiden solle. Die Regierung unter Ministerpräsident Persson, die im Parlament von den Stimmen der Grünen und der Linkspartei abhängt, hatte unlängst mitgeteilt, daß sie erst in etwa zwei Jahren mit einer Debatte über die Ratifizierung des Verfassungsvertrags rechne. Der Parteitagsentscheid der Grünen wird sich voraussichtlich auf die europaskeptische Haltung der schwedischen Sozialdemokraten auswirken. Bislang hatten die Sozialdemokraten Forderungen der Umweltpartei und der Linkspartei mitunter nicht berücksichtigt, ohne daß das ihre Position geschwächt hätte. Das dürfte sich wegen der Parlamentswahl im September ändern. Bis vor kurzem schien ein Regierungswechsel zugunsten der vier bürgerlichen Parteien wahrscheinlich. Seit einigen Wochen zeigen indes Umfragen eine Trendwende zugunsten der Sozialdemokraten. Diese sind allerdings durch eine Reihe von Skandalen geschwächt. Gegen Persson wird ermittelt, weil er beim Bau seines Gutshauses gegen das Arbeitsrecht verstoßen haben soll. Die Linkspartei und die Grünen haben angekündigt, nach den Wahlen mit den Sozialdemokraten nur dann zusammenarbeiten zu wollen, wenn eine Koalition gebildet wird.