Fast täglich politische Morde auf den Philippinen

ID 13172
 
AnhörenDownload
Über 700 unaufgeklärte politische Morde auf den Philippinen seit Gloria Macapagal Arroyo 2001 an die Macht kam. Die Zahl der Ermordeten nimmt beängstigend schnell zu.

Wer sind die Leute der umgebracht werden und wer sind die Täter, wie können die Morde gestoppt werden? Ein Interview mit Ruth Cervantes von der philippinischen Menschenrechtsorganisation Karapatan.
Audio
23:07 min, 21 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.07.2006 / 00:00

Dateizugriffe: 592

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Serie: Balita ng Pilipinas, Nachrichten aus den Philippin
Entstehung

AutorInnen: Bianca Miglioretto
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 07.07.2006
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Politische Morde auf den Philippinen.

Musik:

M: Über 700 unaufgeklärte politische Morde auf den Philippinen seit Gloria Macapagal Arroyo an der Macht ist. Die Zahl der Ermordeten nimmt beängstigend schnell zu.

Musik:

M: Wer sind die Leute der umgebracht werden und wer sind die Täter, wie können die Morde gestoppt werden. Darüber sprach ich mit Ruth Cervantes von der Menschenrechtsorganisation Karapatan. Karapatan bedeutet auf Deutsch Recht. Karapatan ist eine der Organisationen, die die vielen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und die Opfer und Überlebenden unterstützt.

Musik:

M: Karapatan hat seit Februar 2001 690 politische Morde dokumentiert und es werden täglich mehr. Ich wollte von Ruth wissen wer sind diese Leute, die ermordet werden?

O-Ton 3: All of them are Civilians …helpless
Alle Ermordeten sind Zivilpersonen, die Mehrheit sind Bäuerinnen und Bauern. Darunter alte Frauen mit ihren Enkelkindern. In einem Fall wurde ein Vater mit seinem 2 Monate alten Kind in den Armen erschossen. Einige sind aktive Mitglieder von Basisorganisationen unterwegs zu den Dörfern wo sie mit den Leuten arbeiten. Alle waren unbewaffnet und schutzlos.

O-Ton 4: More than 70 …. The rest are men.
Über 70 der Ermordeten sind Frauen, rund 45 Kinder und die übrigen sind Männer.

O-Ton 6: At least half of the…deprived of lifes.
Mindest die Hälfte der 690 Zivilpersonen gehören progressiven Organisationen an. Die Mehrheit sind Vertreter und VertreterInnen von sektoralen Parteien, die die Basisorganisationen vertreten. Am stärksten betroffen ist Bayan Muna. Bereits 102 Mitglieder wurden umgebracht.

M: Neben den Aktivistinnen und Aktivisten wurden 11 Anwälte und Anwältinnen und 40 Medienleute umgebracht. Die Mediengewerkschaft und die Vereinigung progressiver Anwälte und Anwältinnen dokumentieren diese Morde, deshalb sind sie nicht mitgezählt in den 690, die Karabatan dokumentiert hat.

Wer sind die Täter? Ich wollte von Ruth wissen, ob sie Hinweise haben, auf die Mörder?

O-Ton 11 +12: The victims who come to us….
Die Überlebenden, die zu uns kommen, sagen es war das Militär und Paramilitärische Elemente, sogenannte Todesschwadrone. Die Morde verlaufen oft nach demselben Muster. Männer mit Skimützen auf Motorrädern erschiessen die Opfer und die Zeuginnen und Zeugen sagen, meist fahren die Motorräder nachher in Richtung Militärstützpunkt. In vielen Fälle wurden die Leute vor der Ermordung vom Militär eingeschüchtert, überwacht und erhielten Todesdrohungen.

M: Einige der Morde wurden auf extrem brutale Art und Weise verübt.

O-Ton 15: These people died …. Recognized anymore.
Die Methoden der Täter sind sehr brutal, zum teil bestialisch. Sie wollen den Leuten zeigen, dass sie sich nicht mal in ihrem eigenen Heim sicher fühlen können. Oft werden die Leute vor den Augen ihren Kinder und anderer Familienmitgliedern ermordet. Andere werden in der Öffentlichkeit vor allen Leuten erschossen. Wieder andere werden mitten am Tag beim Markt oder vor der Kirche entführt, dort wo alle es sehen können. Manchmal werden die Leute zuerst entführt und einen oder zwei Tage später werden ihre Leichen gefunden mit gefesselten Händen, verklebtem Mund, kaum mehr erkennbar.

O-Ton 17+18: We have documented the case ….perpetrators are.
Zum Beidspiel das Paar Marivel Tablan Supenia und ihr Ehemann Danilo. Sie war eine Studentinnenführerin an der staatlichen Universität von Central Luzon. Sie war im vierten Monat schwanger. Sie wurden von bewaffneten Männern, in Kampfstiefel aus dem Haus von Marivels Eltern entführt. Als die Eltern versuchten den Entführern zu folgen, wurde auf sie geschossen. Während einem Monat fehlte jede Spur der beiden und dann wurden ihre Leichname in zwei verschiedenen Säcken am Rand der Hauptstrasse gefunden.

M: Nach ein paar Takten Musik von Pinikpikan berichtet Ruth Cervantes von Karabatan wie das Militär in den Dörfern vorgeht und warum die Leute so sicher sind, das das Militär hinter den Morden steht.

Musik

M: Das Militär führt oft Hetzkampagnen in den Dörfern gegen die progressiven Organisationen und ihre Führerinnen und Führer durch. Davon bleiben auch Menschenrechtsorganisationen wie Karabatan nicht verschont.

O-Ton 20+21: In communities in the countryside…in their cities.
Kleine Spezialeinheiten der Armee gehen in die Dörfer, um diese zu überwachen und was sie Gemeindearbeit nennen, um wie sie sagen, die Herzen der Leute zu gewinnen. In Wirklichkeit gehen sie aber herum und fragen nach den Mitgliedern der progressiven Parteien und Bäuerinnen und Bauernorganisationen. Dann erstellen sie sogenannte Todeslisten. Sie bedrohen die Mitglieder der Basisorganisationen und verhören sie. Das Militär führt Hetzkampagnen gegen sie in ihren Dörfern und Städten durch. Diese Ereignisse gehen den Ermordungen voraus.

O-Ton 22: Even Human Rights workers….
Sie machen auch nicht vor Menschenrechtsaktivistinnen halt. Eden Marceliano war die Generalsekretärin von Karapatan in Süd Tagalog. Bevor sie 2003 umgebracht wurde, verteilte das Militär Flugblätter und hängte in Mindoro Plakate auf, die besagten Karapatan sei eine terroristische Vereinigung. Eden Marceliano und ihre Kolleginnen unterstützten die Guerilla oder seien sogar selbst Mitglied der Guerilla.
Es gibt also ein klares Muster sie brandmarken die Leute zuerst als Guerillas, Kommunisten, Terroristen bevor sie sie umbringen. Und die einzigen, die ein Motiv haben, dies zu tun, sind die Militärs. Das Militär setzt Todesschwadrone ein, um die Morde auszuführen, so ist es für die Opfer und die Überlebenden schwierig die Täter zu identifizieren.

M: Es ist klar die Aufgabe der Regierung die Morde aufzuklären und alles daran zu setzen, die Leute zu schützen. Sagt Ruth Cervantes von Karabatan. Aber die Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat die Morde noch nicht mal klar und deutlich verurteilt. Auch nicht nachdem Amnesty International sie in einem klaren Statement dazu auffordert hat.
Die Regierung hat zwar eine Task Force zur Untersuchung der Morde eingesetzt, aber das war eher eine Pro Forma Aktion, weil die Philippinen dem UNO-Menschenrechtsrat beitraten. Also musste die Regierung vorgeben, etwas zur Aufklärung der bereits über 500 Morde zu unternehmen. Die Task Force wird vom Polizeichef angeführt. Ruth Cervantes hat wenig Hoffnung in diese Task Force.

O-Ton 26+27: To the victims mind …communist party.
Für die Opfer und die Menschenrechtsorganisationen wird es sehr schwierig sein mit dieser Task Force zusammenzuarbeiten, denn die Polizei hat es bis jetzt nicht geschafft, die Morde aufzuklären, im Gegenteil, sie hatten entweder Angst oder verwegerten geradeheraus Untersuchungen.
Bevor die Task Force überhaupt die Arbeit aufnahm, hatte sie bereits die Regierung von Frau Arroyo von jeder Schuld freigesprochen und erklärt, die Morde seien das Resultat interner Abrechnungen innerhalb der Kommunistischen Partei.

M: Karabatan hat aber die Beweise dafür, dass die Morde sehr wohl Teil der Regierungsstrategie sind, um die Opposition und die Widerstandsbewegung zu bekämpfen. Aus Militärquellen hat Karabatan eine Kopie des Operationsplan Bantay Laya, zu Deutsch Freiheitssicht der Armee erhalten. Darin ist klar umschrieben, dass das Militär die Mitglieder von progressiven Organisationen in den Provinzen ausfindig machen und diese neutralisieren soll. Im Unterschied zu früheren Aufstandsbekämpfungsplänen, steht bei diesem nicht die Bekämpfung der bewaffneten Guerilla im Vordergrund, sondern die Eliminierung aller Personen, die das Militär verdächtig, dass sie die Guerilla unterstützen könnten.
Gleichzeitig ist Präsidentin Arroyo wegen dem Wahlbetrug 2004 und massiver Korruption in ihrer Familie in der philippinischen Gesellschaft sehr umstritten. Die Morde sind also auch eine Form kritische Stimmen, die die Absetzung von Frau Arroyo fordern, zum schweigen zu bringen. Der Operationsplan Bantay Laya steht ganz im Sinne des von den USA geführten Krieg gegen Terrorismus, entsprechend fliesst die US-Militärhilfe an das Arroyo Regime.

O-Ton 30+31: We have had researche…for 2006
Unsere Untersuchungen ergaben, dass die Regierung rund 3.5 Milliarden US Dollar Militärhilfe von den USA erhielt und die Regierung beantragt eine weitere Milliarde für dieses Jahr. Denn der Operationsplan geht dem Ende entgegen. Dies erklärt auch, dass die Morde extrem zugenommen haben. Während im letzten Jahr noch alle zwei Wochen jemand umgebracht wurde, werden im Moment fast täglich Leute umgebracht.

M: Für Karapatan bedeutet dies, dass sie kaum die Kapazität haben, all die Morde zu dokumentieren und daneben hat auch die Zahl der Verschwundenen stark zugenommen. Nach ein paar Takten Musik von Pinikpikan berichtet Ruth Cervantes von ihrer Arbeit bei Karapatan und wie die Organisation unterstützt werden kann.

Musik:

M: Karapatan ist eine Dachorganisation von Menschenrechtsgruppen, Einzelpersonen und kirchlichen Menschenrechtskommissionen. Sie sind nicht in der Lage die Morde zu stoppen aber sie versuchen die Opfer so weit es in ihren Möglichkeiten liegt zu unterstützten.

O-Ton 35: We cannot really do anything… Justice for the victims.
Wenn die Regierung und das Militär ihre Pläne wahr machen, haben wir keine Macht dagegen. Was wir tun können, ist alle Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, damit die Leute die Regierung zur Verantwortung ziehen können. Wir intensivieren unsere Kampagne gegen diese politischen Morde, damit die Öffentlichkeit informiert ist und ihren Protest zum tragen bringt. Wir versuchen Druck auf die Regierung auszuüben, die Morde zu stoppen. Wir unterstützen auch die Opfer Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel die Familien deren Angehörige ermordet wurden. Viele müssen fliehen, es gibt viele interne Flüchtlinge. Viele Witwen, die allein die Kinder durchbringen müssen. Wir unterstützen auch die Opfer von gewalttätigen Auflösungen von Demonstrationen. Wir unterstützen Menschenrechtsopfer wenn sie Anklage erheben und vor Gericht gehen. Wir suchen Anwälte und Anwältinnen für sie, die sie wenn möglich gratis vertreten. Wir versuchen Geld aufzutreiben um die Überlebenden zu unterstützen.
Weiter machen wir die Regierung für die massiven Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Wir kennen zwei Arten von Gerichten hier. Die offiziellen Gerichte, wo die Gerichtsmühlen ganz langsam mahlen und dann Volkstribunale, wo die Philippinische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft die Richterinnen und Richter sind. Das ist ein Ort, wo wir Gerechtigkeit für die Opfer fordern.

M: Karapatan arbeitet mit sehr wenigen finanziellen Mitteln, die meisten Mitglieder arbeiten freiwillig oder erhalten eine kleine Entschädigung für Mahlzeiten und Fahrspesen. Gerade in Zeiten wie diesen, ist die moralische und finanzielle Unterstützung aus dem Ausland sehr wichtig.

O-Ton 37: Write letters of appeal….respective countries.
Schreibt Protestbriefe an die Philippinische Regierung und/oder an die Menschenrechtskommission der UNO.
Um die Opfer besser unterstützen zu können möchten wir Euch um Spenden bitten. Wir möchten Leute auch einladen hier her zu kommen, um an Protestaktionen und Menschenrechtsdelegationen teilzunehmen. Oder Protestaktionen vor der Philippinischen Botschaft oder dem Konsulat in eurem jeweiligen Land durchzuführen.

M: Soweit das Interview mit Ruth Cervantes von Karabatan über die politischen Morde auf den Philippinen. Nach ein paar Takten Musik gebe ich das Bankkonto von Karabatan durch, falls ihre die Arbeit von Karabatan mit einer Spende unterstützen möchtet. Mit Karapatan in Verbindung treten, könnt ihr über die Email-Adresse, dieser Berichteserie Balita ng Pilipinas.

Musik

Spenden an Karapatan können überwiesen werden an
Metro Bank, Kalayaan Ave, Quezon City. Philippinen.
Die Konto Nr. Lautet 2-186-00268-1
Der Swift Code: lautet alles grosse Buchstaben: MBTC PHMM

Wem das alles zu schnell ging oder wer mit Karabatan in Verbindung treten möchte, kann gerne an Balita ng Philippinas schreiben. Die Email Adresse lautet bnplora@gmail.com
Das war ein Bericht von Bianca, direkt aus Manila.

Musik


Kommentare
13.07.2006 / 14:54 RDL, Radio Dreyeckland, Freiburg
gesendet am 12. und 13. Juli
Infomagazin