Focus Europa No. 117 vom 11.7.2006

ID 13209
 
Hintergründe und Interview zum Bush-Besuch in Stralsund und zum G8 in St.Petersburg. Nachrichten: +++ Solana empfängt Iran-Unterhändler, EU-Migrationskonferenz in Rabat/Marokko eröffnet +++ Gericht bestätigt repressive Einwanderungspolitik +++ "Initiative 11.000 Kinder": Deutsche Bahn blokiert Aufarbeitung der eigenen Geschichte im NS +++
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17:40 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.07.2006 / 13:01

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav, david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.07.2006
keine Linzenz
Skript
Werfen wir zuerst einen kurzen Blick darauf was sich in den Institutionen der EU tut:


EU-Außenbeauftragter Solana empfängt heute iranischen Unterhändler

Im Atomstreit wollen der iranische Chefunterhändler Laridschani und der EU-Außenbeauftragte Solana heute in Brüssel erneut über das seit fünf Wochen vorliegende internationale Kompromissangebot beraten. Nach Auffassung der iranischen Regierung gibt es noch Unklarheiten. US-Außenministerin Rice betonte in Washington nach einem Treffen mit ihrer britischen Kollegin Beckett, es sei wirklich an der Zeit für eine offizielle Antwort des Iran. Frau Beckett verwies auf die darin enthaltenen Anreize für die Führung in Teheran, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.Die fünf Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat und Deutschlands bieten wirtschaftliche und politische Unterstützung an, wenn der Iran auf sein Programm zur Urananreicherung verzichtet.

Ob bei dem Treffen auch Menschenrechtsfragen angesprochen werden ist unklar,
Erst geßtern hatte der Rat der europäischen Union eine Deklaration verabschiedet in der die Verhaftung des Regimekritikers und Philosophie-Proffessors Dr. Ramin Jahanbegloo kritisiert wurde. Die EU fordert u.a. den Iran auf für eine rechtsstaatliche Behandlung und eine anwaltlichen Beistand des Festgenommenen zu sorgen. Laridschani befindet sich im berüchtigten Evin Gefägnis von Teheran, in dem die meisten politischen Gefangenen festgehalten werden. Offiziell wird dem Philosophen Spionage vorgeworfen.



EU initieert Konferenz zur Migration in Rabat/Marokko


In der marokkanischen Hauptstadt Rabat wurde am Montag eine internationale Konferenz über »Migration und Entwicklung« eröffnet. An dem zweitägigen Ministertreffen, das auf eine spanische Initiative zurückgeht, beteiligen sich 30 europäische und 27 afrikanische Staaten sowie die Europäische und die Afrikanische Union. Auf der Konferenz von Rabat soll ein »Aktionsplan zur Eindämmung der illegalen Einwanderung« beschlossen werden. Dabei soll es einerseits um militärische Maßnahmen, andererseits um Entwicklungsprojekte gehen.

Seit Beginn dieses Jahres sind gut 10 000 Menschen aus Afrika illegal auf die Kanarischen Inseln gelangt - mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2005, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. Zudem seien geschätzte 40 Prozent der Migranten bei dem Versuch, den Atlantik oder das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben gekommen.

Die EU stellte Mauretanien am Montag 2,5 Millionen Euro für die Auswanderungskontrolle zur Verfügung. Darauf hatte vor allem Spanien gedrungen, da die meisten Boote zu den Kanaren von der mauretanischen Küste abfahren. Laut Ferrero-Waldner sollen die Patrouillen zu Lande und zur See verstärkt werden. Dafür soll das westafrikanische Land vier Spezialboote erhalten. Ferner soll die Abschiebung aufgegriffener Flüchtlingen finanziert werden. Vor dem Konferenzort waren gestern Demonstrationen von in Marokko gestrandeten illegalen Einwanderern geplant. Sie kritisieren, dass sie an den Beratungen nicht beteiligt sind.

In einem Interview mit der Taz kritisierte der marokkanische Migrationsexperte Mehdi Lahlou dass in der Migrationspolitik der EU die eigenen Sicherheitsinteressen im Vordergrund stehen:
In Afrika haben wir ein großes wirtschaftliches und soziales Ungleichgewicht. Und wir haben auch einen Mangel an Bürgerrechten und Demokratie. Aber Europa redet darüber, als wäre Afrika ganz alleine daran schuld. Auch wenn von Entwicklung die Rede ist: Europa setzt auf die Wahrung von Sicherheitsinteressen. Es wird viel von Entwicklung geredet, aber das ist alles nur Theorie. Auf dem Gebiet der Sicherheit werden Mittel bereitgestellt, werden die entsprechenden Institutionen ins Leben gerufen. In der Entwicklungspolitik hingegen gibt es weder Geldmittel im nötigen Umfang noch die notwendigen Strukturen.
Anstatt die Flüchtlinge zu bekämpfen, meint Mehdi Lahlou, käme es darauf an, für gerechte Welthandelsbedingungen zu sorgen:
Die USA müssten aufhören, die eigene Baumwolle zu subventionieren, damit die Baumwollindustrie in Afrika eine Zukunft hat. Wir bräuchten einen Kehrtwende in der europäischen Landwirtschaftspolitik, damit afrikanische Produkte Zugang zum europäischen Markt haben. Die Fischfangflotten müssten aufhören, den Atlantik leer zu fischen. Denn wenn die Baumwollindustrie, die Landwirtschaft und der Fischfang in Afrika keine Perspektive haben, dann werden noch viel mehr Menschen als heute ihr Glück in der Emigration suchen.

Nun noch zwei Nachrichten zu Ereignissen in Deutschland

Gerichtsurteil bestätigt repressive Einwanderungspolitik

Während auf dem kommenden Intergrationsgipfel der Bundesregierung hauptsächlich von Pflichten von Migranten die rede sein wird, zeigt ein neues Gerichtsurteil das Ausländer in der BRD nicht zu „Gast bei Freunden sind“. Anders als in anderen europäischen Ländern dürfen Migranten auch dann abgeschoben werden, wenn sie schon seit Jahren in Deutschland leben:

In Deutschland lebende geduldete Ausländer haben nach einem Urteil des Hessischen VGH auch nach mehreren Jahren kein Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis. Eine Abschiebung stelle weder im Hinblick auf den langen Aufenthalt noch auf die nicht abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung von Kindern einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Kläger dar. Die Kläger seien ihrem Heimatland nicht in einer Weise entfremdet, dass eine Wiederintegration nicht möglich wäre, heißt es in der Entscheidung. Damit wiesen die Richter in zweiter Instanz die Klage einer sechsköpfigen Familie aus dem Kosovo ab, die zwischen 1992 und 1994 nach Deutschland eingereist war. Die Ausländerbehörde hatte nach erfolglosem Abschluss der Asylverfahren auf eine zwangsweise Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung verzichtet



















Deutsche Bahn blockiert Gespräche über eine Austellung welche die Mitschuld der Reichsbahn an der Deportation von Juden im Nationalsozialismus dokumentiert.

Die geplanten Gespräche über das Gedenken an die NS-Deportationen auf dem
deutschen Schiennentz sind gescheitert. Auf das Treffen hatten sich die Initiatoren des Gedenkens (Fils et Filles des Déportés Juifs de France/Initiative Elftausend Kinder) mit dem Bundesminster für Verkehr verständigt. Als weitere Teilnehmer waren die Spitzen der Deutschen Bahn AG und des Zentralrats der Juden in Deutschland geladen. Wie es
in Vorbereitung der langfristig vereinbarten Gespräche hieß, sollte versucht werden, eine Ausstellung über elftausend deportierte Kinder auf den deutschen Publikumsbahnhöfen zu ermöglichen. Die Präsentation der Exponate wird seit zwei Jahren vom Berliner Bahnvorstand verhindert, der sämtliche Stationen für das öffentliche Gedenken sperrt und Kontakte mit den Initiatoren ablehnt. Als die Vertreter der französischen Opferorganisation um Beate Klarsfeld und Repräsentanten der deutschen Initiativen bereits aus Paris und mehreren Bundesländern abgereist waren, wurde ihnen mitgeteilt, dass sie nicht empfangen werden. Grund der Absage seien Terminschwierigkeiten, behauptete das
einladende Verkehrsministerium. "Es handelt sich um einen Affront, den wir zur Kenntnis nehmen; die Durchsetzung des Gedenkens wird er nicht verhindern", sagt Prof. Dr. Gudrun Hentges in einem Interview mit Frau Hentges ist Delegierte der deutschen
Initiative "Elftausend Kinder" und hielt sich wegen des jetzt abgesagten Treffens in Berlin bereit.