Hitlers umstrittener Liebling. Breker-Ausstellung in Schwerin

ID 13272
 
60 Jahre lang konnten die Werke des Nazibildhauers Arno Breker nicht gezeigt werden. 2005 wurde eine Ausstellung unter anderem durch eine Unterschriftensammlung von Intelektuellen und KünstlerInnen verhindert. In diesem Jahr wird sie jedoch stattfinden. Die Neonaziszene jubelt. (keine Anmod!)
(Der verlesene Text ist unter www.3sat.de zu finden)
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Upload vom 10.12.2006 / 10:53

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Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Julia Hartung
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 14.07.2006
keine Linzenz
Skript
entnommen aus: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3...

Hitlers umstrittener Liebling
Eine Breker-Ausstellung in Schwerin zeigt 70 Werke des Bildhauers

Es ist ein brisantes Unterfangen: Niemand wollte den Bildhauer Adolf Hitlers, Arno Breker, bisher im öffentlichen Raum ausstellen. 2005 hat die Stadt Schwerin wegen des 60-jährigen Kriegsendes einen Rückzieher von einer geplanten Schau gemacht. Nun, ein Jahr später, sollen die Menschen sehen, wie "vielfältig der Künstler Arno Breker" war. Die noch lebende Witwe des Künstlers hat 70 Werke ihres Mannes zur Verfügung gestellt, die ab dem 21. Juli in Schwerin zu sehen sein werden.

Mehr als 60 Jahre hat niemand Breker zeigen wollen. Rudolf Conrades, der Ausstellungsmacher, will dies nun ändern. 70 Werke des NS-Künstlers hat er sich von dessen Witwe schicken lassen. Im städtischen Kulturzentrum werden sie nun aufgebaut. Alles längst überfällig, wie er meint. "Wir haben Heinz Rühmann, wir haben Karajan, wir haben Gustav Gründgens, wir haben also eine große Reihe von Künstlern. Wir haben Max Schmeling, wir haben den Raumfahrtexperten. Wir haben so viele Leute, die ganz groß waren im Dritten Reich und danach auch wieder ganz groß. Und Breker hat sich nicht an irgendwelchen Schweinereien beteiligt. Er war Bildhauer."

Überdimensional und riesig

Allerdings war er nicht irgendein Bildhauer, sondern der Lieblingskünstler Adolf Hitlers. Paris ist frisch erobert, als ihn Arno Breker durch die Stadt führt - Kunst anschauen. Alle saßen sie ihm Porträt: Hitler, Goebbels, Hess. Das Menschenbild der Nazis stilisierte er überdimensional und riesig. Der Öffentlichkeit wird es bald nahe gebracht in Räumen, in denen sonst eher lokale Künstler ausstellen. "Das wird hier im Raum weiter nichts sein als Reliefs an den Wänden und dazu Vitrinen mit Informationsmaterial", erklärt Ausstellungsmacher Rudolf Conrades. "Und hier in diesen beiden Räumen kommen dann auch noch Sachen aus der Zeit des Dritten Reiches rein. Und in diese drei Räume, die so ineinander laufen, kommt dann der Nachkriegs-Breker." Ihm sei es "völlig wurscht", so Conrades, ob man "diese extrem breiten Schultern fantastisch findet und drauf abfährt, oder ob man sagt, das ist Kitsch".

Die Direktorin des Staatlichen Museums Schwerin, Kornelia von Berswordt-Wallrabe, hingegen fordert: "Sagt die Ausstellung sofort ab!" In ihrem Haus wird Ernst Barlach gezeigt, der von den Nazis als "entartet" beschimpft wurde, ein Sohn der Stadt. Aus Achtung der verfolgten Künstler und ihrer Angehörigen will Berswordt-Wallrabe keine Breker-Werke in ihrer Stadt. Diese seien reine Ideologie, keine Kunst. Sie sagt über Breker: "Ein Körper musste abgeschlossen sein in brutalster Linie. Das ist Breker. Das ist nicht Otto Freundlich. Und es ist eben nicht trivial. Zumindest Freundlich ist in Majdanek umgekommen. Er ist dort umgebracht worden. Das sind Künstlerschicksale. Und da wusste Herr Breker sehr gut Bescheid."

Herrische Gesichter ohne Ich-Bewusstsein

Unzählige Skulpturen entstehen in riesigen Werkstätten, beinahe im Akkord. Alles soll rechtzeitig fertig werden für die neue Reichshauptstadt "Germania". Herrische Gesichter ohne jegliches Ich-Bewusstsein. Während drum herum gemordet und gestorben wird, feiern die braunen Künstler. Der Führer schenkt seinem Lieblingskünstler zum Dank für all den Fleiß ein eigenes Schloss. Was einst die Reichskanzlei schmücken sollte, steht nun in Schwerin. Für Kornelia von Berswordt-Wallrabe besteht nun die Gefahr, "dass man das jetzt wieder in den Kunstkontext einschleusen möchte, und dafür gibt es gar keinen Grund. Denn die Stücke selbst sind keine Kunst. Das Ganze ist ein wunderbares Geschäft."

Rechsradikale kündigen Besuch an

Im Internet kursieren indes Lobeshymnen auf die Breker-Ausstellung: "Endlich Kultur, die ihren Namen auch verdient", heißt es da. Rechtsradikale kündigen schon jetzt ihren Besuch an und wettern über den Schund zeitgenössischer Künstler. Auch CDs zu Ehren des NS-Künstlers gibt es bereits. Kritische Begleittexte der Ausstellung werden jedoch als zu vernachlässigendes Zusatzgeschwafel abgetan. Ausstellungsmacher Conrades mildert ab: "Also, wenn die Skinheads kommen sollten und eine Karte lösen, dann wäre das soweit erst einmal positiv. Wenn sie dann die Ausstellung ruhig besichtigen sollten, dann wäre das auch in Ordnung. Dann können sie sich ihr eigenes Bild machen." Der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, ist skeptisch: "Eine Ausstellung, die man macht, ist immer auch eine Form der Würdigung und Ehrung. Wie kritisch man da ein paar Anmerkungen macht und die Plastiken und Skulpturen sind in der Regel stärker."

Klaus Staeck hat bereits einmal erfolgreich gegen Breker protestiert. Mit mehr als 300 Künstlern, Schriftstellern und Museumsleuten verhinderte er, dass NS-Kunst in die Museen kam. Genau das wollte nämlich der Kunstsammler Peter Ludwig, der sich zuvor samt Gattin von Breker hatte porträtieren lassen. Schwerins Kulturdezernent Hermann Junghans versteht die ganze Aufregung nicht. Schon sieht er Touristenmassen kommen, andere Städte neidisch auf so viel Mut werden. Ansonsten muss ja auch noch die Gästeliste aufgestellt werden. "Wir sind froh, dass der Kultusminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern zugesagt hat und zur Ausstellungseröffnung sprechen wird. Das ist ein deutliches Zeichen, dass das Land an unserer Seite steht", meint Hermann Junghans (CDU), Kulturdezernent der Stadt Schwerin. Für Klaus Staeck ist es eher "skandalös", dass "ein Minister meint, diese Ausstellung eröffnen zu müssen. Das ist dann schon die Anerkennung, die Leute, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben, ihm zu Recht verweigert haben".

Bis zu seinem Tod 1991 machte Arno Breker weiter. Viele Prominente ließen sich von ihm verewigen. Doch seine Heroen standen in keiner öffentlichen Ausstellung mehr, stattdessen sehr privat in seinem Garten. Ab dem 21. Juli 2006 wird das anders sein.

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[3] http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/7... (Kunstdiktator - Wie Hitler die Ästhetik für 1000 Jahre bestimmen wollte)
[4] http://www.3sat.de/kulturzeit/tips/84005... (Weihestätte der Kunst - Das histori[...]Haus der Kunst öffnet seine Pforten)
[5] http://www.3sat.de/kulturzeit/news/50498... (Verehrt und umstritten - Leni Riefe[...]t im Alter von 101 Jahren gestorben)
[6] http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/915... (Kämpferischer Neuanfang - Der neue [...] Staeck will sich wieder einmischen)

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