Focus Europa Nr.157

ID 13774
 
Interview mit dem Journalisten Tobias Müller: "Niederlande - Neue Debatte über Kolonialismus und Sklavenhandel" (Teil II) +++ Nachrichten: Europaparlament mildert Türkei-Bericht ab +++ Antiziganismus in der Türkei +++ Beziehungen EU-Rußland +++ Neue Atomkraftpläne in Großbritannien +++
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15:50 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.09.2006 / 13:24

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Julia, David
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 05.09.2006
keine Linzenz
Skript
EP mildert Türkei-Bericht ab


Im Europarlament sind die schärfsten Kritiker des EU-Beitrittskandidaten Türkei überstimmt worden. Der außenpolitische Ausschuss verabschiedete am Montagabend in Straßburg mit deutlicher Mehrheit einen deutlich abgemilderten Fortschrittsbericht.

Kritisiert wurden darin Mängel bei der Meinungs- und Religionsfreiheit, bei der Achtung der Rechte von Frauen und Gewerkschaften und der wirksamen Umsetzung von Gerichtsurteilen. Grundsätzlich wird die Verankerung der Türkei in den europäischen Strukturen nicht bezweifelt. Positiv werteten die Parlamentarier die verstärkten Anstrengungen Ankaras im Kampf gegen Korruption sowie die Verabschiedung eines Anti-Terrorgesetzes in der Türkei. Gerade dieses Anti-Terror wurde jedoch in der letzten Zeit von Menschenrechtsgruppen stark kritisiert. Kritiker warfen der türkischen Regierung vor sie habe unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror die bisherigen Reformen zur wahrung der Menschenrechte wieder rückgängig gemacht.


Antiziganismus in der Türkei

Ausgerechnet im diesjährigen internationale Roma-Jahr mehren sich Diskriminierungen gegen Roma in der Türkei. Das berichtet die FR in ihrer heutigen Ausgabe. Quer durch das Land mehren sich Meldungen, dass dort im Namen von Stadtmodernisierung und Erneuerung Romaquartiere niedergerissen und damit tausende Familien ihre Existenz beraubt werden.

In Ankara hat die Stadtverwaltung im August die Häuser von 170 Romafamilien geschleift, 400 weitere sollen folgen, um Platz für vielstöckige private Wohnhäuser zu schaffen. In Bursa garantierten Kampftruppen der Polizei den Abriss von über hundert Romabaracken um Platz für einen neuen Kulturpark zu schaffen. Am schlimmsten sei die Situation aber in Istanbul, wo Roma seit mehr als tausend Jahren leben. Dort wird derzeit das RomaViertel Sulukule abgerissen um Luxuswohnungen zu bauen. Bereits am 19. Juli wurden in Istanbul-Kadiköy 120 Romabehausungen dem Erdboden gleichgemacht. Die Bewohner wurden teilweise mit Polizeigewalt aus ihren Wohnungen vertrieben. Entschädigungen gab es nur ein einem sehr begrenzten Rahmen. Entschädigungssummen von tausend bis viertausend erscheinen wie Hohn angesichts von Wohnungen am Rande der Metropolen die bis zu 25 000 Euro kosten.
Doch die circa zwei Millionen Roma in der Türkei haben kaum eine Lobby. Seit Gründung der Republik versucht der Staat, sich die Çingene (Zigeuner) vom Leib zu halten, und gegen alle Diskussionen in Europa werden in der Türkei die Roma selbst per Gesetz diskriminiert. Das Ansiedlungsgesetz von 1934 verbietet es, ausländische Roma zu Staatsbürgern zu machen und der Artikel 134 der polizeilichen Dienstvorschrift beschreibt Roma als "tendenziell kriminell" und stuft sie als "Sicherheitsrisiko" ein.

IN Kirklareli einem der Hauptsiedlungsgebiete der Roma haben Nur ein Prozent der 40 000 Roma einen festen Arbeitsplatzes, der Rest arbeitet im informellen Sektor. 80 Prozent leben in selbst gebauten Hütten mit nur einem Zimmer.


Briten laufen Sturm gegen Atomkraftpläne der Regierung

In Großbritannien regt sich Widerstand gegen das Regierungsprogramm, neue Kernkraftwerke zu bauen. Die Umweltgruppe "Camp for Climate Action" hat zu einer Protestveranstaltung vor der Toren des Kohlekraftwerkes "Drax" in Yorkshire aufgerufen, um gegen die Energiepolitik der Regierung zu demonstrieren.

Schon zu Beginn dieser Woche hatten sich Mitglieder der Protestgruppe "Reclaim Power" an die Zugangstore des Kernkraftwerkes von British Energy in Hartlepool in Teesside gekettet, um gegen den Entscheid für eine neue Generation von Kernkraftwerken in Großbritannien zu kämpfen. Die Region um das Kraftwerk "Drax" hat sich den Spitznamen "Megawatt-Valley" eingehandelt, da in dem Tal mehrere Kraftwerke liegen. Ihr Standort könnte für Kraftwerke der neuen Generation in Erwägung gezogen werden.

Doch nicht nur traditionelle Umweltschützer und Protestgruppen sind empört über das neue Energieprogramm der Regierung. Breite Kritik gibt es von viele Briten. V.a auch deswegen, weil es in Großbritannien keinerlei Konzepte für eine Endlagerung des atomaren Abfalls vorhanden sind.

Auch die jetzt von Premierminister Tony Blair forcierte Ausrichtung der Energiepolitik auf neue Kernkraftwerke läßt die Frage der Entsorgung weitgehend außer acht. In dem kürzlich vorgelegten Energiebericht der Regierung heißt es lediglich, die Entsorgung des atomaren Mülls müsse von der Privatwirtschaft geleistet und bezahlt werden. Wie die Endlagerung jedoch aussehen soll, steht in den Sternen. Sie ist weder geklärt für Atommüll aus dem bisherigen Atomprogramm noch für radioaktiven Abfall neuer Kraftwerke.

Auch der amerikanische Energieriese General Electric Co rechnet mit einer Rennaissance der Kernenergie. "Die Nuklearenergie kommt zurück", sagte GE-Manager Fernando Beccalli-Falco im Gespräch mit dem Handelsblatt Zurzeit erweitert General Electric seine Forschungskapazitäten für Kernenergie in North-Carolina.GE stelle sich damit auf eine weltweit steigende Nachfrage ein, die der Konzern mit einer neuen Generation von Leichtwasserreaktoren befriedigen will. Vor allem der amerikanische Heimatmarkt verlange wieder nach neuen Kernkraftwerken. In den USA ist seit 25 Jahren kein neues Kernkraftwerk mehr gebaut worden, doch derzeit laufen die ersten Ausschreibungen.

Weltweit haben zahlreiche Staaten den Bau neuer Kernkraftwerke angekündigt. Neben den USA und Großbritannien gehören dazu die Türkei, mehrere osteuropäische Länder, Indien und China. Alleine die Chinesen planen den Bau von 26 neuen Anlagen.






Deutschland fordert verstärkte Beziehungen der EU zu Rußland
Deutschland drängt die Europäische Union zu einer engeren Verbindung mit Russland, die auch eine militärische Zusammenarbeit beinhalten soll.

Eine verstärkte Annäherung soll durch eine zunehmende Verfechtung der gegenseitigen Beziehungen vorangetrieben werden. Diese Forderung hat Außenminister Steinmeier am Wochenende auf dem informellen Treffen der EU-Außenminister in finnischen Lappeenranta vorgetragen. Das Konzept beruht auf einem Strategiepapier des Auswärtigen Amtes. Ziel des Strategiepapiers ist ein neues, umfassenderes Vertragswerk über die Beziehungen zwischen Russland und der EU. Die derzeitigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens laufen im kommenden Jahr ersetzen soll.

Das neue Strategiepapier ist vom Planungsstab des Auswärtigen Amtes und vom Russland-Beauftragten der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU), ausgearbeitet worden. Darin werden "neue Kooperations- und Integrationsangebote" der EU an Russland verlangt, um die "Verankerung" des Landes in Europa durch enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen (Zitat) "irreversibel zu machen". Als mittelfristige Ziele nennt der Text eine Freihandelszone, eine Energiepartnerschaft, enge Beziehungen auf den Gebieten der Forschung, Bildung und Kultur sowie eine engere militärische Zusammenarbeit. Sie soll zunächst auf zivilem Gebiet und bei der Katastrophenhilfe stattfinden, aber auch auf gemeinsame Kampfeinsätze ausgedehnt werden.

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05.09.2006 / 15:00 frannz, Radio Dreyeckland, Freiburg
interview verwendet für zip fm
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