focus europa nr. 172 vom 26.9.2006

ID 13984
 
Nachrichten:
- Aktion gegen "Totalprotokollierung der Telekommunikation
- Kampf um Energiemärkte
- Teile und Herrsche
- Dänemark: Protest gegen Schließung linksalternativen Jugendhauses
- UNHCR bedauert Schweizer Asyl-Abstimmungsresultat
Interview:
- Stefan Tenner von Radio Corax sprach mit Jan Golay vom schweizer Flüchtlingsrat zur Volksabstimmung am Wochenende
Audio
15:49 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.09.2006 / 12:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Jugend, Umwelt, Internationales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 26.09.2006
keine Linzenz
Skript

Verheerend für die Meinungsfreiheit
Aktion gegen "Totalprotokollierung der Telekommunikation

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, hat am Montag eine Kampagne gegen die von SPD und Union geplante Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten gestartet. Das Angebot: Auf einem speziellen Internetportal können besorgte Bürger Offene Protestbriefe verfassen, die automatisch an alle 448 Bundestagsabgeordnete der Koalition versandt werden. "Die Vorratsdatenspeicherung privatester Kommunikationsdaten widerspricht jeglicher Verhältnismäßigkeit und würde sich verheerend auf die Meinungsfreiheit auswirken," so Bettina Winsemann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zur Begründung.
"Gespräche mit der Telefonseelsorge, mit Anwälten, mit Presseinformanten - all dies würde für die zugriffsberechtigten Personen und Behörden ein offenes Buch werden. Die Speicherung von Geschäftskontakten würde auch der Wirtschaftsspionage Tür und Tor öffnen", fürchtet Winsemann.
Das Bundesjustizministerium erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Einem Bundestagsbeschluss vom Februar 2006 zufolge soll ab Mitte 2007 zur verbesserten Strafverfolgung über einen Zeitraum von sechs Monaten nachvollziehbar werden, wer mit wem per Telefon, Handy oder Email in Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Neben Polizei und Staatsanwaltschaften hätten auch die Geheimdienste und ausländische Staaten wie die USA Zugriff auf die Daten.

Kampf um Energiemärkte

Der deutsche Energiestaatssekretär Joachim Wuermeling hat bei einer Energiekonferenz der EU-Kommission in Brüssel eine stärkere Rolle der EU in der "Verteidigung der europäischen Energieinteressen in der Welt" gefordert. Die Ratspräsidenten, Energie- und Außenkommissare, der hohe Beauftragte für die Außenpolitik, Energie- und Außenminister der Staaten verhandelten munter durcheinander. Für Wuermeling ist die Verteidigung der globalen Energieinteressen neben der Verwirklichung des Binnenmarktes für Strom und Gas die wichtigste europäische Aufgabe in der Energiepolitik.
"Als rohstoffarmes Land ist Deutschland in hohem Maße auf Energieimporte angewiesen", hatte Wuermeling schon am 11. September auf dem 1. Deutschen Energiekongresses der Süddeutschen Zeitung und des VKU "Energiewirtschaft im Wettbewerb" gesagt. Nach aktuellen Prognosen werde unsere Importabhängigkeit von heute rund 62 Prozent auf über 70 Prozent im Jahr 2020 steigen.


Teile und Herrsche

Deutsche Politikberater warnen vor der zum Jahresende angekündigten Abspaltung
des Kosovo von Belgrad. Die EU und die USA seien "schlicht auf dem Weg
zur Öffnung der Büchse der Pandora", urteilt Dr. Anneli Ute Gabanyi
von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Wie Dr.
Gabanyi behauptet, sei die Loslösung des Kosovo "der erste Fall ein er
Spaltung eines einheitlichen Staates" und könne daher
Präzedenzfunktion für andere Sezessionsbewegungen gewinnen. Dies
bezieht sich vor allem auf Transnistrien, eine Teilrepublik
Moldawiens, die seit Jahren faktisch von Chisinau unabhängig ist und
sich Russland anschließen möchte. Andere Abspaltungskandidaten sind
die georgischen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien, letzteres
ebenfalls mit Anschlusswunsch an Russland. Moskau hat verlauten
lassen, man behalte es sich vor, der Sezession des Kosovo im
UN-Sicherheitsrat nur dann zuzustimmen, wenn zugleich die genannten
drei Teilrepubliken ebenfalls die Eigenstaatlichkeit erhielten. Zudem
werden in der russischen Hauptstadt Kriegsdrohungen gegen Georgien
laut.

Dänemark: Protest gegen Schließung linksalternativen Jugendhauses

Bei einer Kundgebung linksgerichteter Jugendlicher hat die dänische Polizei am Sonntag in Kopenhagen mehr als 200 Demonstranten festgenommen. Die Sicherheitskräfte hätten einschreiten müssen, weil die Teilnehmer der nichtgenehmigten Demonstration den Verkehr blockiert hätten, behauptete ein Polizeisprecher. Daraufhin seien die Beamten mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Die Jugendlichen hätten Mülleimer angezündet und Straßensperren errichtet. Insgesamt 220 Demonstranten seien in festgenommen worden. Etwa 50 von ihnen befanden sich am Montag noch in Polizeigewahrsam.
Protestteilnehmer warfen der Polizei vor, aggressiv gegen die Demonstration vorgegangen zu sein. Mit der Kundgebung wollten die Jugendlichen gegen die Schließung eines linksalternativen Jugendhauses in Kopenhagen demonstrieren, das die Stadt an eine christliche Gemeinde verkauft hat. Die derzeitigen Nutzer des »Ungdomshuset« befürchten, daß der neue Eigentümer die Räu! mung des kulturellen Zentrums veranlassen wird.

UNHCR bedauert Schweizer Asyl-Abstimmungsresultat

Nach der Volksabstimmung in der Schweiz haben sich die Vereinten Nationen erneut kritisch zu den verschärften Asyl- und Ausländerbestimmungen des Landes geäussert. Mehr als zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung hatte den Gesetzen am Sonntag zugestimmt. "Wir haben die Ergebnisse zur Kenntnis genommen und bedauern, dass diese neuen, einschränkenden Gesetze angenommen wurden", sagte William Spindler, Sprecher des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, am Montag in Genf. "Im Rahmen unseres Mandates bieten wir den Schweizer Behörden weiterhin unsere Hilfe an", fügte er hinzu. Damit solle sichergestellt werden, dass die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden beachtet würden.
Das UNHCR hatte schon nach der Verabschiedung der Regelungen durch die Regierung und beide Kammern des Parlaments seine Besorgnis ausgedrückt. So seien die Zahl der Asylsuchenden europaweit deutlich zurückgegangen und lägen etwa in der Schweiz auf dem tiefsten Stand seit 1987. Eine Koalition linker und grüner Parteien sowie humanitärer Gruppen hatte sich bei der Abstimmung gegen einen massiven bürgerlichen Block nicht durchsetzen können.
Die Gesetze regeln die Ein- und Ausreise von Ausländern, den Aufenthalt sowie den Familiennachzug. Zudem soll eine bessere Integration der anderthalb Millionen Menschen, die ohne Schweizer Pass im Land leben, gefördert werden. Allerdings gilt dies vor allem für qualifizierte Fachkräfte. Abgewiesene Asylsucher sollen schnellstens ausgewiesen werden, eine Behinderung der Behörden dabei kann strafbar sein.
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