Du bist Bertelsmann (2. Version)

ID 14020
 
(leicht überarbeitete Version)
Es geht um das Schalten und Walten der reichsten und wohl mächtigsten Stiftung Deutschlands, der Bertelsmanstiftung. Es gibt heute kaum einen Politikbereich mehr, in dem diese Stiftung nicht ganz vorne mitmischt. Manche sehen sie bereits als heimliche Strategiezentrale der Republik.
Audio
06:50 min, 4807 kB, mp3
mp3, 96 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 28.09.2006 / 12:09

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Christoph Gommel
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 28.09.2006
keine Linzenz
Skript
Dass Interessengruppen durch massive Lobbyarbeit Einfluß nehmen auf politische Entscheidungen ist nichts neues. Dieses Phänomen ist so alt wie der Kapitalismus selbst.

In den letzten Jahren wurden die Lobbystrategien aber immer intensiver und gleichzeitig subtiler. Kampagnen der Arbeitgeberverbände versuchen beispielsweise, mittels Medienkooperationen ihre Positionen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, ohne dabei selbst sichtbar zu werden. Statt einer öffentlichen demokratischen Auseinandersetzung, die dann in politische Entscheidungen mündet, spielt sich ein Großteil hinter den Kulissen ab, während die öffentliche Meinung mit neoliberalen Ideen bearbeitet wird.
Gleichzeitig verstehen sich die Medien selbst immer mehr als politische Akteure und treiben die Debatten um angebliche Reformen voran.

Eine besondere Rolle kommt dabei der Bertelsmann-Stiftung zu. Diese Stiftung, die übrigens die reichste Stiftung Deutschlands ist, betrachtet sich zunehmend als politische Strategiezentrale der Republik. Auf der Web-Site der Stiftung ist zu lesen:
„Deutschland braucht dringend Reformen. Gleichzeitig erweist sich die Politik mit der Konzeption und Umsetzung überzeugender Antworten auf gesellschaftliche Zukunftsfragen aber zunehmend überfordert. An die Stelle strategiefähigen Regierens tritt mehr und mehr die kurzatmige Orientierung an machtpolitisch motivierten Ad-hoc-Lösungen.“
Wo die demokratischen Institutionen bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme versagen, da muß eben die Bertelsmannstiftung ran. Deshalb entwirft sie am laufenden Band neoliberale Konzepte für alle gesellschaftspolitischen Bereiche. Doch dabei bleibt es nicht. Die Stiftung setzt dann auch ihr ganzes mediales Gewicht für die Umsetzung dieser Konzepte ein. Das zeigte zum Beispiel die von ihr initiierte Kampagne „Du bist Deutschland“. Sie lieferte die emotionale Abfederung der von der Stiftung ebenfalls befeuerten Hartzreformen. Auf lange nicht da gewesene Weise wurden die Menschen auf die Volksgemeinschaft eingeschworen. So nach dem Motto. Wir kürzen Dir zwar Dein Arbeitslosengeld, aber dafür darfst Du Dich als Teil des großen Ganzen, der deutschen Nation fühlen, und brauchst deshalb nicht traurig und vor allem nicht wütend zu sein. Der TVSpot der „Du bist Deutschland“-Kampagne lief fast gleichzeitig auf allen großen deutschen Fernsehkanälen.

Die Bertelsmannstiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet. Sie ist die Haupteigentümerin der Bertelsmann AG, einem Weltmedienkonzern mit 88 000 Beschäftigten in mehr als 60 Ländern.
Die Bertelsmann Stiftung definiert sich als parteipolitisch neutral. Sie initiiert und gestaltet ihre Projekte eigenständig. Sie beschäftigt rund 300 Mitarbeiter. Davon sind 185 im konkreten Projektmanagement tätig.
Aufgegriffen werden gerne praxisorientierte Projekte mit Modellwirkung und exemplarischem Charakter in den Themenfeldern Bildung, Wirtschaft und Soziales und internationale Politik.
Es folgen nun zwei konkrete Beispiele dafür, wie die BS immer wieder massiv in die politische Weichenstellungen dieses Landes hineinfunkt:
Im Bereich Bildungspolitik ist hier vor allem das CHE, das Zentrum für Hochschulentwicklung zu erwähnen.
Das CHE ist eine gemeinsame Gründung der Hochschulrektorenkonferenz und der Bertelsmann-Stiftung. Sein Interesse ist, marktwirtschaftliche Konzepte im Bildungswesen durchzusetzen, also beispielsweise Studiengebühren und stärkeren Wettbewerb zwischen den Universitäten einzuführen. Das Zentrum ist einerseits über die Hochschulrektorenkonferenz an einer ganzen Reihe von Beratungskommissionen auf Länderebene beteiligt. Andererseits versucht es, in der Öffentlichkeit für Studiengebühren Werbung zu machen, teilweise mit unsauberen Mitteln. Beispielsweise hat das Zentrum Umfragen mit Suggestivfragen veröffentlicht, die bewusst mit den Protesten der Studenten zusammenfallen sollten. So sollte der Eindruck erweckt werden, die Studentenstreiks wären nur von einer Minderheit getragen worden. Das CHE hat sogar einen eigenen Studierendenverband namens Scheme gegründet.


Aber auch in der Außenpolitik bzw. deren Militarisierung mischt die BS kräftig mit.

"Von Koblenz bis zum Kosovo, von Hameln bis zum Hindukusch reicht mittlerweile das Einsatzgebiet der Bundeswehr", rühmte die Pressestelle der Bertelsmann-Stiftung aus Anlass eines gemeinsamen Auftritts des Stiftungs-vorstands mit dem Brigadegeneral Robert Bergmann.

"Die deutsche Bertelsmann-Stiftung sagt das baldige Ende der globalen US-Dominanz voraus und verlangt eine dramatische Aufrüstung der Europäischen Union", meldete im Juni der außenpolitische Informationsdienst german-foreign-policy.com. Für "Krisengebiete weltweit" habe "eine größere Zahl" von "einsatzfähigen Kräften" bereitzustehen. Als "Faustregel" nennt die Bertelsmann-Stiftung "zehn Soldaten je 1.000 Einwohner der Krisenregion"; dies entspricht, so rechnete german foreign policy aus "280.000 Militärs allein für die Besetzung Afghanistans und einer halben Million für ein vergleichbares Vorgehen im Kongo".

So arbeitet diese Stiftung auf vielfältige Weise an der Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Kommentare
04.10.2006 / 11:14 wolli, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet
im zip-fm vom 04.10.06