Focus europa Nr 191 vom 23.10.06

ID 14313
 
Nachrichten (s. Skript)
Kommentar zur Unterschichtsdebatte (s. Einzelbeitrag)
Audio
17:18 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.10.2006 / 12:53

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Julia und Niels
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 23.10.2006
keine Linzenz
Skript
Berlin
Laut dem Deutschen Industrie und Handelskammertag hat die Abwanderung aus Deutschland 2005 einen Rekord erreicht. Mit 145.000 Wegzügen sei die Zahl der deutschen Auswanderer so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr, sagte DIHK-Präsident Braun. Unter den Emigranten seien besonders viele Menschen unter 35 Jahren.
Panamá
In Panama haben die Bürger bei einem Referendum für die umstrittene Erweiterung des Panama-Kanals gestimmt. Laut vorläufigem Endergebnis stimmten fast 80 Prozent mit Ja. Allerdings lag die Wahlbeteiligung offenbar bei nur 40 %. Das Ergebnis des Referendums ist für die Regierung dennoch bindend.
Das Großprojekt der Kanalbehörde wird nach Angaben von Präsident Martín Torrijos 5,25 Milliarden Dollar (4,16 Milliarden Euro) kosten. Mit dem größeren Kanal soll Panama konkurrenzfähig bleiben, außerdem spricht die Regierung von bis zu 42.000 neuen Jobs. Kritiker sehen allerdings bedeutend höhere Kosten und fürchten Umweltschäden als Folge der Erweiterung.
Der Panama-Kanal wurde zwischen 1904 und 1914 von den Vereinigten Staaten gebaut. Frankreich war zuvor mit einem ähnlichen Plan gescheitert. Er ist etwa 80 Kilometer lang. Schiffe müssen seit seiner Eröffnung nicht mehr das Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas umfahren; dies spart drei bis vier Tage Fahrtzeit.
Jerusalem
Bei einem Treffen Putins mit Israels Regierungschef Olmert am letzten Freitag lobte der russische Präsident seien israelischen Amtskollegen Mosche Katzav, der der Vergewaltigung beschuldigt wird „Was für ein starker Kerl! Zehn Frauen hat er vergewaltigt. Das hätte ich ihm nicht zugetraut", zitierte die Moskauer Tageszeitung "Kommersant" am Donnerstag Putins Worte bei einem Treffen mit Israels Regierungschef Ehud Olmert im Kreml.
Teheran/Tel Aviv.
Pünktlich zum Ausklang des Fastenmonats Ramadan erregte Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad letzten Freitag wieder Aufsehen mit Hasstiraden gegen Israel. "Die Existenz dieses Regimes ist die Wurzel vieler Probleme der heutigen Menschheit, unser Land hat bereits erklärt, dass dieses Regime schon seit seiner Gründung unrechtmäßig ist. Israel ist ein künstliches Konstrukt. Es wurde den Ländern in der Region aufgezwungen, und es kann nicht überleben", erklärte Ahmadi-Nejad vor Beginn des Jerusalem-Tags, der das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan markiert.
An diesem Tag gedenkt man im Gottesstaat jedes Jahr der palästinensischen Bevölkerung. Der iranische Staatschef hatte bereits vor einem Jahr mit seiner Äußerung für weltweite Empörung gesorgt, dass Israel "von der Landkarte getilgt" werden sollte. Zudem leugnete er den Mord an sechs Millionen Juden durch die Nazis und bezeichnete den Holocaust als Mythos. Vor tausenden Anhängern kam der "Robin Hood der Iraner", wie Ahmadi-Nejad von seinen Anhängern genannt wird, dann auf sein Nuklear-Programm zu sprechen und wiederholte seine Unnachgiebigkeit. "Der Iran wird nicht ein Jota seiner Rechte aufgeben." Nachdem die EU die diplomatischen Bemühungen mit Teheran für gescheitert erklärt hat, wird sich der UN-Sicherheitsrat Anfang nächster Woche mit einem Resolutionsentwurf zum Iran-Dossier beschäftigen.
Seit drei Wochen erhalten Schüler und Schülerinnen im Iran eine zusätzliche Unterrichtseinheit zum Zionismus. Dabei soll es unter anderem um den "Sieg der Hisbollah über das zionistische Regime" gehen.
In den Workshops wolle man den Schülern "die Aktivitäten und das böswillige Ziel des zionistischen Regimes" erklären, um das Wissen der Schüler in diesem Bereich zu erweitern, so die offizielle Darstellung. Sie sind in vier Themenbereiche gegliedert, "Jerusalem, der Jerusalem-Tag und die Welt des Islam", "Auswirkungen des Hisbollah-Sieges über das zionistische Regime", "Schwachpunkte im zionistischen Regime" und "die amerikanische Lobby" , erklärte der Leiter der Abteilung für die "Geschichte Palästinas" im iranischen Kultusministerium, Ahmad Sarosch-Nejad,der iranischen Nachrichtenagentur "Mehr".
Paris
Knapp ein Jahr nach den sozialen Unruhen in Frankreich ist es am Sonntagabend bei Paris erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen.
Jugendliche in Grigny südlich von Paris hätten mehrere Autos und einen Bus in Brand gesetzt, sagte ein Polizeisprecher. Bis zu 50 Personen seien daran beteiligt gewesen.
Im Herbst 2005 gab es in den Vorstädten von Paris und anderen französischen Städten wochenlange Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Polizei. Mehr als 9000 Autos wurden in Brand gesetzt.
Seit einigen Wochen sind die Krawalle in den banlieues wieder ausgebrochen. Bei der Polizei wird zum Teil schon von einer "ständigen Intifada" gesprochen - in Anlehnung an den palästinensischen Aufstand gegen Israel. Die Integration der Jugendlichen aus Einwandererfamilien und die Gewalt gegen die Polizei werden zu Wahlkampfthemen.
Innenminister Nicolas Sarkozy nutzt die jüngsten Ereignisse, um seine Antimigrationspolitik zu rechtfertigen. Diejenigen, die Frankreich nicht liebten, müssten auch nicht bleiben, sagte er kürzlich in einer Wahlkampfrede. Der Vorsitzende der kleinen Polizeigewerkschaft Action Police, Michel Thooris, spricht davon, dass es Anzeichen dafür gebe, dass die Gewalt in den Vorstädten einen islamisch-fundamentalistischen
Ein Grund für die Aufstände ist die soziale Ausgrenzung migrantischer Familien in den Vorstädten. Die Menschen wollen nicht mehr hinnehmen, dass die Polizisten härter mit ihnen umgehen als mit den Franzosen weißer Hautfarbe und oft ohne erkennbaren Grund ihre Papiere verlangen.
Brüssel

Am letzten Donnerstag hat die EU-Kommission bekannt gegeben, dass in Lieferungen aus den USA die von Bayer hergestellte Genreis-Sorte LL 62 gefunden wurde. Diese Information ist von besonderer Brisanz, da der Konzern die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung stets bestritten und außerdem eine EU-Importzulassung für LL 62 beantragt hat.

Bislang waren nur Kontaminationen mit der Sorte LL 601 bekannt geworden. Beide Reis-Sorten sind gegen das von Bayer produzierte Herbizid Liberty mit dem Wirkstoff Glufosinat resistent und in der EU nicht zugelassen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Dieser Skandal muss Konsequenzen haben, die Europäische Union muss eine Zulassung von Gen-Reis kategorisch ausschließen. Denn der Fall bestätigt alle Befürchtungen: eine gentechnisch veränderte Reis-Sorte landet ohne Genehmigung in der Nahrungskette, die Wahlfreiheit der Konsumenten geht dadurch verloren“. LL62 und LL601 werden in den USA nicht kommerziell vertrieben. Wie sie in die für den Export bestimmten Lieferungen gelangten ist unklar.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte sich im September an die European Food Security Authority (EFSA) gewandt und eine Nicht-Zulassung von LL 62 gefordert. Eine Antwort der EFSA steht bislang aus. Bayer hatte den Antrag auf Import-Zulassung bereits vor drei Jahren gestellt.
Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hatte sich kürzlich besorgt über die gentechnische Verunreinigung von Reis gezeigt. „Dieser Fall muss genau untersucht werden, da er exemplarisch für das teilweise hohe und unvorhergesehene Ausbreitungspotenzial von gentechnisch veränderten Pflanzen sein könnte. Wir erwarten natürlich nicht, dass Reis sich in Deutschland ausbreitet. Er steht aber stellvertretend für heimische Kulturarten mit gleichem oder sogar höheren Auskreuzungspotential wie Raps“, so Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des BfN.
Budapest

In Ungarn haben die Gedenkfeiern an den Volksaufstand begonnen, desen Beginn sich heute zum 50. Mal jährt. Angesichts des Jahrestags beklagt der ungarische Präsident Laszlo Solyom mangelnde nationale Einheit: "Die Menschen feiern nicht nur getrennt, sie feiern auch jeder etwas anderes", sagte Solyom in seiner Rede. Der 23. Oktober könne nur dann ein echter nationaler Feiertag werden, wenn die Menschen dies wollten und zur Einheit zurückfänden.
Bereits vor Beginn der Gedenkfeiern hatten Opposition und Veteranenverbände angekündigt, alle Veranstaltungen zu boykottieren, an denen Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany teilnehme. Gyurcsany steht nach seinem Eingeständnis, die Bevölkerung im Wahlkampf belogen zu haben, heftig unter Druck. Wenige Stunden vor Beginn der offiziellen Gedenkfeiern vertrieb die Polizei mehrere Hundert Demonstranten, die sich in der Nacht auf dem Platz vor dem Parlament versammelt hatten.
Der ungarische Volksaufstand begann am 23. Oktober 1956 mit einer Großdemonstration von Studenten, die sich mit der Protestbewegung in Polen solidarisiert hatten. Bald schlossen sich ihnen Zehntausende Arbeiterinnen und Sympathisantinnen an. Während es der Parteiführung in Polen gelang, durch Zugeständnisse die Lage zu entschärfen, schlug die sowjetische Armee die Unruhen in Ungarn am 4. November blutig nieder. Wie viele Menschen ums Leben kamen, ist noch immer nicht genau bekannt, wahrscheinlich waren es Tausende. Mehr als 200.000 Menschen flohen aus Ungarn.
Sofia
Bulgariens amtierender Präsident Georgi Parwanow hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl klar gewonnen. Freuen kann er sich darüber aber nicht, denn aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von weniger als der Hälfte der Wahlberechtigten muss er am nächsten Sonntag in die Stichwahl. Dort trifft er auf den rechtspopulistischen EU-Skeptiker und Rassisten Siderow.