Mao, die ISF und die Freiburger Linke

ID 14484
 
Was hat Mao Tse Tung eigentlich zum Stadtbauverkauf zu sagen? Die Freiburger Linke wird in einem Flugblatt der "Freunde und Freundinnen des besseren Lebens" gedisst, vorallem KTS und ISF als Nichtproduzierende, als Schmarotzer stehen im Fadenkreuz. Ein Interview mit Manfred Dahlmann von der ISF.
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06:07 min, 5741 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.11.2006 / 11:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Arbeitswelt, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Eva Hildisch
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 30.10.2006
keine Linzenz
Skript
Die Freiburger Linke ist kein Biotop, sondern ein Sumpf. Wegen allem und jedem Anlass wird sofort Schlamm geworfen. Wer nicht mitmacht, macht sich verdächtig. Wer sich "das Brot von anderen schmieren lässt" ist nicht mal ein Halbproletarier.

Kommentare
02.11.2006 / 19:06 kmm, Radio Dreyeckland, Freiburg
Bezug
Damit das geschätzte überregionale Publikum zumindest realisieren kann, auf was sich den der upgeloadete Beitrag bezieht, hier das DISS Flugblatt. Nicht zu vegessen der Hardfact die Versteigerung des preisgünstigen Teils des Freiburger Wohnungsbestandes (8000 Wohnungen der Stadtbau) durch eine grün-schwarze Parteienallianz. Im Biotop Über die Freiburger Linke und den Häuserverkauf „Reichsadler“ wird die Kneipe von ihren Gästen nie genannt, man verabredet sich lieber für den „Geier“. Der Geier in der Belfortstraße im Stadtteil Grün ist eine der großen alten Szene-Kneipen in Freiburg. Und wenn die Tische gefüllt sind, dann sitzen hier neben Überbleibseln von 1968 die alten KämpferInnen aus den glorreichen Tagen der Hausbesetzungszeit. Freiburg war neben Berlin und Zürich eine der Hauptstädte der mit der westdeutschen Sozialrevolte 1980/81 verbundenen militanten Hausbesetzerszene. Die immer wieder junge AktivistInnen in Erstaunen versetzenden Dokumente dieser Zeit – wackelige Schwarz-Weiss-Filme, die gigantisch viel Leute in Bewegung zeigen – können in der Medienwerkstatt Freiburg ausgeliehen werden, einem der vielen ehemaligen linken Projekte, die aus der Bewegungszeit hervorgegangen sind. Freiburg ist mittlerweile die Stadt der institutionalisierten Alternativszene. Aber alles ist irgendwie „ehemalig“ und Ex-“. Vor allem wenn es um die Inhalte geht. Geblieben ist nur noch ein stickiges Biotop, in dem man kreucht und fleucht, sich nicht riechen, aber nicht so wirklich aus dem Weg gehen kann. In dieses Biotop bricht nun etwas ein, das man in Freiburg scheinbar lange Zeit in dieser Szene geschickt verdrängen konnte: die gemeinhin zur „sozialen Frage“ verniedlichte Klassenfrage. In der sehr studentisch und kaum proletarisch geprägten Stadt tritt sie in Form der geplanten Privatisierung des städtischen Wohnraums auf und versetzt die betroffenen MieterInnen in Schrecken. Es kann davon ausgegangen werden, dass man es hier mit der einschneidensten stadtpolitischen Veränderung seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Auch Freiburg liegt im Trend: es geht um die Privatisierung von allem und jedem als Allheilmittel der „Middleclasspropheten“ (Karl Marx). Begleitet wird diese Politik von einer beispiellosen Angst-Kampagne, die in Freiburg von den neoliberalen Grünen um OB Salomon angeführt wird. Das grüne Nein zum kommunalen Erhalt der Häuser wird demagogisch mit der Aufforderung, die sozialen Netze zu erhalten und die Schulen zu sanieren, verknüpft. Eine Begründung liegt nicht vor. Man hat es zu glauben, wie auch allein der höhere Preis von in Freiburg gern gekauften Bio-Produkte für ökologische Qualität zu bürgen scheint. Wer viel Charakter hat, hat wenig Eigentum Die Zyniker der Macht wie Salomon wissen, warum und für wen sie diese Politik machen, andere treuherzige Grüne glauben die Argumente ihrer Partei. Der ein oder andere meint in einer typischen 80er-Jahre-Panik tatsächlich, man müsse nun handeln, Befreiungsschläge proben, den Haushalt sanieren und könne erst dann die Schulen sanieren. Wie eine Monstranz trägt man den Fetisch „Haushalt“ vor sich her. Im Kern haben sich die rechtsliberalistischen Freiburger Grünen dazu entschieden, das ihrige zur Standort-Konkurrenz und der kapitalistischen Modernisierung der Städte beizutragen. In dieser Realpolitik sind die Grünen unter Oberstreber Salomon gut. Sie sind schick, sie haben Repräsentation gelernt. Auch das Quentchen Arroganz ist gut justiert und soll Staatsmännigkeit signalisieren. Dagegen wirken die Anti- Privatisierungs-Proteste richtig hemdsärmelig. Die Leute mit den Anti- Heuschrecke-T-Shirts sind weder jung genug fürs Cinemaxx, noch spekulieren sie auf Lustgewinn, wenn die Toscana schon in Freiburg beginnen soll. Sie haben wenig Kapital im dreifachen Sinne: kein ökonomisches, kein soziales und kein kulturelles. Das ist schlecht in Freiburg. Wer hier nicht plappern kann, wer den Diskurs nicht beherrscht, bleibt aussen vor. Wer zur falschen Symbolik greift, hat schnell Sympathien verspielt. So ist der Protest gegen die Kahlschlagpolitik des grünen Oberbürgermeister auch von einer eigentümlichen Sprachlosigkeit geprägt. Es kann einem schon den Atem verschlagen, wie diese Zyniker der Macht und die Karrieristen von den Grünen eigene Klientelpolitik betreiben und schulterzuckend eine Politik durchziehen, die ein „abgehängtes Prekariat“, wie es so schön heisst, erst hervorbringt. Die Sprachlosigkeit angesichts der grünen Arroganz setzt sich in ungeschickten Symboliken fort. Ausgerechnet zur Heuschrecke musste man greifen, eine Metapher, die der Sozialdemokrat Müntefering benutzte, um eine heuchlerische „Antikapitalismus- Kampagne“ zu lancieren, die mit einer Kampagne sehr viel, mit Antikapitalismus dagegen nichts zu tun hatte. Es ist kein Zufall, dass der „Antikapitalist“ Müntefering angesichts der Unterschichten-Debatte keine Klassen kennen mag, nur Individuen, die dem Zugriff von schlimmen amerikanischen Heuschrecken ausgeliefert sind. Was war die sozialdemokratische Heuschreckendebatte anderes als Ablenkung beispielsweise von der rotgrünen Steuerreform, mit der erstmals die mit dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen erzielten Gewinne steuerfrei gestellt werden konnten? Die Einladung zu einem rendite- und aktionärsorientierten Kapitalismus hat Rot-Grün selbst ausgestellt, ein wenig Antiamerikanismus kommt da immer gut. Das wissen im Grunde auch diejenigen, die leider viel zu selten auf die Straße gehen und für die es ganze Heerscharen von Sprechern und Repräsentanten gibt. Die MieterInnen sind einem Phänomen ausgesetzt, dass vielen der mittlerweile grünwählenden Ex- 68er und 79er in Freiburg bekannt sein könnte: Angst im Kapitalismus. „Angst im Kapitalismus“ war einmal der Titel eines nicht ganz unintelligenten Buches über die begründete Angst in der kapitalistischen Warengesellschaft. Es wurde in Freiburg von nicht wenigen gelesen und wanderte interessanterweise genau in dem Moment auf die diversen Flohmärkte, in dem die BesitzerInnen des Buches ihr Erbe antraten und mit Hausbau beschäftigt waren. Fortan sollten sie die Angst von unterprivilegierten MieterInnen im Kapitalismus nicht mehr verstehen. Schließlich hatte man mit den eigenen Nöten zu kämpfen und die hießen nicht mehr Kapitalismus (oder: wo krieg' ich die Miete diesen Monat her?), sondern kleinliche Nachbarschaftsstreits, die mit dem Erwerb von Eigentum so sicher kommen wie das Amen in der Kirche. Ihr werft uns mit einem Worte vor, daß wir euer Eigentum auflösen wollen.... Die Hausbesetzerszene der 80er Jahre war agil und mehrfach gespaltet, noch heute wird einem schwindelig angesichts der Fraktionierungen: „Militante“, „Reformisten“, „Verhandler“, „Vollautonome“... Die wirkliche Spaltung verläuft heute hingegen zwischen den Revolte-Verlierern und den -Gewinnern. Vor dem Wirt des „Geiers“ sind nach wie vor alle gleich, auch wenn der Geldbeutel mittlerweile recht unterschiedlich gefüllt ist. Bei einigen ist die damalige Militanz auf Marktradikalismus zusammengeschrumpft. Verachtung für die „Prolls“ in Weingarten hatten nicht wenige bereits in den bewegten flotten Zeiten. Einer der Gewinner ist Volkhart Schönberg. Er tritt als ehemaliger Hausbesetzer in der Veranstaltungsreihe zu Freiburger „Rebellen“ auf. Heutzutage unterstützt er die Initiative „Zukunft für Freiburg“. Diese Initiative betrachtet sich als Lobbyverein für den Verkauf. „Zukunft für mich, aber auch nur für mich und mein Milieu“, wäre die treffendere Bezeichnung für die Initiative gewesen. Wer nicht über den eigenen Künstler- Topf hinausblicken kann und voller Sorge um den finanziellen Tropf ist, an dem er hängt, sollte wenigstens nicht „Zukunft für alle“ blöken, wenn er für den Verkauf votiert. Allerdings, das wollen wir! Glückerweise, so könnte man meinen, ist Freiburg hochpolitisiert, besitzt radikale Intellektuellenzirkel, eine agile Szene rund um das autonomes Kulturzentrum – da wird doch was passieren.... Weit gefehlt. Denn über das Soziale ist besonders in diesen Kreisen der Bannstrahl des Tabus gelegt. Interessanterweise wollen gerade die Gruppen und Initiativen, die sich am lautesten „sozialistisch“ oder „kommunistisch“ nennen, vom Feld des Sozialen und Kommunen nichts hören. So gebärdet sich eine Initiative Sozialistisches Forum im Jos Fritz Cafe in einer Art und Weise, dass der Beobachter meint, er wäre zurückversetzt ins 19. Jahrhundert, und Marx hätte umsonst gegen die Ideen hin und her wälzenden Philosophen seiner Zeit polemisiert. Der Idealismus grassiert auch in Zeiten um sich greifender Prekarisierung. In diesen Foren darf der Hartz IV-empfangende Philosoph ganz Philosoph sein. Im Jos Fritz Cafe sind die Gedanken frei und unheimlich radikal, vergessen ist der demütigende Arbeitsamtstermin der letzten Woche. Je mehr die Übermacht der Verhältnisse auf den Verstand drückt, um so mehr beschwört man Wahrheit und Vernunft - mit der Wirklichkeit will man sich nicht auseinandersetzen. Dergestalt ist das in der Freiburger Szene goutierte intellektuelle Raunen dieser Initiative ein Armutsphänomen, nicht nur ein geistiges. Doch nicht alleine hier hat man sich behaglich eingekapselt. Das in den 90er Jahren breit erkämpfte autonome Kulturzentrum (KTS) wird von einer Riege schein-radikaler Drittsemester dominiert. Zu viel Duldung der Nischenexistenz macht wohl nicht nur bequem und zahm, sondern anscheinend auch aggressiv gegen das falsche Objekt. Zu der Privatisierungspolitik der Stadt fällt der Szene nichts ein, dazu eine Menge zu der Heuschreckensymbolik der BI „Wohnen ist Menschenrecht“. Wie der rechte Münchner Historiker Michael Wolffsohn behauptet man, mit dem Heuschreckenvergleich hetze man wie die Nazis gegen die Juden. Als der Hedge-Fonds-Manager Christopher Hohn in der FAZ in dieselbe Kerbe schlug und die IG Metall mit Antisemitismusvorwürfen überzog, konnte man noch von einer Interesse geleiteten Ideologie ausgehen. Denn schließlich war Hohn gerade dabei, mit seinem Hedge-Fonds TCI den damaligen Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert aus dem Amt zu jagen. Antisemitismusvorwürfe als Ablenkungsmanöver. Doch wovon lenkt die KTS ab, die wohl weniger in Hedge Fonds macht? Vielleicht schlicht von der Tatsache, dass dieser Szene die Schweinereien der Stadt – betrifft es nicht sie selbst - am Arsch vorbei gehen. Und mehr noch: die unmittelbaren bread-andbutter- Themen sind den KTSlerInnen wohl schlicht egal. Es ist nicht unfair anzunehmen, dass dem so ist, weil ihnen noch andere das Brot schmieren. Aber was machen die Marxisten in der Stadt, die es immerhin mal gab? Studieren sie die Abschnitte über Profit und Bodenrente im Kapital? Vergewissern sie sich im Kommunistischen Manifest, dass Kommunisten sich in den vor sich gehenden Bewegungen zu tummeln haben und darin immer die Eigentumsfrage stellen sollen? Erkennen sie mit Marx, dass der privatisierungswütige Neoliberalismus der bewusste Ausdruck der unbewussten Tendenz des Kapitals ist, alles dem Markt zu unterwerfen und der freien Konkurrenz, die „nur die freie Entwicklung auf einer bornierten Grundlage – der Grundlage der Herrschaft des Kapitals“ ist? Weit gefehlt. Denn zu Marx pflegt man in Freiburg ohnehin ein spezielles Verhältnis. Während die einen „Karl Marx, Israel und die Militanz der Vernunft“ beschwören, beschwören die anderen „Karl Marx, den Markt und die Militanz des Verkaufs“. So beispielsweise der Historiker Michael Berger, der sich zu den wenigen deutschen Marxkennern zählen darf. In der politischen Ökonomie der Verwertung kennt er sich aus, dass Marx eine „Kritik der politischen Ökonomie“ geschrieben hat, scheint vergessen zu sein. Die Erkenntnisse über Immobilien, Eigentum und Profitmacherei bezieht er eher übers Businessportal als über den ollen Marxe. So ist es auch nur zwangsläufig, dass sich der professorale Marxologe und Hausbesitzer mit aller Verve ins Zeug legt und der Pro- Verkaufs-Lobby „Zukunft für Freiburg“ vorsteht. Die Zeiten werden härter. Die viel beschworene post-materialistische Werteelite, die akademisch gebildete höhere Mittelschicht, verliert in der gefühlten Krise als erstes den Glauben an die Werte und als letztes ihren naturwüchsigen Egoismus. Sie will sich Ethik nur so lange noch leisten, wie sich zur Schau gestellte Moral als kulturelles Kapital verwerten lässt. Solidarität mit Anti-Heuschrecken-Protestierern, mit den allein erziehenden Müttern in den Stadtbauwohnungen, mit den kinderreichen Hartz-IV-Familien, die nicht zu den happy few gehören, lohnt sich nicht. In Freiburg – das ist besonders unangenehm hier - bilden die happy few eine lautstarke Minderheit mit Ausstrahlung. Wählt sie nach ihrem egoistischen Interesse, dann werden die städtischen Wohnungen verscherbelt. Bleiben die happy few am 12. November zu Hause, so nur deshalb, weil sie gegenüber den anderen, in diesem Fall den Stadtbau-MieterInnen, so indifferent sind, wie wir es im Kapitalismus alle zu sein haben, um voran zu kommen. Auch dann werden die Häuser verkauft und in absehbarer Zeit die Mieten steigen. Materialisten im Marxschen Sinne, also Leute, die so altmodisch sind zu glauben, dass das Sein das Bewußtsein bestimmt, werden sich darüber nicht wundern. Wenn es anders läuft, werden wir aber aufs Bier im „Geier“ verzichten – und stattdessen Schampus bestellen. Das wird auch den Wirt freuen. „Ja“ zum Verbleib der Wohnungen in städtischer Hand. Punkt. Aus. Schluss. Verhinderung jeder weiteren Privatisierung! Und, warum eigentlich nicht: Ausbau der "öffentlichen Daseinsvorsorge" als Zwischenschritt zu einem Leben, in dem jeder nach seinen Bedürfnissen leben kann! Freundinnen und Freunde besserer Zeiten
 
06.11.2006 / 19:32 Anja, Radio Dreyeckland, Freiburg
Diskussion innerhalb von RDL
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