focus-europa nr. 200 vom 3.11.2006

ID 14503
 
Nachrichten:

- Überwachung in Großbritanien
- Mafia Morde in Neapel
- Jung in Beirut
- Raketentest in Theheran
- Auseinandersetzungen in Oaxaca

Interview:

über die Lage der NGO's in der Ukraine
Audio
14:39 min, 13 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.11.2006 / 12:32

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, in anderen Sprachen, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: julia/victoria/andreas/hav
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 03.11.2006
keine Linzenz
Skript
London
In Großbritannien wird die Bevölkerung so stark wie nirgendwo anders in Europa überwacht. Das geht aus dem "Bericht über eine Gesellschaft unter Überwachung" hervor, der von der Expertengruppe Surveillance Studies Network (SSN) erstellt wurde. Demnach ist die Privatsphäre im Vereinigten Königreich im Vergleich zu den anderen EU-Staaten am wenigsten geschützt. Die besten Noten stellte die SSN Deutschland aus.
Nach den jüngsten Zahlen gibt es auf der britischen Insel inzwischen 4,2 Millionen staatliche und private Überwachungskameras, auf 14 Briten komme eine Kamera. Im Durchschnitt wird jeder Einwohner und jede Einwohnerin am Tag rund 300 Mal erfasst. Kameras, Analysen des Konsumverhaltens, Telefon- und Internetüberwachung seien ständig präsent, so die Studie. In der nationalen DNA-Datenbank sind die genetischen Daten von 3,5 Millionen Menschen gespeichert. Zudem verfügen die Behörden über die Fingerabdrücke von rund sechs Millionen Menschen.
Der 140-seitige Bericht wurde von der Expertengruppe im Auftrag des britischen Datenschutzbeauftragten erstellt. Thomas sagte, die Datensammlungen könnten zum Schutz gegen Terroranschläge und organisierte Kriminalität nützlich sein. "Aber unkontrollierte oder übertriebene Überwachungsmaßnahmen fördern ein Klima des Verdachts und zerstören Vertrauen." Der Studie zufolge werden die Überwachungsmaßnahmen innerhalb der kommenden zehn Jahre nochmals deutlich ausgebaut werden.

Neapel
Nach der rasanten Zunahme von Mafia-Morden in Neapel hat Italiens Ministerpräsident Prodi gestern einen Aktionsplan gegen die organisierte Kriminalität vorgelegt. Trotz einer Mordserie, die auf den Beginn eines Camorrakrieges hindeuten könnte, schickt die Regierung nicht das Militär nach Neapel. Die Entsendung von Soldaten zur Verstärkung der Polizei war in den letzten Tagen kontrovers diskutiert worden. Mit markigen Sprüchen versuchen Rechtspopulisten die Sicherheitsdebatte anzuheizen. Neapel sei „ein Rattenloch, das man säubern müsse“ so Roberto Calderoli von der Lega Nord.
Ministerpräsident Romano Prodi hat diese Entscheidung seiner Regierung nach einem Krisentreffen mit allen Regionalpolitikern in Neapel bekannt gegeben: "Den Einsatz des Militärs halten wir zur Zeit für nicht notwendig, weil es mehr bringt die Zahl von Polizisten, Carabinieri und Finanzpolizei zu erhöhen - die eine präzisere Aufgabe haben um gegen diese Probleme vorzugehen." An besonders kritischen Punkten sollen Videoüberwachungssysteme installiert werden.
Die Kriminalität sei das größte Hindernis bei der Entwicklung des italienische Südens, so der italienische Ministerpräsident, deswegen müsse man dagegen verstärkt vorgehen. Außer der Verstärkung der Polizei hat Prodi allerdings keine weiteren konkreten Pläne vorgestellt.
Prodi bestritt die Vorwürfe, die Häufung der Morde sei eine Folge des Straferlasses der Regierung im August. „Es gibt keinerlei Bestätigung, keinen statistischen Hinweis - keinerlei Verbindung zwischen den Verbrechen dieser Tage und dem Straferlass", so Prodi.

Beirut
Verteidigungsminister Franz Josef Jung ist zu politischen Gesprächen in Beirut eingetroffen. Heute will er mit dem libanesischen Premierminister Fuad Siniora und Verteidigungsminister Elias Murr zusammenkommen. Am Nachmittag fliegt er nach Tel Aviv weiter und trifft dort seinen israelischen Amtskollegen Amir Peretz.
In den Gesprächen geht es um den Einsatz der deutschen Marine vor der libanesischen Küste. Jung dürfte auch die in Deutschland geäußerten Zweifel an dem UN-Einsatz zur Sprache bringen. Dabei geht es um die Zwischenfälle mit der israelischen Luftwaffe sowie die Kontroll-Einschränkungen des internationalen Marineverbandes unter deutscher Führung vor der libanesischen Küste.
Am Donnerstagabend hatte die libanesische Regierung überraschend die Kontrolle der Sechs-Meilen-Zone vor der Küste ihres Landes komplett an den internationalen Marineverband übergeben. Grund für die Entscheidung von Premierminister Siniora sei hoher Seegang gewesen, für den die libanesischen Schiffe nicht ausgerüstet seien, berichteten libanesische Militärs am Rande des Jung-Besuchs.
Der Marine-Verband besteht aus insgesamt 20 Schiffen aus sieben Nationen. Deutschland stellt acht Schiffe mit bis zu 2400 Soldaten und hat die Führung übernommen.

Teheran
Ungeachtet internationaler Kritik an seinem Atomprogramm hat der Iran ein groß angelegtes Militärmanöver gestartet und dabei mehrere für Atomsprengköpfe geeignete Raketen abgefeuert. Wie der iranische Fernsehsender El Alam berichtete, wurden aus der Wüste nahe der Stadt Kom mehrere Raketen vom Typ Schahab-3 abgeschossen. Sie haben eine Reichweite von rund 2000 Kilometern und könnten damit US-Stützpunkte in der Golfregion, Israel und Ziele in Südeuropa erreichen.
Das Manöver ist der Auftakt einer Serie von Übungen der iranischen Armee in den kommenden zehn Tagen in 14 Landesprovinzen. Die Schahab-Typen sind mit Streumunition bestückt und explodieren vor der Berührung mit dem Boden; dabei streuen sie in einem weiten Umkreis "Mini-Bomben mit großer Zerstörungskraft", wie der TV-Sender El Alam weiter berichtete.
Es war das erste Mal, dass die Schahab-3 während eines Manövers zum Einsatz kam. Die Raketen können auch größere nukleare Sprengköpfe tragen.
General Jahja Rahim Safawi von den Revolutionsgarden im Iran sagte, das Manöver "Großer Prophet II" solle Irans "Kraft und Willen" demonstrieren, sich gegen Bedrohungen zu verteidigen.



Oaxaca
Die Aufständischen in der mexikanischen Stadt Oaxaca haben Polizeitruppen in einer sechsstündigen Strassenschlacht aus dem belagerten Universitätsviertel zurückgedrängt. Dabei wurden mindestens 30 Personen verletzt. Die im Mai begonnene Aufstandsbewegung richtet sich gegen den lokalen Gouverneur dem Korruption und Repression vorgeworfen werden.
Die gegen die Universität in Oaxaca vorrückenden Polizisten wurden von Linken, AnarchistInnen und indianischen AktivistInnen mit Steinen und Brandsätzen beworfen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, zum Teil wurden die Steine auch auf die Jugendlichen zurückgeworfen.
Die Aufständischen hatten die Staatsuniversität zu ihrem neuen Zentrum gemacht, nachdem sie am vergangenen Wochenende vom Zocalo, dem zentralen Platz der Stadt, vertrieben worden waren. Der Radiosender der Universität erklärte, dass mindestens sechs Aufständische verhaftet worden seien, und verlangte ihre Freilassung.
Die mexikanische Regierung hat am vergangenen Wochenende mehr als 3000 Bundespolizisten nach Oaxaca geschickt, um den Aufstand unter Kontrolle zu bringen. Im Anschluss an einen Lehrerstreik wurden im Mai Behördengebäude und Radiosender in Oaxaca besetzt.
Die Aufständischen haben sich in der Organisation APPO (Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca) zusammengeschlossen. Deren Sprecher forderte am Donnerstag direkte Verhandlungen mit dem mexikanischen Präsidenten Fox zur Lösung des Konflikts. Das Parlament hat den Gouverneur von Oaxaca zum Rücktritt aufgefordert, was dieser jedoch ablehnt.
In der Hauptstadt Mexiko-Stadt blockierten am Donnerstag TeilnehmerInnen einer Solidaritätsdemonstration mehrere Strassen im Zentrum und forderten den Abzug der Bundespolizei aus Oaxaca.