Repression in Argentinien mit "neuer Qualität" - Widerstand geht weiter

ID 1479
 
Kochtopfklappern und Straßensperren in Argentinien sind mittlerweile auch hierzulande ein Begriff.
Wie labil die politische Situation momentan ist, wie präsent aber auch der soziale Widerstand nach wie vor ist, zeigte sich am Mittwoch vorletzter Woche an den Auseinandersetzungen in der argentinischen Hauptstadt - und an den Massendemonstrationen in den Tagen danach.
Verónica Gago und Diego Stzulwark von der Gruppe "colectivo situaciones" aus Buenos Aires sind zur Zeit auf Tour quer durch Europa. Station machten sie auch bei Radio Z in Nürnberg.

ACHTUNG: lief am Freitag auch in Zip-fm!
Audio
06:26 min, 3017 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 08.07.2002 / 00:00

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Maike Dimar
Radio: RadioZ, Nürnberg im www
Produktionsdatum: 05.07.2002
keine Linzenz
Skript
Antworten von Diego und Veronica:

Veronica:
Die repression, die vergleichbar ist mit der von letzter woche, ist die repression vom 19. und 20. dezember letzten jahres. die offizielle zahl der toten wurde mit 40 angegeben, aber man weiß, dass es viel mehr im ganzen land waren. seit dezember bis heute, gab es verschiedene "episoden" der repression, z.B. wurden bei Straßenblockaden zwei piqueteros von ehemaligen polizisten getötet bzw. schwer verletzt. aber es gab in letzter zeit keine so starke represion, kein abschlachten von menschen wie am mittwoch. die represion ist sehr komplex: denn es sind daran z.b. polizeieinheiten, die wie mafiöse banden agieren, d.h. banden, die eigentlich auch völlig unabhängig vom staat agieren, ganz nach ihren eigenen interessen. es gibt zonen und gebiete, wo sie völlig frei auftreten und in ihrem sinne handeln können.

Diego:
Das Problem ist viel größer. Es geht nicht um einen Polizisten, der jemanden getötet hat oder um einen Minsiter, der irgendeinen Befehl erteilt hat. Es ist zwar gut und wichtig, dass das passiert. Aber es ist wohl allen klar, dass wir in Argentinien gerade mit etwas anderem zu tun haben. Wie gerade auch Veronica schon sagte: Veronica ist gespalten, es ist voller Mafiabanden, die polizeilichen Einsatzkräfte sind Einsatzkräfte, die zum Teil auch völlig unabhängig agieren, sie üben ständig mikroübungen von Gewalt aus. Was am mittwoch passiert ist, ist dass sie der Bevölkerung und protestbewegung angekündigt haben, dass es eine auseinandersetzung geben wird, die sehr hart sein wird, wo ein Staat nicht mehr legal agieren wird, sondern mit staatsterrorismus, mit paramilitärs, mit mafiösen gruppierungen. es gibt also zwei fragen: auf der einen seite: der kapitalismus, der zur Zeit in Argentinien herrscht, produziert ständig so etwas. es ist also nicht nur ein justizproblem. auf der anderen seite ist es wichtig zu schauen, wie die bewegung und unsere genossen, wie die gegenmacht darauf reagiert. denn es herrscht eine situation mit ständigen, wenn auch kleineren gewalttätigkeiten. es ist nicht die ausnahme, es ist die norm.

Veronica:
die ablehnung gegen die politik des iwf und die vertreter der iwf-politik in der argentinischen regierung ist ausdrücklich in der protestbewegung verwurzelt. diese ablehnung ist offensichtlich und man sieht sie in vielerlei formen. aber das wichtigste ist, sich anzuschauen, wie die menschen sich selbstbestimmt organisieren, um die alltäglichen probleme zu meistern. die probleme, die inzwischen den großteil der argentin. bevölkerung betreffen, wo es um gesundheit, erziehung, ausbildung und ernährung geht. es gibt zwei formen von protesten: die eine, die sich gegen den iwf und desssen politik richtet, mit demonstrationen, mit forderungen und ablehnungen. das andere, was sehr wichtig ist, ist zu schauen, wie meistern die leute die ganz konkreten probleme des alltags in ihren stadtvierteln.

Dario:
die radikale linke. man muss sich anschauen, was ist das? wer ist die radikale linke? wenn man damit die traditionellen radikalen linken parteien meint, dann wachsen sie zwar zur zeit schon an, aber sie spielgeln nicht das wachstum und die kreativität der bewegung wider. sehr interessant ist, dass sehr radikale thesen sehr stark anwachsen, und zwar in verschiedenen bewegungen, bei den piqueteros, bei den stadtteilversammlungen, in vielen bereichen.
die menschen verlassen sich nicht auf irgendwelche ideologischen gewissheiten, sodern sie drücken sehr stark ihre fragen aus, wohin sich orientieren usw., und das ist einer der besten momente im augenblick in dieser bewegung.