focus europa Nr.2222 vom 5.12.2006

ID 14957
 
Nachrichten:
- EU-Strategie: Eine Milliarde für brave Nachbarländer
- EU-Grundrechtsagentur an nächstem Jahr in Wien
- EU und Kasachstan paraphieren Atomenergie-Abkommen
- Kritik an Kompromiss zur EU-Chemikalienreform
- EU: "Maria Theresias Österreich war demokratischer"

Interview
mit Hans Rüdiger Minow Pressesprecher der Initiative 11000 Kinder
Audio
17:44 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.12.2006 / 12:47

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 05.12.2006
keine Linzenz
Skript
EU-Strategie: Eine Milliarde für brave Nachbarländer

EU-Nachbarstaaten, die ihr System reformieren und kapitalfreundlicher gestalten, sollen künftig von der Europäischen Union belohnt werden. Das geht aus dem Konzept einer neuen Nachbarschaftspolitik hervor, das am Montag von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner präsentiert wurde. Für sogenannte reformwillige Nachbarländer sollen in den nächsten sieben Jahren Sonderprämien von insgesamt 300 Millionen Euro bereitgestellt werden. Darüber hinaus wird ein Investitionsfonds von 700 Millionen eingerichtet.
Ferrero-Waldner will Ländern wie Moldawien, Ukraine oder Algerien zusätzliche Anreize bieten, mit der EU zusammenzuarbeiten. So umfasst das Paket auch Visaerleichterungen und attraktivere Handelsabkommen. "Wir müssen bereit sein, unseren Nachbarn attraktivere Angebote zu machen", so Ferrero-Waldner. Warum das Ganze? Es geht laut Kommission darum, mit diesen Maßnahmen zur Stabilisierung der Nachbarregionen im Osten und Süden beizutragen. Nur so könne das Migrationsproblem eingedämmt, die Energiezulieferung gesichert und gemeinsam der Terrorismus bekämpft werden.
EU-Grundrechtsagentur an nächstem Jahr in Wien

Mehr als acht Jahre nach Einrichtung der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien wird diese Stelle zu einer umfassenden EU-Grundrechtsagentur aufgewertet. Nach dem am Montag von den EU-Justizministern beschlossenen Mandat kann die Agentur planmäßig ab 1. Januar 2007 ihre Tätigkeit in Wien aufnehmen. Ihre zentrale Aufgabe ist die Beratung der Mitgliedstaaten und der EU-Institutionen in Menschenrechts- und Grundrechtsfragen, wenn es um die Ausarbeitung oder Umsetzung neuer EU-Richtlinien geht.
Auf die Einrichtung der EU-Grundrechtsagentur als Nachfolgerin der Rassismus-Beobachtungsstelle hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel im Jahr 2003 geeinigt. Ihre Zuständigkeit beschränkt sich auf das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union. Keine Kompetenz hat die Agentur dagegen zur Überprüfung der Menschenrechtssituation in einzelnen EU-Staaten. Damit sollte verhindert werden, dass die Agentur einzelne EU-Staaten wegen Defiziten in den Grundrechten an den Pranger stellt. In Bereichen, in denen die EU eine starke Zuständigkeit hat wie beim Asylrecht, Visafragen oder der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, kann die Agentur hingegen künftig eine wichtige Rolle spielen.
Die EU-Grundrechtsagentur verfügt in den nächsten sieben Jahren über ein Budget in Höhe von 150 Millionen Euro. Das Personal soll im Vergleich zur Rassismus-Beobachtungsstelle auf rund 100 Mitarbeiter verdreifacht werden.
EU und Kasachstan paraphieren Atomenergie-Abkommen

Die Europäische Atomenergie-Gemeinschaft und die Regierung der zentralasiatischen Republik Kasachstan haben am Sonntag in Brüssel ein Abkommen über die friedliche Nutzung der Atomenergie paraphiert.
Die Europäische Union verbraucht gegenwärtig drei Prozent des kasachischen Urans und wolle den Anteil künftig auf 20 Prozent erhöhen, teilte EU energiekommissar Piebalgs mit.
Der kasachische Energieminister sagte seinerseits, in Kasachstan seien 20 Prozent der Weltreserven des Nuklearmaterials gelagert. Gemessen an der Uranproduktion rangiere Kasachstan hinter Australien und Kanada auf Platz drei. In den nächsten Jahren plane sein Land, die Uranproduktion auf 14 000 bis 16 000 Tonnen im Jahr zu steigern.
Kritik an Kompromiss zur EU-Chemikalienreform

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace haben den Kompromiss zur europäischen Chemikalienreform REACH, der zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments und des EU-Ministerrats ausgehandelt wurde, scharf kritisiert.

"Diese Vereinbarung ist ein fauler Kompromiss auf dem Rücken von Verbrauchern und Umwelt. Wenn das Parlament diesem Deal Mitte Dezember zustimmt, wird es kaum eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Gesetzeslage geben. Menschen und Natur werden weiter durch gefährliche Chemikalien belastet", sagte Patricia Cameron, Chemikalienexpertin des BUND.

BUND und Greenpeace kritisieren vor allem die negative Rolle des
Bundeskanzleramtes, das massiv Einfluss auf die Verhandlungen in
Brüssel nimmt.

"Bundeskanzlerin Merkel lässt sich von
Chemieunternehmen wie BASF instrumentalisieren. Sie sorgt brav dafür,
dass Deutschland sämtliche Versuche blockiert, die Industrie zum
Ersatz aller gefährlichen Chemikalien zu verpflichten. Die
wirtschaftlichen Interessen der Chemiebranche sind ihr wichtiger als
der Schutz der Verbraucher vor Chemiegiften", sagte Stefan Krug von
Greenpeace.

Der Kompromiss sieht vor, dass krebserregende, fortpflanzungsschädliche und andere gefährliche Chemikalien selbst dann weiter vermarktet und in Alltagsprodukten verwendet werden dürfen, wenn Alternativen vorhanden sind. Die Hersteller würden diese Stoffe angeblich "adäquat kontrollieren", somit bestehe keine Gefahr für Menschen und Umwelt. Eine adäquate Kontrolle sei aber illusorisch, wie zahlreiche Studien und regelmäßig auftretende Chemieskandale bewiesen.

Laut Kompromiss sollen lediglich langlebige, sich in der Natur und
im Menschen anreichernde Chemikalien ersetzt werden, wenn es
Alternativen gibt. Verbrauchern sollen zudem Informationen nur über
eine beschränkte Anzahl von Chemikalien zugänglich sein. "Der
Industrie wird auch künftig erlaubt, entscheidende Sicherheitsdaten
zu ihren Chemikalien zurückzuhalten. Es ist skandalös, dass BASF,
Bayer & Co weiter Chemikalien in Umlauf bringen, ohne über Risiken
und Nebenwirkungen zu informieren", sagte Patricia Cameron.


EU: "Maria Theresias Österreich war demokratischer"

Der italienische Innenminister und ehemalige Ministerpräsident Giuliano Amato hat am Samstag die Bürokratie in der Europäischen Union scharf angegriffen. "Das Österreich zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia war demokratischer als dieses Europa. Es ist eine Tatsache, dass in der EU die Demokratie der diplomatischen Bürokratie, und nicht jene der direkten Vertreter der Bürger regiert", betonte Amato bei einem Wirtschaftsseminar in Sesto San Giovanni bei Mailand.
Nach Auffassung von Amato, der Vizepräsident des europäischen Verfassungskonvents gewesen war, müsse man die europäischen Institutionen modernisieren, um den Forderung der Bürger entgegen zu kommen. Ohne eine tief greifende Reform der Institutionen könne das Europa mit 25 Mitgliedern nicht funktionieren.
Amato drängte zugleich die EU, jene osteuropäischen Länder aufzunehmen, die noch nicht der EU beigetreten sind. "Wir dürfen nicht die Illusion hegen, dass wir die Dinge fern halten können, die uns an jenen Ländern nicht gefallen", betonte Amato und bezog sich indirekt auf das Problem der Prostitution und der Kriminalität aus den Balkanländern.