Die Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN und wie koennen Frauen der Region darauf Einfluss nehmen?

ID 15171
 
Der ASEAN-Gipfel haette vom 10 – 12 Dezember in Cebu City auf den Philippinen stattfinden sollen. Der Gipfel ist aber sprichwoertlich wegen einem Taifun ins Wasser gefallen. War es der Taifun oder eher ein politische Gewitter, das die Philippinisch Praesidentin bewog den ASEAN-Gipfel kurzfristig zu verschieben: Eine politische Einschaetzung.
und
„Frauen erobern die ASEAN Gemeinschaft als demokratisches Projekt zurueck“ Ein Bericht ueber einen Workshops an der ASEAN Civil Society Konferenz in Cebu City auf den Philippinen. Wie können die Frauen der Länder Südostasien versuchen auf die ASEAN Einfluss zu nehmen?
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mp3, 192 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 23.12.2006 / 00:00

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Entstehung

AutorInnen: Bianca Miglioretto
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 23.12.2006
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Jingle BNP

Der ASEAN-Gipfel haette vom 10 – 12 Dezember in Cebu City auf den Philippinen stattfinden sollen. Der Gipfel ist aber sprichwoertlich ins Wasser gefallen, weil die Philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo den Gipfel kurzfristig absagte wegen einem Taifun, der im Anzug war.

Mit Taifunen ist auf den Philippinen nicht zu spassen, aber diesmal kam der Taifun der Präsidentin gelegen, um einen politischen Sturm abzuwenden. Der angekündigte Taifun ist ziehmlich weit noerdlich von Cebu City durchs Land gefegt und stellte nicht wirklich eine Bedrohung für den ASEAN Gipfel dar.

Was hingegen durchaus eine Bedrohung fuer die stark umstrittene Präsidentin darstellte, waren die vielen Protest-Aktivitaeten, wie Zivilgeselschaftskonferenzen, Alternativforen, Workshops und natuerlich die Demonstrationen gegen das Wirtschaftsprojekt ASEAN und gegen die Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo.

Die allgemeine Einschaetzung von Oppositionsgruppen war, dass es eher der politische Sturm war, den Präsidentin Arroyo fuerchtete, weil ihre Sicherheitskraefte nicht genuegend auf die Protestaktionen vorbereitet waren und weil sie die internationale Oeffentlichkeit fuerchtete. Denn in denselben Tagen wurde im Parlament unter skandaloesen Umstaenden und unter lautstarkem Protest von der Strasse und von der parlamentarischen Opposition ein weiterer Versuch Arroyos unternommen, die Verfassung zu aendern.

Arroyos Amtszeit läuft 2010 aus und sie kann kein weiteres Mal kandidieren. Sie wuerde auch kaum mehr gewaehlt werden ohne massiven Wahlbetrug, wie bei den Wahlen 2004. Nachdem der erste Versuch, die Verfassung zu aendern, so dass sie laenger an der Macht bleiben kann, vom Obersten Gerichtshof der Philippinen als verfassungswiedrig abgeleht wurde, versucht sie es dieser Tage ueber das Parlament und eine Verfassungsgebende Versammlung. Im Kongress ist sie damit bis jetzt durchgekommen, aber der Senat scheint es nicht so eilig zu haben.

Dazu kommt die katastrophale Menschenrechtssituation. Die politischen Morde gehen weiter, woechentlich werden politische Aktivisten und Aktivistinnen auf offener Strasse von Maennern auf Motorraedern aus dem Umfeld des Militaers und der Polizei ermordet. Seit Frau Arroyo an der Macht ist, also seit 2001 sind es rund 800 politische Morde, die die Menschenrechtsorganisation Karapatan dokumentiert hat.

In diesem Sinne kam der Taifun Präsidentin Arroyo sehr gelegen, um diese Politischen Gewitter erst mal abzuwenden und vor allem vor dem Licht der Weltoeffenlichkeit zu verstecken.

Ob ihr das im Januar, auf wann der Gipfel verschoben wurde, auch gelingen wird, ist fraglich. Aber sicher haben die Oppositionsgruppen nicht mehr so viel Zeit sich vorzubereiten.

Taifun hin oder her, die Oppositionsgruppen haben entschieden ihre Konferenz, Workshops, Foren und Demonstrationen trotzdem durchzufuehren. Was auf der einen Seite Raum gab fuer tiefgreiffende Debatten ueber das Wirtschaftsprojekt ASEAN. Ob und in wiefern sich die Zivilgesellschaft daran beteiligen oder einmischen soll, respektive wie wir unsere scharfe Kritik am besten anbringen koennen. Auf der anderen Seite war es natuerlich ein wenig eine Alibiuebung, weil der eigentliche Grund, der ASEAN-Gipfel ja nicht präsent war, entsprechend waren auch fast keine Medien, vor allem keine internationalen Medien da.

ASEAN ist der Wirtschaftszusammenschluss vergleichbar mit der EU der 10 Länder in Südostasion dazu gehören: Burma, Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysien, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. ASEAN wurde vor knapp 40 Jahren 1967 gegründet, aber im Gegensatz zur EU, treten die ASEAN-Länder nicht gegen aussen als ein Wirtschaftsblock auf oder treiben fleissig untereinander Handel. Im Gegenteil die einzelnen Länder gehen Wirtschaftsabkommen mit Ländern wie den USA, Australien, Japan, Neuseeland und der EU ein und treiben viel mehr Handel mit Ländern ausserhalb Südostasiens als mit ihren Partnerstaaten innerhalb der ASEAN.
Die Frage ist also berechtigt, was soll die ASEAN, wenn sie nur dazu da ist, die Oekonomien der einzelnen Länder gegen aussen zu öffnen und dem Ausverkauf preis zu geben und die Regierungen ASEAN kaum nutzen, um gegen aussen staerker aufzutreten und die eigene Wirtschaft zu schützen. Darüber hinaus besteht ein Nicht-Einmischungsabkommen in internen Angelegenheiten. D.h. während in Burma Teakholz und Edelsteine abgebaut werden äussert sich niemand gegen die Militärdiktatur, die Tausende zur Fluch zwingt. Oder während mit Indonesien Handel betrieben wird, äusserte sich keine ASEAN-Regierung kritisch als der Genozid in Ost-Timor statt fand. Am 12. Gipfel der ASEAN-Staatsoberhäupter in den Philippinen soll eine Charta über die Zukunft der ASEAN ausgearbeitet werden.

Während einige Organisationen der Zivilgesellschaft darauf hinarbeiten, auf diese Charta Einfluss zu nehmen, damit die ASEAN und ihre Mitgliederstaaten demokratischer werden, stellen andere diesen Weg in Frage und meinen es sei verlorene Energie, denn die ASEAN sei klar ein Wirtschaftsprojekt, das keineswegs Demokratisierung und Menschenrechte zum Ziel hat. Die meisten waren sich einig, dass wir auf der einen Seite versuchen müssen auf die Entscheide der ASEAN Einfluss zu nehmen und gleichzeitig die ASEAN auf allen Ebenen, auf der Strasse wie in den Konferenzhallen kritisieren müssen.

Isis International Manila, die Frauenorganisation bei der ich arbeitete, nahm an der zweiten ASEAN Civil Society Konferenz teil, wir produzierten verschiedene Berichte und nahmen Reden auf, die auf der Isis Webseite www.isiswomen.org herunter geladen werden koennen.

Im folgenden hoert Ihr Ausschnitte aus dem Frauenworkshop mit dem Titel „Frauen erobern die ASEAN Gemeinschaft als demokratisches Projekt zurueck“ zusammengestellt von Isis International die Uebersetzung von Bianca Miglioretto.

Jingle

„Frauen erobern die ASEAN Gemeinschaft als demokratisches Projekt zurueck“ Das war der Titel eines Workshops am 11. Dezember an der ASEAN Civil Society Konferenz in Cebu City auf den Philippinen. Wie können die Frauen der Länder Südostasien versuchen auf die ASEAN Einfluss zu nehmen. Im Folgenden einige Ausschnitte der Sprecherinnen dieses Workshops.

Musik

Gigi Franzesco vom Internationalen Gender and Trade Network bot die Grundlage für die Diskussion, indem sie die Situation der Frauenbewegung in der Region darstelltebv. Sie erwähnte, dass die Beziehung der Frauenbewegung mit dem Staat immer ambivalent, ambigious und widersprüchlich war.

Gigi

Die Staaten in Südostasien haben Frauen immer dizipliniert gemäss den Bedürfnissen des jeweiligen Staates. Es ging nie um unsere Rechte als Bürgerinnen, sondern immer darum, was Frauen zur national Befreiung, nationalen Einheit, der Förderung der Staatskultur etc. beitragen können.
Aber die Disziplinierung der Frauen in Asien wird nicht nur vom Staat durchgeführt es gibt auch nichtstaatliche religiöse, ethnische, kulturelle und Familiäre Werte, die komplexe Normen, soziale Erwartungen und kulturelle Vorschriften hervorbringen, die Frauen befolgen müssen. Wenn wir den Staat strukturell analysieren, stellen wir fest, dass es sehr wohl einige Frauenrechte gibt, die uns zugesprochen werden. Aber nur soweit, dass diesen die patriarchale soziale Ordnung nicht ins Wanken bringen. Denn patriarchale und kapitalistische Systeme können sich erlauben uns gegenüber einige Eingeständnisse machen.

Musik

Charm Tong vom Shan Frauen Aktionsnetzwerk von Burma beschrieb die Situation der Frauen in Burma und in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern, wo die burmesischen Flüchtlinge nicht gerade willkommen sind. Sie zeigte auf welche Auswirkungen der Krieg in Burma auf die Frauen der Ethnischen Minderheiten hat.

Charm

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den Krieg in Burma lenken und wie gezielt sexuelle Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird. Frauen werden systematisch vergewaltigt. Nicht nur wegen ihrem Geschlecht sonder auch wegen ihrer Identität, weil sie einer anderen ethnischen Gruppe angehören. Vergewaltigung als Waffe ist weit verbreitet und die Soldaten werden weder verfolgt noch bestraft, im Gegenteil die Regierung gibt ihnen grünes Licht für Vergewaltigungen. Die Frauen in Burma haben keine Möglichkeit Gerechtigkeit einzufordern, in einem Land in dem es keine Gesetzgebung gibt. Ganz zu schweigen von Genugtuung, Beratung oder Therapiemöglichkeiten. Wenn die Frauen gegenüber den lokalen Behörden berichten was ihnen angetan wurde, werden sie meist selbst bestraft. Vergewaltigung wird klar benützt, um die ethnischen Gemeinschaften zu entwürdigen und die Bevölkerung zu demoralisieren.
Wir arbeiten mit vielen Vergewaltigungsüberlebenden an den Grenzen zu Burma in Indien, Thailand und Bangladesh. Sie hören nicht auf die Vergewaltigungen anzuklagen und öffentlich zu machen. Sie sind für mich die wahren Verteidigerinnen der Menschenrechte, damit diese Gewalt gegen Frauen endlich aufhört.

ASEAN verschliesst die Augen vor diesen Gräueltaten, die den burmesischen Frauen angetan werden Kin Omar von der Burmesischen Frauenunion musste erleben, wie sich Parlamentarier eines ASEAN-Landes über die Vergewaltigungen lustig machten. Als sie die Situation der Frauen in Burma vor dem Parlament darstellte:

Kin

Zwei Parlamentarier bewunderten unsere nationalen Kostüme und sagten oh, das ist schön. Ich erklärte ihm von welcher Ethnie das Kostüm stammt und er meinte, kein Wunder vergewaltigen die burmesischen Soldaten Euch denn ihr seit so schön. Ich war so schockiert, könnt ihr Euch das vorstellen, das sind die Parlamentarier unserer Region.

Musik

Raijeli Nicole von Isis International konzentrierte sich in ihrer Rede auf den wachsenden Fundamentalismus und den Backlash gegen Frauen als eine Reaktion auf die Globalisierung.

Raijeli
Das Anwachsen der verschiedenen fundamentalistischen Bewegungen heute ist teilweise eine Reaktion auf die neoliberale Globalisierung und der Mangel einer realistischen progressiven Alternative zum Neoliberalismus. Wenn der Staat versagt und seine Pflichten nicht mehr erfüllt, springen religiöse Gruppen in die Lücke und übernehmen gewisse Pflichten des Staates wie Schulbidlung, Gesundheitsverpflegung und andere Sozialleistungen. Diese religiösen Gruppen werden sofort viel attraktiver. Wir müssen uns bewusst sein, dass auf diese Art Religion aber auch Kultur benützt wird um politische Macht zu erlangen.

Am Ende ihrer Rede erwähnte Raijeli die Herausforderungen, die diese konservativen Trends für die Frauenbewegung der Region darstellen und präsentierte eine Alternative dazu.

Raijeli
Genzenloser Feminismus berücksichtig die Unterschiede, die Konfklikte, die Ängste, die Grenzen darstellen. Wir anerkennen ihre Existenz und die Spannungen, die sie erzeugen. Wir anerkennen, dass es viele unterschiedliche Grenzen gibt, die uns voneinander trennen. Die Linie zwischen Nationen, Rassen, Klassen, Sexualität, Religion, Behinderung sind real. Und diese Themen müssen wir aufgreiffen, wenn wir über ASEAN diskutieren. Wir müssen uns fragen, was ist meine nationale Position and was ist meine regionale Position. Feminismus ohne Grenzen bedeutet eine feministische Solidarität, im Gegensatz zur vagen Vorstellung von Schwesterlichkeit, die diese Grenzen verwischt. Diese Solidarität ist politisch und gleichzeitig ein ethisches Ziel.

Musik

Eine andere Herausforderung für die Frauenbewegung innerhalb der ASEAN wurde von Aurora Abate de Dios von Miriam College, Philippinen präsentiert. Sie sagte die ASEAN-Staaten wollen eine Kommission für Frauen und Kinder ins Leben rufen. Miriam College gehört zum Beraterinnenstab für diese Kommission. Aurora Abate de Dios unterstrich wie diese Kommission aussehen soll:

Aurora
Wir bestanden darauf dass diese Kommission so stark sein muss, wie CEDAW, die Beijing Aktionsplattform und all die anderen UNO-Dokumente, die die ASEAN-Länder bereits ratifiziert haben. D.h. wenn irgend ein ASEAN-Land diese Menschenrechtsrichtlinien nicht befolgt werden Sanktionen ergriffen. Wenn immer möglich fordern wir die Errichtung eines Menschenrechtsgerichtshofes in ASEAN.

Musik

Sophea Shrek von der Frauenagenda in Kambodscha beschrieb wie die neoliberale Globalisierung Frauen in die Sexindurstrie und in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in der Textilindustrie zwingt. Sie berichtet wie die Sexarbeiterinnen angefangen haben sich zu organisieren, um für ihre Rechte zu kämpfen.

Sophea
Der Neoliberalismus stellt ein grosses Problem für Frauen dar. Sie müssen in der Sex- und der Textilindustrie arbeiten. Oft wird den Frauen ein Job in einer Textilfabrik oder in einem Hotel versprochen und dann werden sie zu einem Frauenhändlern gebracht. Die Schulden der Landbevölkerung stellen das Hauptproblem der Leute dar. Oft reicht der Erlös der Ernte nicht aus, um die Schulden zu bezahlen. Also verlassen die jungen Frauen die Familien, um in der Textil- oder Sexindustrie Arbeit zu finden.

Musik

Das waren einige Ausschnitte aus dem Workshop „Frauen erobern die ASEAN Gemeinschaft als demokratisches Projekt zurueck“ vom 11. Dezember an der ASEAN Civil Society Konferenz in Cebu City auf den Philippinen. Zusammengestellt von Isis International Manila.

Jingle

Ihr habt einen Bericht gehört von der Serie Balita ng Philippinas, Nachrichten aus den Philippinen übersetzt und zusammengestellt von Bianca direkt aus Manila.
Weitere Berichte sind zu hören auf der Website www.freieradios.net unter der Serie Balita ng Philippinas 2006.

Musik

Kommentare
25.12.2006 / 11:48 RDL, Radio Dreyeckland, Freiburg
gesendet am 26.12.2006
Infomagazin