focus europa nr 242 vom 9.1.2007

ID 15265
 
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Nachrichten:
- EU: Kooperation bei Strafverfolgung?
- EU-Initiative gegen Guantànamo gefordert
- Soziale EU-Verfassung
- Müllaufkommen innerhalb der EU steigt ungebremst
- Hitzewellen, Tote, Katastrophen EU-Szenario zum Klimawandel bis 2071

Interview:
mit Karin Vogt (ATTAC Basel) zu Aktionen gegen WWF Davos
Audio
17:07 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 09.01.2007 / 00:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 09.01.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
EU: Kooperation bei Strafverfolgung?

Angeblich zur besseren Kriminalitätsbekämpfung strebt Deutschland eine engere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden in der Europäischen Union an. Unter anderem sollten künftig Informationen aus den jeweiligen Strafregistern jedem Richter in der EU zugänglich gemacht werden, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Montag bei der Vorstellung des Fachprogramms der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Berlin. Mit dem Abruf des Vorstrafenregisters sollen Informationsdefizite bei der Einschätzung ausländischer Straftäter reduziert werden. Ferner plant Deutschland nach Angaben der Ministerin, die Verhandlungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Freiheitsstrafen noch im ersten Halbjahr 2007 abzuschließen.

EU-Initiative gegen Guantànamo gefordert

Die Grünen haben sich für Initiativen der Europäischen Union (EU) zur Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba ausgesprochen. «Die EU muss klar machen, dass Guantánamo das Verhältnis zu Europa belastet und dass das Ansehen des Westens insgesamt durch diese Maßnahmen außerhalb des Rechtsstaates leidet», sagte Fraktions- Geschäftsführer Volker Beck. Daher müssten «Identität, Schicksal und Aufenthaltsort aller Gefangenen in US-amerikanischem Gewahrsam an unbekannten Orten weltweit offen gelegt werden», forderte er. Zudem müsse dem Internationalen Roten Kreuz und weiteren unabhängigen Beobachtern «uneingeschränkter Zugang» gewährt werden.
Beck kritisierte, dass auch die Bundesregierung die Möglichkeiten nicht ausschöpfe, die sie aufgrund der Luftverkehrs- und Militärabkommen mit den USA habe. «Man sollte von den USA eine klare Erklärung über alle Passagiere auf ihren Flügen über deutschen Luftraum verlangen», forderte er: «Wenn die USA dazu nicht bereit sind, muss man jeden amerikanischen Flug in unserem Luftraum durch deutsche Behörden kontrollieren.» Die Bundesregierung müsse darauf bestehen, «dass auf unserem Territorium das Völkerrecht und die Menschenrechte respektiert werden».
Das portugiesische Außenministerium bestätigte unlängst, dass es noch Ende Dezember CIA-Flüge zum Stützpunkt Guantánamo gegeben hat.

Soziale EU-Verfassung

Die Linksfraktion im Bundestag fordert einen komplett neuen EU-Verfassungsvertrag. Die Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine stellten gestern in Berlin ein Memorandum vor, das Eckpunkte für eine "demokratische, freiheitliche, soziale und Frieden sichernde Europäische Union" enthält.
Das Memorandum beschreibt die EU als einen politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Verbund von staatlich organisierten Völkern. Ihre Mitgliedstaaten sollten jedoch einen "Grundbestand souveräner Rechte" behalten. Die Linksfraktion will eine europäische Verfassung mit verbindlichen, einklagbaren Grundrechten. Das Recht auf menschenwürdige Arbeit, das Recht auf soziale Sicherheit sowie das Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung soll von Verfassung wegen gewährleistet sein. Die Verfassung soll auch das Recht zum Generalstreik enthalten. "Dieser neue Entwurf hat keine Chance, wenn er Lohndumping, Sozialdumping und Steuerdumping fortschreibt", sagte Lafontaine.
Die Linksfraktion will auf einer Verfassungskonferenz europäischer Linksparteien im März in Berlin ihre Eckpunkte zur Diskussion stellen.

Müllaufkommen innerhalb der EU steigt ungebremst

Jeder Europäer hinterlässt jährlich im Schnitt 530 Kilogramm Siedlungsmüll - vor 20 Jahren waren es noch rund 200 Kilogramm weniger (Deutschland 2004: ca. 580 Kilogramm pro Kopf). Ende August hat das Bundesumweltministerium seine Vorschläge zur Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie an die anderen EU-Mitgliedstaaten übersandt. Noch ist für das Bundesumweltministerium die Haltung zum Verwerterstatus von Müllverbrennungsanlagen (MVA) offen. Die EU-Kommission hatte angeregt, MVA als Verwertungsanlagen nur bei besonders hoher Energieeffizienz anzuerkennen - in Deutschland haben die Länder jedoch fast allen mittlerweile ca. 70 vorhandenen Anlagen diesen Status erteilt. Diese verbrennen 16 Millionen Tonnen Müll - jährlich. Tendenz steigend.
Als Leitgedanke einer hierarchischen Abfallwirtschaft in Deutschland galt bisher"Vermeiden vor Verwerten vor Beseitigen". Dabei sollte die stoffliche der thermischen Verwertung vorzuziehen sein. Doch gibt es Bestrebungen innerhalb der Europäischen Union, die Vorrangstellung der stofflichen vor der thermischen Verwertung abzuschaffen. Interessenten für diese Änderung sind unter Landwirten, Kraftwerks- und MVA-Betreibern, Stromerzeugern und in der Zementindustrie zu finden.
Dagegen sprach sich der abfallpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gerd Bollmann aus. Er wies darauf hin, dass bei einer weiteren Zunahme der thermischen Verwertung die theoretisch angestrebte Ressourcenschonung noch weniger berücksichtigt würde.

Hitzewellen, Tote, Katastrophen EU-Szenario zum Klimawandel bis 2071

Europa im Jahr 2071. Die durchschnittliche Jahrestemperatur ist um zwei Grad gestiegen, was in Italien und Spanien sowie Portugal zu anhaltenden Dürreperioden geführt hat. Etwa 90 000 Menschen werden der Hitze zum Opfer gefallen sein. Die Einnahmeausfälle der Tourismus-Branche belaufen sich auf 100 Milliarden Euro. Denn die Europäer brauchen nicht mehr in den Süden zu fahren, "Sonne satt" gibt es längst auch im Norden. In dem Maße, in dem sich in den Mittelmeerländern die Dürre ausgebreitet hat, sind die Ernteerträge in Deutschland sowie den übrigen Staaten in der Mitte der EU um rund 70 Prozent gewachsen. Davon haben nicht alle Mitteleuropäer etwas. Der Meeresspiegel ist um rund einen Meter gestiegen: die Niederlande und Teile Belgiens stehen unter Wasser. Was sich wie ein Schauermärchen liest, ist das Ergebnis einer Klimastudie der EU, die erst in einigen Wochen vorgestellt werden soll – verbunden mit Vorschlägen, wie die Katastrophe verhindert werden kann. Die Experten, die Brüssel mit der Zusammenstellung der Daten beauftragt haben, kommen zu zwei Szenarien. Im einen Fall gehen sie von 2,2 Grad Erwärmung aus, mit den geschilderten Folgen. Der weitaus schlimmere Fall würde beim zweiten Modell mit einem Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur von drei Grad eintreten. Grundlage der Berechnungen sind Auswertungen von neuesten Satellitenbildern und statistischen Daten, die erst jetzt zur Verfügung stehen.
Die EU-Kommission ist alarmiert und hat den Mitgliedstaaten eine Rückführung der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen bis 2020 um 20 Prozent verordnet. Zusammen mit einem ehrgeizigen Programm zur Energieeinsparung (ebenfalls 20 Prozent auf der Basis von 2006) will man die Atmosphäre retten. Vor diesem Hintergrund, so heißt es in Brüssel, nehme es sich allerdings "gar nicht gut" aus, dass ausgerechnet die Bundesrepublik versuche, die Vorgaben der EU-Kommission zu torpedieren. Seit Wochen tobt ein regelrechter Krieg zwischen der Industrie und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gegen die neuen Emissionsziele Brüssels für deutsche Unternehmen ab 2008. Sogar von einem Investitionsstopp war bereits die Rede, falls die Kommission die deutschen Firmen zu mehr Klimaschutz zwingen werde.