Todsichere Geschäfte – die Kooperation Deutschlands mit dem Irak

ID 15562
 
Anfang Januar 2003 berichtete die Presseagentur AFP über Details aus dem Rüstungsbericht, den der Irak für die Uno erstellt hatte. Dort sollen 98 deutsche Firmen genannt sein, die an Projekten für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beteiligt waren.
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Upload vom 07.02.2007 / 02:48

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Entstehung

AutorInnen: Redaktion International
Radio: radio flora, Hannover im www
Produktionsdatum: 01.04.2003
keine Linzenz
Skript
AutorInnen: Hubert Brieden, Mechthild Dormund

Anmoderation
Der ehemalige Diktator des Irak, Saddam Hussein wurde unter unsäglichen Bedingungen hingerichtet. Da die für eine Vollstreckung der Todesstrafe erforderliche Unterschrift des irakischen Präsidenten Jalal Talabani nicht eingeholt worden war, verstieß die Hinrichtung zudem gegen irakisches Recht. Auffallend war, dass die Hinrichtung während des noch laufenden Prozesse angeordnet wurde, in dem u.a. um Giftgasangriffe der irakischen Armee gegen die kurdische Bevölkerung verhandelt werden sollten. Wer sich erhofft hatte, dass auch die Hintergründe dieses Giftgaskrieges im Prozess ausgeleuchtet würden, sah sich getäuscht. Der Diktator ist tot, seine Hintermänner, die auch aus Deutschland kamen, bleiben im Dunkeln. Die Geschäfte laufen weiter.
Einem Untersuchungsbericht der Vereinten ist jetzt zu entnehmen, dass auch 63 deutsche Firmen im Rahmen des „Öl für Nahrungsmittel“ - Programms Schmiergelder an das Regime des Saddam Hussein zahlten. Darunter Siemens, Daimler-Chrysler, Linde, Fresenius, Henkel und Degussa. (vgl. Jungle World 10.1.2007)
Anlässlich der Hinrichtung Saddam Husseins, der Veröffentlichung des Uno-Berichtes über Schmiergeldzahlungen u.a. auch deutscher Firmen an das Regime des Exdiktators sowie der andauernden Versuche sich in der Region einzumischen, begeben sich die AutrorInnen des Features mit dem Titel „Todsichere Geschäfte – die Kooperation Deutschlands mit dem Irak“ auf die Suche nach denen, die hierzulande jahrzehntelang blendende Geschäfte mit dem Regime des Saddam Hussein machten.
Manuskript dieser und weiterer Sendungen auf der Internet-Seite von Radio Flora: www.radioflora.de > Sendungen > Magazin International > Archiv).


Todsichere Geschäfte - die Kooperation Deutschlands mit dem Irak (Feature)

Auffallendes Desinteresse
Anfang Januar 2003 berichtete die Presseagentur AFP über Details aus dem Rüstungsbericht, den der Irak für die Uno erstellt hatte. Dort sollen 98 deutsche Firmen genannt sein,


die an Projekten für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beteiligt waren. Die Anzahl der deutschen Unternehmen sei etwa doppelt so groß wie die der Firmen aus sämtlichen anderen Ländern. Obwohl die deutsche Wirtschaft also entscheidenden Anteil an der Ausrüstung des irakischen Regimes mit chemischen, biologischen und atomaren Waffen hatte, gab man sich in deutschen Massenmedien auffallend zurückhaltend. Informationen über die deutsch-irakische Rüstungskooperation fließen spärlich, für die traditionell guten Beziehungen zwischen Deutschland und Irak interessiert sich kaum jemand...

Mit der Bagdad-Bahn zum Öl
Bereits zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts entstanden in der Konstituierungsphase des Deutschen Zollvereins erste Pläne für eine europäische Großraumwirtschaft unter deutscher Führung. Preußen und Österreich, die in ihrer industriellen Entwicklung weit hinter England und Frankreich zurückgeblieben waren, sollten nach diesen Vorstellungen die Vorherrschaft über ein Gebiet von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer ausüben. Den Ländern Osteuropas wurde der Status von Kolonien zugeschrieben. Sie sollten einerseits Nahrungsmittel und Rohstoffe für die deutschen Metropolen in Berlin und Wien liefern und andererseits als Absatzmärkte für Manufaktur- und Industrieprodukte genutzt werden. Aber auch als Handelsbrücken in den Nahen Osten waren diese Länder vorgesehen.
Ziel dieser Planungen war es, die deutsche Vormachstellung gegenüber Russland und den Seemächten England und Frankreich durchzusetzen. Neben der Kontrolle der Donau galt der Bau von Eisenbahnlinien als geeignetes Mittel weite Teile Ost- und Südosteuropas zu durchdringen. So ist es nicht verwunderlich, dass deutsche und österreichische Kapitalgeber sich in dieser anscheinend zukunftsträchtigen Branche besonders engagierten. Den Beteiligten war klar, dass Deutschland sich gegen die konkurrierenden Großmächte nur würde durchsetzen können, wenn die ökonomische Expansion auch militärisch abgesichert würde. Noch vor Gründung des deutschen Nationalstaates erklärte der spätere Reichskanzler Bismarck, die "deutsche Frage" müsse "auf dem Schlachtfeld gelöst" werden. Erst nach drei Kriegen – gegen Dänemark, Österreich und Frankreich - konnte das sog. Deutsche Reich 1871 (unter Ausschluss Österreichs) proklamiert werden. Die feudalen Herrschaftsstrukturen des preußischen Obrigkeitsstaates und des preußischen Militarismus wurden im neuen Staat allgemein verbindlich. Militärische Hierarchien, bedingungslose Unterordnung, Gehorsam, "Zucht und Ordnung" bestimmten auch das zivile Alltagsleben. Mit der nachholenden Industrialisierung verlangten die ökonomischen und politischen Eliten Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine gleichberechtigte Position neben den anderen europäischen Großmächten. Das Bündnis zwischen Feudaladel und Bürgertum wollte endlich auch Kolonien in Übersee, endlich den "Platz an der Sonne", wie es hieß. "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen", tönte es bald. Noch vor der Jahrhundertwende begann ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Im deutschen Generalstab wurde die berüchtigte Blitzkriegstheorie entwickelt. Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung sollten die imperialen Interessen Deutschlands mittels überlegener Waffentechnik und mit bedingungslos gehorchender Soldaten durchgesetzt werden. Auch vor der Ausrottung unerwünschter Bevölkerungsteile schreckte man nicht zurück und erprobte sie praktisch in den deutschen Kolonien bei der Niederschlagung von Aufständen gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
Im Ersten Weltkrieg wurden Kriegsplanungen und neue Strategien in die Tat umgesetzt.
1913, unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, erschien eine Broschüre mit dem Titel "Berlin-Bagdad – Neue Ziele mitteleuropäischer Politik". Ein Bestseller, der 1915 bereits in der 12. Auflage erschien. Als Autor wurde ein Konrad von Winterstein genannt - ein Pseudonym, hinter dem sich Albert Ritter versteckte, der Geschäftsführer des Alldeutschen Verbandes, einer Organisation, die 1890/91 gegründet worden war, und seitdem die Säuberung Deutschlands von Ausländern und Juden sowie die militante und aggressive Durchsetzung großdeutscher Kolonialinteressen propagierte. Winterstein alias Ritter forderte die Errichtung eines Bundes von Staaten, "quer durch Mittel- und Südosteuropa" von Berlin bis Bagdad. Deutschland benötige diesen Bund als Absatzgebiet, Rohstoffbasis und als Siedlungsraum. Am verletzlichsten seien die deutschen Interessen in Südosteuropa. Durch eine Unterbrechung des Weges über den Balkan könne "Mitteleuropa", sprich Großdeutschland, blockiert und ausgehungert werden.
Zur Erschließung dieses von Deutschland beanspruchten Wirtschaftsgroßraums war bereits im März 1903 der Bau einer rund 4000 km langen Bahnlinie projektiert worden – der Strecke Berlin-Bagdad. Zunächst hatte man die Bahn über den Balkan bis in die türkische Hauptstadt Istanbul vorangetrieben. Von dort ging der Bau weiter über Konia, durch Kurdistan, über Adana und Aleppo, die syrische Handelsmetropole, dann nach Mossul ins kurdische Erdölgebiet, um schließlich rechtzeitig zum Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 Bagdad zu erreichen. Aber auch Bagdad stellte nicht das endgültige Ziel sein. Von hier sollte es weitergehen nach Basra am Persischen Golf, wo im Zentrum der dortigen Erdölquellen ein deutscher Flotten- und Handelsstützpunkt geplant war. Mit allen Mitteln und unter höchstem finanziellem Aufwand wurde das deutsche Nahostprojekt "Bagdadbahn" vorangetrieben. Gemeinsam mit der Konzession zum Bau der Bagdadbahn hatte die Deutsche Bank bereits von der Türkei das Recht erhalten, in der Region Mossul nach Bodenschätzen zu suchen. Die 1912 gegründete Türkische Petroleumgesellschaft sollte als internationales Kartell die Ausbeutung der Erdölvorkommen in den Regionen Mossul/Kirkuk und Bagdad vorantreiben. Neben der Türkischen Nationalbank, die 50% der Gesellschafteranteile hielt, waren die niederländisch-britische Royal Dutch-Shell und die Deutsche Bank mit jeweils 25% beteiligt. Allein wären die Deutschen nicht in der Lage gewesen, genügend Finanzmittel zur Erschließung und Ausbeutung der Erdölquellen aufzubringen. Der Bau der Bahn hatte für die Deutsche Bank Priorität vor dem Erdölgeschäft und durch Zugeständnisse an England hoffte man die Bahnlinie weitgehend ohne Hindernisse bis Basra bauen zu können.
Trotz dieser partiellen Kooperation wurden die deutschen Pläne von England, Frankreich und Russland, den Konkurrenten Deutschlands, mit allen Mitteln bekämpft. Für die Großmachtpläne der deutschen Wirtschaft und der anderen imperialen Mächte verbluteten Millionen von Menschen auf den Schlachtfeldern. Im Ersten Weltkrieg kämpften deutsche Reichswehr-Soldaten in der Golfregion auf der Seite der Türkei gegen die Briten und ihre arabischen Verbündeten. Unter ihnen ein junger Mann, der eines Tages als einer der schlimmsten Massenmörder der Weltgeschichte bekannt werden sollte: Rudolf Höss, der spätere Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, kämpfte als Fünfzehnjähriger gemeinsam mit der 6. türkischen Armee vor Bagdad, Kut-el-Amara und in Palästina. Gegen arabische Zivilisten und Dörfer, die im Verdacht standen mit den Briten zu sympathisieren oder zu kooperieren, wurde mit allen Mitteln und mit aller Härte vorgegangen. Mord, Folter, Vergewaltigungen und das Auslöschen ganzer Dörfer waren keine Seltenheit. Hier lernte Höss zum ersten Mal die Brutalität des Krieges und Techniken des Massenmordes kennen. Vielleicht begegnete der spätere KZ-Kommandant hier einem anderen Mann, der einige Jahre später ebenfalls eine verhängnisvolle Rolle in Deutschland spielen sollte. In der 4. Türkischen Armee diente Franz von Papen, der später Reichskanzler werden sollte und kurz darauf maßgeblich daran beteiligt war, Adolf Hitler an die Macht zu bringen. Am Ende seiner Karriere sollte er als Botschafter Nazideutschlands wieder in den Nahen Osten zurückkehren.
Aber die Allmachtsphantasien und Herrenmenschen-Träume vom "Platz an der Sonne" zerplatzten wie Seifenblasen. Deutschland verlor den von ihm angezettelten Krieg.
Und die Bagdadbahn?
Deren Schienennetz lag vollständig in Trümmern. Erst in den dreißiger Jahren wurden die Bauarbeitern wieder aufgenommen als Deutschland erneut versuchte Großmacht zu werden. In einem 1938 erschienen "weltpolitischen Atlas" heißt es: "Der Irak ist dabei, das im Zuge der Bagdadbahn noch fehlende Stück auszubauen. 3 ½ Jahrzehnte nach Beginn der Bauarbeiten ist jetzt endlich die Verwirklichung des ursprünglichen deutschen Gedankens einer großen Transorientlinie in greifbare Nähe gerückt. Mit der Fertigstellung der Bagdadbahn wird eine neue Epoche in dem Prozess des wirtschaftlichen und politischen Zusammenschlusses des Nahen Ostens eingeleitet. Die Bedeutung Bagdads als Zentrum des Verkehrsgefüges des Nahen Ostens wird sich nach der Vollendung der Bagdadbahn noch wesentlich erhöhen."
Aber erst 1940 standen die Signale auf "Freie Fahrt". Doch auch diesmal scheiterte das Projekt, genauso wie der zweite Versuch Deutschlands, sich zur Weltherrschaft aufzuschwingen. Wieder wurde die Bahnlinie im Krieg zerstört. Vor dem Bahnhof von Aleppo steht heute eine der letzten Lokomotiven der Bagdadbahn. Ein technisches Denkmal, in dem Kinder spielen.
"Doch nichts ist endgültig in unserer Welt", heißt es in einem Beitrag des Bayrischen Rundfunks vom März 2002. "Vielleicht fährt eines Tages auch wieder die Bagdad-Bahn. Wer es nicht glaubt, der sollte den Märchenerzählern in Damaskus und Bagdad zuhören. Sie schwärmen von den Wundern und Abenteuern, die wir bei einer Fahrt mit diesem Zug erleben werden. Dass es die Strecke noch gar nicht gibt – egal, wenn wir zu Füßen der Geschichtenerzähler sitzen, dann hören wir das Rollen der Räder dieses deutsch-arabischen Nahost Express ganz deutlich... wetten?"
Märchenerzähler phantasieren nicht nur in Bagdad, sondern auch in Berlin. Altbekannte Phantasmen und Hirngespinste: Von europäischer Großraumwirtschaft unter deutscher Führung, von den Interessen Deutschlands in aller Welt und ... von der modernen Bagdadbahn ...
So überraschte der einstige DDR-Bürgerrechtler Hans Krech - später im FDP-Bundesfachausschuss für internationale Politik und Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg - vor einigen Jahren die Öffentlichkeit mit einem grandiosen Plan: Von Hamburg bis zum Persischen Golf sollte eine Transrapidstrecke gebaut werden. Der Auftrag zum Bau der Waggons sollte dem Waggonbauwerk Halle-Ammendorf zugeschanzt werden, um der strukturschwachen Region zum wirtschaftlichen Aufschwung zu verhelfen. Heute hofft Krech, das Projekt nach einer Golf-Friedenskonferenz endlich realisieren zu können. "Die Vereinigten Arabischen Emirate", ließ er wissen, "haben bereits Interesse am Transrapid bekundet".
Der zweite Griff nach der Weltmacht
Nachdem der Irak im Oktober 1932 als unabhängiger Staat vom Völkerbund anerkannt worden war, blieb das Land im Einflussbereich Großbritanniens. Durch das anglo-irakische Abkommen von 1930 hatte die Kolonialmacht jedoch sichergestellt, dass der Irak weiter ökonomisch und außenpolitisch von Großbritannien abhängig blieb. Antibritische nationalistische Bewegungen und Organisationen gewannen an Zulauf. Kennzeichnend für den wachsenden Nationalismus war der Hass auf Ausländer und auf Minderheiten, der sich zunächst im Sommer 1933 an der assyrisch-christlichen Bevölkerung austobte: 64 assyrische Dörfer wurden zerstört und mehrere Hundert Bewohner zusammengetrieben und erschossen. Ab 1934 begann die Diskriminierung der irakischen Juden, die in Bagdad ein Viertel der Bevölkerung stellten.
In Deutschland waren seit Ende Januar 1933 die Nationalsozialisten an der Regierung. Der bereits im Oktober 1932, also noch zur Zeit der Weimarer Republik, zum deutschen Gesandten in Bagdad ernannte Orientalist Fritz Grobba passte die NS-Propaganda der irakischen Situation an. Die deutsche Botschaft kaufte eine Tageszeitung, in der neben anderer Nazipropaganda ab Oktober 1933 Hitlers "Mein Kampf" in Fortsetzungen publiziert wurde.
1935 übernahm für 8 Monate Franz Robert Pawelke den Posten des deutschen Missionschefs in Bagdad, ein Mann, der auch nach dem Kriege seine Diplomatenkarriere fortsetzte. Im Oktober 1952 trat er seinen Dienst als westdeutscher Botschafter in Kairo an. 1948 hatten ihm israelische Zeitungen vorgeworfen, er sei ein "Nazi-Diplomat" und steuere den arabischen Widerstand gegen ein deutsch-israelisches Wiedergutmachungsabkommen.
Aber zurück in die dreißiger Jahre:
Als die deutschen Eliten zum zweiten Mal versuchten, sich zur Führungsmacht, zur Kolonial- und Weltmacht aufzuschwingen, musste sich zwangsläufig wieder der Konflikt mit Großbritannien verschärfen, besonders in den erdölreichen Gebieten am persischen Golf.
Die Nationalsozialisten knüpften Kontakte zu den antibritischen panarabischen Bewegungen. Durch die Förderung nationalistischer Bewegungen versuchte die deutsche Regierung den Einflussbereich ihrer imperialen Konkurrenten zu destabilisieren. Irakische Armeeangehörige, Akademiker und Vertreter von Jugendorganisationen wurden nach Deutschland eingeladen.
1937, im Geburtsjahr Saddam Husseins, besuchte Reichsjugendführer Baldur von Schirach Bagdad und lud Delegierte der panarabischen Jugendorganisation Futuwwa zum Reichparteitag der NSDAP nach Nürnberg ein. Ein Angebot, das gerne angenommen wurde.
Nach dem Ausbruch arabischer Unruhen in Palästina zwischen 1936 und 1939 flohen viele palästinensische Flüchtlinge in den Irak, darunter der Mufti von Jerusalem, der offen mit den Nazis sympathisierte und schließlich in Deutschland Asyl fand. Im Irak verschärfte sich die antijüdische Hetze, es kam zu Überfällen auf jüdische Wohnviertel, zu Anschlägen und Morden. Als festgenommene Randalierer aussagten, sie seien von deutschen Lehrern instruiert worden, wies die irakische Regierung mehrere der beschuldigten Deutschen aus.
Ende April 1939 trat Franz von Papen sein Amt als deutscher Botschafter in der Türkei an, dem die Region bereits aus dem Ersten Weltkrieg bestens bekannt war, als er auf Seiten des osmanischen Reiches gegen die Briten gekämpft hatte. Für führende Repräsentanten der arabischen Nationalbewegung war Papen bald bevorzugter Ansprechpartner.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sympathisierten führende irakische Nationalisten mit Nazi-Deutschland. Sie erhofften sich die Unterstützung Deutschlands gegen die alten Kolonialmächte. Es dauerte nicht lange, bis der Kontakt zu einer englandfeindlichen Strömung innerhalb der irakischen Regierung hergestellt war. Im Juli 1940 stellte der irakische Justizminister in einem Gespräch mit Papen die Unterstützung Deutschlands durch die irakische Armee im Kampf gegen die Briten in Aussicht. Der Mufti von Jerusalem erbat deutsche Hilfe bei der Vorbereitung einer neuen Aufstandsbewegung in Palästina und verhandelte über einen Mittelmann auch mit Fritz Grobba, dem ehemaligen deutschen Gesandten in Bagdad und Arabien-Beauftragten des Auswärtigen Amtes. Papen hatte wenige Wochen nach Antritt seines Botschafterpostens in einer Denkschrift die strategische Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens für die Weltmachtpläne des Deutschen Reiches herausgearbeitet. England müsse, so forderte er, "an seinem vitalsten Punkte, in Indien" getroffen werden, deshalb müssten die Achsenmächte Deutschland und Italien "die Landbrücke nach Indien (Syrien – Palästina - Zugang zu Mossul) besitzen". Voraussetzung für den Sieg Deutschlands und seiner Verbündeten sei die Vertreibung der Briten vom Suezkanal, von der palästinensisch- transjordanischen Landbrücke, vom Persischen Golf und schließlich aus Indien. Eines der Hauptziele deutscher Expansionspolitik war für Papen ebenso wie für Grobba die Kontrolle der irakischen Ölquellen. Der Botschafter und der Arabien-Beauftragte kooperierten vertrauensvoll mit Kontaktleuten von Deutscher und Dresdner Bank, die auf die Zuteilung von Ölförderkonzessionen in einem von den Briten "befreiten" Irak spekulierten.
1941 gelang es einer prodeutschen Regierung für vier Monate die Macht im Irak zu übernehmen. Da besetzten britische Truppen das Land. Die deutsche Luftwaffe griff auf Seiten irakischer Regierungstruppen in die Kämpfe ein, was deren Niederlage jedoch nicht verhinderte.
Doch der Erfolg der Nazipropaganda war unübersehbar: Irakische Nationalisten organisierten antijüdische und antibritische Demonstrationen und Kundgebungen, die oft mit Gewalttätigkeiten endeten. Juden wurden festgenommen und gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen, sie hätten für die Briten spioniert. In Basra und Bagdad kam es zu antijüdischen Pogromen. Die Briten, deren Truppen außerhalb der Städte stationiert waren, ließen den Mob allerdings gewähren. Allein in Bagdad wurden 179 jüdische Menschen ermordet und mehr als 2000 verletzt. Erst der Sturz der Regierung machte den Gewalttaten ein Ende. Unter dem Verfolgungsdruck schlossen sich viele jüdische Jugendliche nun zionistischen Organisationen an.
Auch der Einsatz terroristischer Methoden gehörte zum Repertoire der deutschen Kriegsplaner im Kampf gegen die Briten im Nahen Osten.
Zwischen 1940 und 1944 operierten deutsche Spionage- und Diversionsverbände mehrfach auf irakischem Territorium. Unter Regie des "Sonderstabes F" wurde in Berlin aus Wehrmachtsangehörigen und muslimischen Freiwilligen die sogenannte "Arabische Brigade" aufgestellt, eine Terrorgruppe, die u.a. vor Bagdad und Mossul zum Einsatz kam. Ziel der deutschen Sabotage- und Kampfeinheiten war es, zunächst die irakischen und iranischen Erdölfelder zu besetzen und danach in das Erdölgebiet von Baku und Grosny vorzudringen. Aber trotz Unterstützung durch Kampfflugzeuge und Jäger der deutschen Luftwaffe scheiterten diese Planungen.
Zwar war der Zugriff Deutschlands auf den Irak und damit auf die Ölquellen durch das militärische Eingreifen der Briten vereitelt worden, aber der Einfluss der Naziideologie und des Antisemitismus blieb auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges in nationalistischen und panarabischen Organisationen des Irak erhalten.
Bereits im Juli 1943 war von einer noch unbedeutenden kleinen Gruppe in der syrischen Hauptstadt Damaskus die erste programmatische Erklärung der panarabischen Ba’th-Bewegung veröffentlicht worden.
Kaum war die Ba'th-Partei am 17. Juli 1968 im Irak an die Macht gekommen, schürte sie den Hass auf Juden und den Staat Israel um die Opposition zu bekämpfen und von selbst verursachten Missständen abzulenken - klassische Sündenbockpolitik. Dissidenten und Oppositionelle wurden regelmäßig beschuldigt, "zionistische Agenten" zu sein. Im Dezember 1969 berichtete das irakische Fernsehen von einer "zionistischen" Verschwörung, die von Juden aus Basra angezettelt worden sei. 17 Beschuldigte, 13 von ihnen Juden, wurden nach ihrer Verurteilung in einem Schauprozess unter den Augen von etwa 100.000 Schaulustigen in Bagdad gehenkt.
Im April 1990 erklärte Saddam Hussein, er verfüge über geheime Waffen, mit denen er "halb Israel auffressen" könne und nach dem Einmarsch in Kuwait ließ die irakische Regierung wissen, sie werde im Falle eines Angriffs amerikanischer und alliierter Truppen Israel, das sich ausdrücklich aus der bewaffneten Konfrontation heraushielt, mit Giftgas angreifen. Im Jahr 2000 verkündete Saddan Hussein die Unterstützung der palästinensischen Al-Aqsa-Intifada.

Westdeutsche Geheimdienstaktivitäten
Nach der vernichtenden Niederlage im Zweiten Weltkrieg stand Deutschland unter allliierter Kontrolle. Außenpolitisch mussten die deutschen Regierungen zunächst vorsichtig agieren, mussten neues Vertrauen aufbauen. Doch mit der Remilitarisierung und dem Ausbau Westdeutschland zur Wirtschaftswundermacht wuchsen auch wieder die außenpolitischen Begehrlichkeiten. Voraussetzung zur Wiederherstellung des internationalen Vertrauens war ein gutes Verhältnis zum neugegründeten Staat Israel. Auch die Wiedergutmachungszahlungen dienten v.a. dem Zweck, die außenpolitische Reputation und damit Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland wieder herzustellen.
Westdeutsche Unternehmer, Diplomaten und Geheimdienstler knüpften neue Kontakte und pflegten alte Freundschaften, um billige Rohstoffquellen und neue Märkte für Waren aus Deutschland zu erschließen.
Doch die sich ausweitenden westdeutschen Aktivitäten wurden von den Konkurrenten in Europa und Übersee mit Misstrauen beobachtet. Konflikte blieben nicht aus, vor allem, wenn Westdeutschland in Regionen mit strategisch wichtigen Rohstoffen, wie Erdöl, aktiv wurde. Alle Bemühungen des BND, so die Einschätzung des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom, "der Bonner Außenwirtschaftspolitik in Afrika und im Nahen Osten größere Spielräume zu verschaffen, wurden von ihnen jedoch als Eingriff eines Konkurrenten in ihre Kolonialsphäre betrachtet und entsprechend abgewehrt."
Schon 1966, als der Bundesnachrichtendienst (BND) in Nigeria und der abgefallenen ölreichen Provinz Biafra aktiv geworden war und Waffen über die Hamburger Firma Dobbertin ins Krisengebiet gelangten, waren diese Aktivitäten nicht unbemerkt geblieben. Einerseits kooperierten die Geheimdienste der westlichen Industrienationen, andererseits arbeiteten sie als Konkurrenten gegeneinander.
Nach der Sowjetunion und der DDR stand in den 80er Jahren der Nahe Osten gemeinsam mit den westlichen Industrienationen auf Platz 2 der sechsstufigen Prioritätenliste des Bundesnachrichtendienstes. Die Gründung der OPEC im Jahre 1960 und die Verstaatlichung der Erölquellen in einigen Ländern, hatte deutlich gemacht, dass deren Regierungen nicht mehr bereit waren, die Gewinne aus dem Erdölgeschäft ausschließlich den großen Mineralölkonzernen zu überlassen. Neben der OPEC war 1968 zusätzlich die Organisation der Arabischen erdölexportierenden Länder (OAPEC) gegründet worden, die nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 versuchte über die Erdölpolitik Druck auf die westlichen Staaten auszuüben, die Israel unterstützt hatten. Gegen die USA und die Niederlande wurde ein Lieferboykott verhängt, der sich auch auf die übrigen westeuropäischen Staaten auswirkte. Gegenüber 1970 konnte die OAPEC eine Vervierfachung der Erdölpreise durchsetzen und gleichzeitig wurde die Verstaatlichung der Ölquellen weiter vorangetrieben. Diese Preiserhöhungen führten in machen Metropolenstaaten zu Verwerfungen in den Zahlungsbilanzen und verschärften die Wirtschaftskrise von 1973/74. Zum ersten Mal wurde in den westlichen Industrieländern über Energiesparmaßnahmen und die Nutzung "alternativer" Energien diskutiert. Der Sturz des Schah von Persien und die Machtübernahme durch die schiitische Priesterschaft im Iran und der 1. Golfkrieg zwischen Irak und Iran führte zwischen 1979 und 1981 zu einer zweiten Ölpreiskrise. Der Kampf um den strategischen Rohstoff Erdöl, ohne den die Ökonomie der kapitalistischen Industriemetropolen zusammenbrechen würde, verschärfte sich.
In Deutschland baute besonders die FDP ihre Kontakte in den Nahen Osten aus, um einerseits die Erdölversorgung zu sichern und andererseits neue Märkte für deutsche Produkte zu erschließen. Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorf, Innenminister Gerhart Baum und der Abgeordnete Jürgen Möllemann flogen regelmäßig in die Erölregion. Und mit Klaus Kinkel stand auch an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes ein FDP-Mann, der diese Politik der sozial-liberalen Koalition unterstützte und einen Schwerpunkt der Arbeit des Geheimdienstes in den nahen und mittleren Osten verlegte. Es begann eine intensive Kooperation mit den Geheimdiensten der arabischen Diktaturen. Man bemühte sich besonders um die Vermittlung geheimdienstlicher Technologie. Von Lauschanlagen über Chiffrier- und Übetragungsgeräten bis zu Computern war alles im Angebot. Man erhoffte sich zweierlei Vorteile: Einerseits konnten deutsche Produkte, besonders von Siemens, abgesetzt werden und andererseits hatte man, da man die Technik kannte, keinerlei Schwierigkeiten, die jeweiligen Verschlüsselungen zu dechiffrieren und damit Zugriff auf die gesamte diplomatische und geheimdienstliche Kommunikation der jeweiligen Kunden zu bekommen. Neben hochwertiger Geheimdienstelektronik wurden auch Waffen geliefert. Schon 1958 war beispielsweise die Palastwache des Königs von Saudi-Arabien vom BND mit Pistolen und Sprechfunkgeräten ausgestattet worden. Die Schulung des saudischen Geheimdienstes hatte die Kontakte zum Repressionsapparat des feudalen Gewaltherrschers in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre weiter vertieft. Daneben bestanden geheimdienstliche Kontakte zum Iran, zu Jordanien, in den Libanon, den Nordjemen, nach Libyen, Ägypten, Tunesien, Marokko in den Sudan. Zum Irak unterhielt der BND in der zweiten Hälfte der 70er Jahre nur lose Kontakte, da der regionale Arbeitsschwerpunkt im Iran lag. Nach dem Sturz des Schah und der Auflösung seines berüchtigten und verhassten Geheimdienstes SAVAK, mit dem die Deutschen bestens ausgekommen waren, sollte sich das ändern.
Im Auftrag des Bundesinnenministeriums intensivierte der BND ab 1979 seine Aktivitäten im Irak und verhandelte um Möglichkeiten der Kooperation. Während die irakische Seite Ausstattungs- und Ausbildungsbeihilfen für Geheimdienst, Polizei und Militär erwartete, wollten die Deutschen Unterstützung im "Kampf gegen den Terrorismus" - das hieß im Klartext: gegen die Rote Armee Fraktion (RAF). Im Juli 1979 unterzeichnete der deutsche Außenminister Genscher in Bagdad ein Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. Zur gleichen Zeit hatte der ehemalige Geheimdienstmann Saddam Hussein sich gegen alle Konkurrenten durchgesetzt und sein Gewaltregime konnte bei der Vorbereitung des Krieges gegen den Iran die einseitige Abhängigkeit von sowjetischen Waffenlieferungen abbauen. Keinerlei Anstoß fanden die sozial-liberale deutsche Bundesregierung und ihr Geheimdienst daran, dass die im Irak regierende Ba'ath eine Kampagne gegen Kommunisten und - nach dem Umsturz im Iran - auch gegen Schiiten organisierte. Folter, Deportationen und Morde waren an der Tagesordnung. Zwischen 1981 und 1989 exportierte die Bundesrepublik laut Angaben des deutschen Wirtschaftsministers nachrichtendienstliche und militärische Technik wie Computer, Chiffrier- und Radargeräte u.a.m. im Wert von 500 Millionen Mark in den Irak. Ein Teil der technischen Geräte aus Deutschland wurde im Juni 1993 bei einem us-amerikanischen Raketenangriff auf die irakische Geheimdienstzentrale in Bagdad zerstört.
Hochrangige irakische Politiker weilten regelmäßig in der Bundesrepublik, um sich mit Waffen einzudecken. Irakische Polizeioffiziere wurden an Polizeischulen in Augsburg und Rosenheim und beim Landeskriminalamt in München ausgebildet. Bayrische Verfassungsschützer reisten zur Unterstützung ihrer irakischen Kollegen nach Bagdad. Irakische Spezialeinheiten lernten ihr Handwerk bei der Antiterrortruppe GSG 9 des deutschen Bundesgrenzschutzes.
Übrigens war auch der durch die Rote Armee Fraktion ermordete Siemens-Generaldirektor Karl-Heinz Beckurts laut Aussage des Geheimdienstexperten Schmidt-Eenboom "maßgeblich an der Vermittlung der Lieferung von Abhöranlagen an den Irak, an Iran und Libyen beteiligt".
Die deutsche Unterstützung für den irakischen Geheimdienst trug erheblich dazu bei, dass die irakische Opposition im In- und Ausland zerschlagen werden konnte. Seit Juli 1979, so berichten Insider, habe es eine deutsch-irakische Übereinkunft zur Kontrolle der irakische Opposition gegeben haben. Demnach sollen umfangreiche Informationen über Asylsuchende und Oppositionelle aus dem Irak, die vor de